Seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts bis 1945 bildeten die Dorotheenstadt und die Friedrichstadt das Herzstück der Berliner "City". Am heutigen Zustand der beiden miteinander verschmolzenen Stadtteile läßt sich die vielschichtige Entwicklung im Verlauf von drei Jahrhunderten ablesen, die mit der planmäßigen Anlage der Neustädte und der Allee "Unter den Linden" als repräsentativer "Prachtstraße" der kurfürstlichen Residenzstadt während der Barockzeit ihren Lauf nahm. Die im frühen 19. Jahrhundert einsetzende bürgerliche Überformung und der schnelle Wandel zum Zentrum der aufstrebenden Reichshauptstadt in der Kaiserzeit haben das Antlitz der Dorotheen-/Friedrichstadt tiefgreifend verändert. Infolge der Verwüstungen des Zweiten Weltkrieges und der Abrisse der Nachkriegszeit bestehen die steinernen Zeugen dieser bewegten Vergangenheit heute nur noch fragmentarisch - eingebettet in die widersprüchlichen Produkte der Rekonstruktionen und Neugestaltungen der DDR-Zeit.
Trotz der vielen Überformungen und Zerstörungen des Bebauungsgefüges hat sich ein Merkmal der ursprünglichen Gebietsstruktur - wenn auch stellenweise beschädigt - erhalten: der charakteristische, in der Barockzeit ausgeprägte Stadtgrundriß. Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts bildeten das Straßensystem und die blockbegrenzenden Baufluchten das Grundgerüst für die Einfügung neuer Gebäude, während sich die Parzellenstruktur als drittes, den Maßstab der Bebauung mitbestimmendes Merkmal des Stadtgrundrisses mit einer Tendenz zur Zusammenlegung von Grundstücken bereits schrittweise veränderte. Erst die seit den sechziger Jahren durchgeführten Neugestaltungsmaßnahmen haben nicht nur das Parzellensystem durch die Schaffung von Großparzellen weiter vergröbert, sondern stellenweise auch die überkommenen Straßenbreiten und Baufluchten negiert. Einige Hochhausprojekte beschädigten nicht nur den Stadtgrundriß, sondern auch das traditionelle Höhenprofil und die Stadtsilhouette.
Heute gleichen die Dorotheenstadt und die Friedrichstadt einem städtebaulichen Flickenteppich - Stein gewordener Ausdruck des Wechsels der gesellschaftlichen Verhältnisse wie der planerischen und ästhetischen Leitbilder. Gerade diese Vielschichtigkeit mit all ihren Brüchen macht die besondere Eigenart der beiden Stadtteile aus. Trotz der zahlreichen Lücken und Brachen geben die Fragmente des historischen Bebauungsgefüges zusammen mit dem Stadtgrundriß den Rahmen für die Bauabsichten der Gegenwart vor. "Kritische Rekonstruktion" heißt die Devise für eine Weiterentwicklung insbesondere dieses Stadtraumes: ein Leitbild, nach dem - so lautet jedenfalls der Anspruch - die verlorengegangene Bebauung nicht etwa historisierend rekonstruiert, sondern die städtebaulichen Eigenarten der verschiedenen Orte zwar respektiert, aber auch interpretiert werden - durch eine den Bedürfnissen und ästhetischen Vorstellungen der Gegenwart gemäße Architektur.
Die Geschichte der Dorotheenstadt begann zwar eigentlich erst 1670, als der "Große Kurfürst" Friedrich Wilhelm seiner Gemahlin Dorothea das Gelände der späteren Neustadt schenkte. Bedeutend älter ist indessen die das baulich-räumliche Gefüge der Dorotheenstadt prägende Straße Unter den Linden. Bereits seit dem 16. Jahrhundert bestand ein Reitweg zwischen dem kurfürstlichen Schloß in Cölln und dem ab 1527 im Tiergarten angelegten Jagdgebiet. Seit 1647 erfuhr diese Verbindung auf Veranlassung Friedrich Wilhelms einen großzügigen Ausbau zu einer repräsentativen Achse, die befestigt und mit sechs Reihen Linden und Nußbäumen - alles in allem jeweils 1.000 Bäume - bepflanzt wurde. Sie endete damals aber noch etwa in Höhe der heutigen Schadowstraße, wo der Tiergarten begann. Mit der Ausrichtung dieser Allee auf das Schloß wurde dieses zum Ausgangs- und Bezugspunkt der weiteren, die westlichen Stadtteile privilegierenden städtebaulichen Entwicklung im historischen Zentrum Berlins. Die absolutistischen Herrschaftsverhältnisse fanden so im Stadtgrundriß ihren sinnfälligen Ausdruck.
Nur langsam überwand Berlin während der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die durch den Dreißigjährigen Krieg verursachten Verwüstungen. Berlin wurde befestigte Residenzstadt: Im Jahre 1658 ordnete der Kurfürst den Ausbau des Festungsgürtels nach dem Entwurf von Johann Gregor Memhardt an. Bis 1686 entstand ein Ring von Bastionen, der Berlin, Cölln, Neucölln am Wasser und die 1662 gegründete Neustadt Friedrichswerder umschloß. Die Weiterentwicklung der Militärtechnik ließ das aufwendige Bollwerk aber schnell veralten.
Die Gründung neuer Städte außerhalb des mittelalterlichen Stadtkerns mit eigenen, von den Magistraten Berlins und Cöllns unabhängigen Verwaltungen war eines der wichtigsten Anliegen Friedrich Wilhelms und auch seines Nachfolgers. Neue Bürger sollten so in die brandenburgische Residenzstadt gezogen werden und deren Reichtum und Bedeutung mehren.
Im Jahre 1670 erhielt also Kurfüstin Dorothea den Garten des späteren Schlosses Monbijou und das dazugehörige Gebiet zwischen der Spree und der Lindenallee. Sie erteilte Joachim Ernst Blesendorf, dem Generalquartiermeister und Direktor aller Fortifikationen und Bausachen, den Auftrag, dort, vor den Toren der befestigten Stadt, eine neue Stadt zu planen. Auf der Grundlage seines 1673 vorgelegten Entwurfs für den Stadtgrundriß begann 1674 die planmäßige Bebauung in der erst seit 1676 als "neue Dorotheenstadt" bezeichneten Neustadt.
Die Planung Blesendorfs orientierte sich an der Lindenallee, die zusammen mit zwei parallel geführten Straßenzügen - der Mittelstraße und der Letzten Straße (heute Clara-Zetkin-Straße) - das Grundgerüst der Stadtanlage bildete. In diesem Rahmen entwickelte er einen schachbrettartigen Stadtgrundriß mit der Neustädtischen Kirchstraße und der Querstraße (der späteren Friedrichstraße) als nord-süd-gerichteten Achsen. Die regelmäßige Rasterform und der Bezug der Hauptachse auf das Schloß kennzeichnen die Neustadt als typisches Kind ihrer Entstehungszeit. Eine aus Wall und Graben bestehende Befestigungsanlage (das "Hornwerk") umgab die Dorotheenstadt. Die kleinteilig parzellierte Stadtanlage wurde zunächst für ungefähr 200 Wohnhäuser konzipiert. Zwischen der Charlottenstraße und dem Festungsgürtel wurde ab 1687 nach Plänen Johann Arnold Nerings ein neuer Marstall errichtet, der auch den 1695 bzw. 1701 gegründeten Akademien der Künste und Wissenschaften als Domizil diente. Ansonsten erhielt die Dorotheenstadt den Charakter einer Wohnstadt, in der zumeist zweigeschossige Häuser das Stadtbild prägten. Bestimmend für dessen Eigenart war auch die Kleinteiligkeit der Parzellen- und Baustruktur mit den fünf- oder siebenachsigen, nur in Ausnahmefällen neunachsigen Fassaden. Deren durchgehende Traufständigkeit und die Geschlossenheit der Straßenfronten stellten ein Novum in der Entwicklung des Berliner Wohnhauses dar, das bis dahin in der Regel giebelständig und durch einen Traufgang von den benachbarten Gebäuden getrennt war. Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts prägte der neue Haustyp die neuentstehenden Straßenzüge Berlins. Zu einem wichtigen Treffpunkt des öffentlichen Lebens wurde die Dorotheenstädtische Kirche im Westen der Neustadt (errichtet 1678-87, durchgreifend umgebaut 1860-62, im Zweiten Weltkrieg zerstört). Ein Rathaus erhielt die Dorotheenstadt hingegen erst 1699. Nicht zum Vorwerk der Kurfürstin gehörte das im Süden der Lindenallee gelegene Gelände. Dort vergab der Kurfürst im Jahre 1678 Baustellen, was diesem Bereich eine Zeitlang den Namen "Friedrichstadt" einbrachte.
Um die Besiedlung der Dorotheenstadt zu beschleunigen, gewährte der Kurfürst eine Reihe von Vergünstigungen: die kostenlose Vergabe von Bauland und Bauholz sowie Steuerbefreiungen für einen Zeitraum von zehn Jahren. Bis 1691 wurden 171 Häuser errichtet - vor allem durch Hugenotten, die aufgrund des Ediktes von Potsdam seit 1685 in großer Zahl nach Brandenburg einwanderten. Um 1700 lebte in der Dorotheenstadt ungefähr ein Drittel der bis dahin zugewanderten knapp 6.000 Hugenotten. (Vgl. Schäche 1994c, S. 4)
Gleich nach dem Regierungsantritt Friedrichs III. im Jahre 1688 (seit 1701 Friedrich I., König in Preußen) begann die Entwicklung der eigentlichen Friedrichstadt. Noch im selben Jahr setzte der Kurfürst eine Kommission ein, deren Mitglieder "die Aecker und Wiesen, worauf die neue Friedrichsstadt gebauet werden soll, so gut als möglich erhandeln sollen" (Nicolai 1786, S. 181). Ebenfalls 1688 wurden auch schon die ersten Häuser errichtet. Eine kurfürstliche Verordnung, die den Ansiedlern Baufreiheiten und Beihilfen gewährte, erging am 24. September 1691. Johann Heinrich Behr erhielt den Auftrag zum Entwurf des Straßenplans, während die Bebauung unter der Oberaufsicht Johann Arnold Nerings stand: "es mußten [...], bis an seinen Tod, alle Häuser, nach dessen eignen oder doch von ihm gebilligten Zeichnungen, gebauet werden" (ebd.). Damit war die absolutistische Tradition der "von oben" verordneten Architektur begründet. Bis 1695, dem Todesjahr Nerings, wurden so bereits 300 von ungefähr 1.000 geplanten Häusern errichtet (vgl. Schinz 1964, S. 81).
Der Grundriß der neuen Stadt entsprach einem schlichten Raster, bestehend aus sich in regelmäßigen Abständen kreuzenden Straßen, die an die Straßen in der benachbarten Dorotheenstadt anknüpften. Wirklich zusammengeführt konnten sie allerdings erst nach Einebnung der dorotheenstädtischen Wall- und Grabenanlage 1712 und 1740 werden. Die in Nord-Süd- Richtung verlaufende Friedrichstraße wurde als Hauptachse der neuen Stadt etwas breiter als alle anderen Straßen angelegt. Auf die zeitweilig geplante Errichtung von Befestigungsanlagen um die Friedrichstadt wurde in Anbetracht der Kosten und des inzwischen erreichten Standes der Militärtechnik verzichtet.
Drei Marktplätze erhielt die Friedrichstadt: den kleinen "Hammelmarkt" in der Nähe des Potsdamer Tors, auf dem später die Dreifaltigkeitskirche gebaut wurde, den "großen Markt" im Bereich der Esplanade vor dem Leipziger Tor und den Friedrichstädtischen Markt (den späteren Gendarmenmarkt), für den drei Blöcke von der Bebauung ausgenommen wurden. Eine Merkwürdigkeit stellt die Anlage dieses größten Platzes der Friedrichstadt vor dem Festungsring und damit abseits der Hauptstraßen der Dorotheen-/Friedrichstadt dar. Möglicherweise geschah dies im Hinblick auf längerfristig verfolgte Planungsabsichten für die repräsentative Neugestaltung Berlins, die auch die Schaffung einer architektonischen, auf den Gendarmenmarkt bezogenen Achse zwischen der Altstadt und der Friedrichstadt beinhaltet haben könnten (vgl. zu dieser These Goralczyk 1987, S. 13).
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts waren noch immer viele unbebaute Grundstücke zu verzeichnen, deren Bebauung König Friedrich Wilhelm I. seit 1720 durch eigene Bautätigkeit sowie den Erlaß von Baufreiheiten und Baugeboten forcierte. Diese Maßnahmen hatten Erfolg: "Die Anzahl der Häuser nahm so zu, daß keine wüste Stelle mehr übrig blieb." (Nicolai 1786, S. 182) Daraufhin erging 1732 ein königlicher Befehl zur Erweiterung der Friedrichstadt nach Süden und Westen. Begrenzt wurde die erweiterte Dorotheen-/Friedrichstadt durch die neue Akzisemauer, die 1732-34 um das Berliner Stadtgebiet herumgelegt wurde - nicht mehr zur Verteidigung, sondern um von den Besuchern der Stadt die "Akzise", eine örtliche Verbrauchssteuer, zu erheben und die Soldaten der Berliner Garnison an der Desertion zu hindern.
Der Festungsgürtel der Altstadt hingegen wurde seit 1734 geschleift. Die Dorotheenstadt und die Friedrichstadt konnten nun endlich mit dem Stadtkern städtebaulich verknüpft werden. Das gewonnene Gelände wurde parzelliert, und mit fortschreitender Bebauung begannen sich die Grenzen zwischen der Altstadt und den Neustädten langsam zu verwischen. Die Straße Unter den Linden erfuhr eine deutliche Aufwertung, denn ihr stadträumlicher Bezug auf das Schloß wurde erst jetzt richtig erlebbar.
Ein charakteristisches Merkmal der erweiterten Dorotheen-/Friedrichstadt wurden die unterschiedlich geometrisch geformten Plätze, die nicht jenseits, sondern diesseits der Stadttore angelegt wurden: das "Quarré" (heute Pariser Platz), das "Oktogon" (heute Leipziger Platz) und das "Rondell" am Halleschen Tor (heute Mehringplatz). Diese Plätze hoben die nach draußen führenden Straßen aus dem ansonsten relativ gleichwertigen Straßenraster heraus. Das waren neben der bereits privilegierten Straße Unter den Linden die Leipziger Straße und die Friedrichstraße. Vom "Rondell" gingen - nach dem Vorbild der Piazza del Popolo in Rom - drei Straßen (Wilhelmstraße, Friedrichstraße und Lindenstraße) strahlenförmig in Richtung Norden ab. Damit erhielt die Friedrichstadt eine unverwechselbare Gundrißfigur, die allerdings heute infolge der veränderten Straßenführung und der Neubebauung des Mehringplatzes nur noch fragmentarisch zu erkennen ist.
Die Wilhelmstraße, deren nördlichen Abschnitt der König dem Bau vornehmer Palais vorbehalten hatte, stach aus der allgemeinen Bebauung hervor: Wohlhabende Adlige, später auch Staatsbeamte und Minister errichteten sich hier prächtige Bauten mit barocken und später klassizistischen Fassaden. Diesen Gebäuden schlossen sich weitläufige Gärten zum Tiergarten hin an.
Bis 1737 war die gesamte Friedrichstadt bebaut, und zwar mit 1.682 Häusern. Gleichzeitig waren mit den in der Regel sehr schlichten, aber praktischen Wohnhäusern auch die öffentlichen Gebäude errichtet worden - fast ausschließlich Kirchen, deren Türmen in den städtebaulichen Absichten des Königs eine herausragende Bedeutung zukam. Mit ihren baukünstlerisch gestalteten Spitzen sollten sie nicht nur die Stadtsilhouette akzentuieren. Durch ihre Stellung im Stadtgrundriß waren sie auch als Blickpunkte von Bedeutung und halfen so, unterschiedliche Quartiere visuell miteinander zu verknüpfen und die dezentrale Struktur der Residenzstadt zu fördern. Aber auch andere Bauten wurden bewußt als Blickpunkte angeordnet, so insbesondere das Palais des Barons Vernezobre (das spätere Prinz-Albrecht-Palais) am Ende der Kochstraße und das Collegienhaus (Gerichtsgebäude) am Ende der Markgrafenstraße. Dieses interessante System der Blickbeziehungen ist mit den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges verlorengegangen, sieht man von dem als "Berlin Museum" wiederhergestellten Collegienhaus einmal ab, das als einziger jener barocken "Points de vue" noch heute den Blick durch die Markgrafenstraße abschließt.
Das Stadtbild der Dorotheen-/Friedrichstadt wurde durch eine gleichförmige Architektur geprägt. Das machte diese Neustädte zu einem typischen Beispiel der Stadtbaukunst des Barock - einer Epoche, in der der absolutistische Herrscher nichts dem Zufall überließ, sondern seinen umfassenden Gestaltungswillen auch im Stadtraum steinerne Wirklichkeit werden ließ. Jedwede private Bauabsicht hatte sich dem übergeordneten Gesamtentwurf unterzuordnen - das Ergebnis war ein durch Geschlossenheit und Einheitlichkeit wirkendes Straßenbild, hinter dessen Fronten auf der Hofseite dem Gestaltungswillen der Stadtbürger nur mehr ein bescheidener Spielraum blieb.
Es war indessen nicht nur das Stadtbild, das die Friedrichstadt zu einem Stein gewordenen Ausdruck des Absolutismus werden ließ, sondern auch ihr Entstehungsprozeß - von dem kurfürstlichen Gründungsakt über die Namensgebung und den durch den Landesherrn über "seine" Baumeister gesteuerten Entwurf des Stadtgrundrisses wie der einzelnen Häuser bis hin zu der Errichtung von Gebäuden auf Veranlassung des Herrschers und der Erteilung von Baugeboten an vermögende Bürger.
Einen neuen künstlerischen und repräsentativen Anspruch entwickelte der Städtebau während der Regierungszeit Friedrichs II. (1740-86). Bereits aus seinen ersten Regierungsjahren ist ein Entwurf seines Freundes Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff überliefert, nach dem die Hauptstadt einen neuen, weiter nach Westen gerückten Mittelpunkt erhalten sollte. Als zentraler Bestandteil dieses "Forum Fridericianum" war ein neues Königsschloß auf der Nordseite der Straße Unter den Linden vorgesehen, das in der Achse der Markgrafenstraße, also in einer Blickbeziehung zum Collegienhaus stehen sollte. Auf der Südseite der "Linden" waren Neubauten für die Akademie der Wissenschaften und die Oper geplant. Der durch die Person Friedrichs II. verkörperte politische Anspruch eines aufgeklärten Absolutismus fand seinen künstlerischen Ausdruck in diesem Plan für einen "Königssitz, flankiert von Wissenschaft und Kunst, als Zentrum des Geistes und der Kultur
dem Sitz der Staatsverwaltung und der Rechtsprechung gegenüber gestellt", so die treffende Charakterisierung der Idee durch Alfred Schinz (1964, S. 101). Tatsächlich wurde von diesem Plan nur das Opernhaus Wirklichkeit, das in den Jahren 1741-43 nach einem Entwurf Knobelsdorffs entstand. Die Errichtung des Schlosses Sanssouci vor den Toren Potsdams, das zum bevorzugten Aufenthaltsort des Königs wurde, führte zur Aufgabe der früheren Idee eines Schloßneubaus Unter den Linden. Auch die Akademie der Wissenschaften erhielt keinen Neubau, sondern blieb im Marstallgebäude.
In einem verkleinerten Maßstab wurden die Pläne eines Forum Fridericianum allerdings weiterverfolgt: Nach dem Vorbild des Pantheons in Rom wurde 1747 neben dem Opernhaus mit dem Bau der katholischen St.-Hedwigs-Kathedrale begonnen, die erst 1773 fertiggestellt werden konnte. Ein neues Gegenüber erhielt die Oper durch die Königliche Bibliothek (1775-80). Anstelle des geplanten Schloßneubaus entstand 1748-66 auf der Nordseite der "Linden" das Palais des Prinzen Heinrich, eines Bruders Friedrichs II. Dessen Ehrenhof ergänzte den durch das Opernhaus, die Kirche und die Bibliothek baulich gefaßten Platzraum im Norden der Allee. So erhielt Berlin - trotz der deutlichen Abstriche an den ursprünglichen Bauplänen - ein neues geistig-kulturelles Zentrum, das den Charakter der "Linden" fortan stark mitprägen sollte.
Aber auch im Wohnhausbau fand der städtebauliche Ehrgeiz des Landesherrn seinen Niederschlag. Seit 1755 förderte die königliche "Bautaxe", die Vorschriften über die Baupreise und den Materialverbrauch enthielt, die Ablösung der in der Regel bescheidenen, zweigeschossigen Ursprungsbebauung durch dreigeschossige Mietshäuser (vgl. Demps 1987, S. 105-108). Ab 1770 veranlaßte Friedrich II. selbst die Errichtung von Mietshäusern auf Staatskosten ("Immediatbauten"): prächtiger, aber nicht immer praktischer Gebäude, für die häufig zwei oder drei Parzellen zusammengelegt wurden. Italienische Kupferstiche lieferten zumeist die Vorlagen für die Gestaltung der Fassaden. Eine repräsentative Ausgestaltung erfuhren so vor allem die für den König wichtigsten Eingänge in die Stadt: die Straße Unter den Linden (aus Richtung Charlottenburg) und die Leipziger Straße (aus Richtung Potsdam). Aber auch der Gendarmenmarkt bekam durch Immediatbauten weitgehend ein neues Gesicht. Auf der Platzfläche selbst wurde 1774 ein Theater errichtet, das seit 1786 den Namen "Königliches Nationaltheater" trug. Die Deutsche und die Französische Kirche im Süden und Norden des Platzes erhielten in den Jahren 1780 bis 1785 zwei vollkommen gleichartige Turmbauten nach Entwürfen von Karl von Gontard. Diese waren nicht in erster Linie als Kirchtürme, sondern als den Platz schmückende und die Stadtsilhouette bereichernde Monumentalbauten gedacht.
Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts war die Friedrichstadt zum Inbegriff der modernen Residenzstadt Berlin geworden - Ausdruck des nach den Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges aufstrebenden Kurfürstentums Brandenburg bzw. des Königreichs Preußen. "Die Friedrichsstadt ist jetzt der ansehnlichste Theil von Berlin", so Friedrich Nicolai 1786 in seiner viel gelesenen "Beschreibung der Königlichen Residenzstädte Berlin und Potsdam". "Die Straßen gehen alle gerade, und stoßen fast alle winkelrecht auf einander, sie sind sämmtlich ungefähr sechs rheinl. Ruthen [ca. 22,6 m] breit. Die Häuser in den unter K. Friedrich Wilhelm gebauten Straßen sind zwar meist nur zwey Geschoß hoch, und unter Einem Dache fortgeführet; welches ihnen ein etwas einförmiges Ansehen giebt. Allein, es sind nicht nur unter dem jetzigen Könige, zum Theil auf Königl. Kosten, viele hohe und prächtige Häuser gebaut, sondern es stehen auch sonst in der Friedrichsstadt viele ansehnliche öffentliche Häuser und Palläste." (S. 183)
Aber: Die Dorotheenstadt und die Friedrichstadt waren nicht das ganze Berlin! Abseits der modernen, regelmäßigen Neustädte der Barockzeit, in den Wohnvierteln der einfachen Menschen, die nicht Gegenstand der stadtbaukünstlerischen Ambitionen des Königs waren, stellte sich die Residenzstadt sehr viel dürftiger dar. Ein Zeitgenosse bemerkte im Jahre 1784: "Im ganzen gibt's hier schöne breite Straßen, die kaum das schwache Auge absehen kan, besonders ist die Friederichsstadt sehr regelmäßig und schön gebaut, und der jetzige König hat alles angewandt, diesen Theil der Stadt auszeichnend und schön zu machen; da hingegen giebt es in Berlin selbst elende Gaßen, wie man sie nur immer in einer Landstadt finden kan - finster, eng, daß wenn ein Wagen durchfährt, die Fusgänger so lange Halte machen müssen, und denn so schmutzig, daß man eine schlechte Idee von der großen Königsstadt bekommt; überhaupt hat Berlin für einen Fremden, der vom Hamburger, Schlesischen und Cottbußer Thor herein kommt, ein klägliches Ansehen, denn man findet elende gestützte Häuser, - wüste unbebaute Plätze - große Misthaufen vor den Thüren, und die Bewohner tragen das Zeichen der äußersten Dürftigkeit auf ihrer Stirne; hingegen kommt man ins Brandenburger- und Potsdammer-Thor, so ruhet das Auge mit Wohlgefallen auf den schönen Gaßen, und noch schönern Palläste und Häuser, die nach der neuen Bauart, in verschiedenen mannichfaltigen Gusto, auf beiden Seiten erbauet sind [...]." (Knüppeln 1784, Bd. 1, S. 11f.) Der Autor dieser kritischen Betrachtungen zog es vor, sein Buch anonym zu veröffentlichen. Es war Julius Friedrich Knüppeln (1757-1840), ein heute in Vergessenheit geratener Schriftsteller der ausgehenden Barockzeit (vgl. Holzmann/Bohatta 1902, S. 317).
Noch bis ins erste Drittel des 19. Jahrhunderts behauptete die Altstadt ihre Stellung als Schwerpunkt des Berliner Geschäftslebens. Zu Beginn des Jahrhunderts hatte jedoch bereits die Entwicklung der Dorotheenstadt und der nördlichen Friedrichstadt (bis zur Zimmerstraße) zu einem verdichteten Zentrumsgebiet eingesetzt. Besonders die Friedrichstraße und die Lindenallee veränderten ihr Antlitz durch Abrisse und Neubauten sowie die Aufstockung bzw. die Umgestaltung von Altbauten. Mehr und mehr verdrängten Geschäfte, Hotels, Cafés und dergleichen die Wohnnutzung. Abseits dieser beiden Straßen erhielt sich der alte Charakter der Dorotheen- /Friedrichstadt indessen noch bis in die Gründerzeit. Während sich so der Aufriß der Stadt unaufhaltsam wandelte, blieb ihr Grundriß als historische Kontinuität vermittelndes Gerüst erhalten. Im Stadtbild fand die sich herausbildende bürgerliche Gesellschaft Gelegenheit zur Selbstdarstellung. Individuell gestaltete, in ihren Höhen und Proportionen teilweise voneinander abweichende Häuser im klassizistischen Stil durchbrachen nun mehr und mehr die einstmals auf eine einheitliche Wirkung hin entworfenen Straßenwände der Barockzeit. Diese Individualisierung des Straßenbildes vollzog sich allerdings zumeist noch im Rahmen der überkommenen Parzellenstruktur.
Während der Regierungszeit Friedrich Wilhelms III. (1797-1840) kam die repräsentative Ausgestaltung der Schloßachse Unter den Linden zum Abschluß. Nach einem Entwurf Karl Friedrich Schinkels erhielt der Freiraum zwischen Zeughaus und Universität durch den Bau der Neuen Wache (1816-18) und die Anlage des "Kastanienwäldchens" seine endgültige Gestalt. Der Neubau der Singakademie (1825-27) und die neugestaltete Fassade des Finanzministeriums (1861- 63) gaben diesem Stadtraum im Norden eine repräsentative Fassung. Schließlich förderte die Einrichtung der 1810 gegründeten Berliner Universität im Palais des Prinzen Heinrich die weitere Entwicklung der "Linden" als wissenschaftlich-kulturelles Zentrum der Residenzstadt.
Dichter, Musiker, Maler und andere Zeitgenossen priesen die Schönheit und Eleganz der Straße. "Wirklich, ich kenne keinen imposantern Anblick, als vor der Hundebrücke [Vorgängerbau der 1822-24 errichteten Schloßbrücke] stehend nach den Linden hinauf zu sehen", bemerkte etwa Heinrich Heine am 26. Januar 1822 in seinem ersten "Brief aus Berlin". "Rechts das hohe, prächtige Zeughaus, das neue Wachthaus, die Universität und Akademie. Links das Königliche Palais, das Opernhaus, die Bibliothek u. s. w. Hier drängt sich Prachtgebäude an Prachtgebäude." (Heine 1973, S. 12)
Auch der Gendarmenmarkt zog erneut Aufmerksamkeit auf sich, als nach einem Entwurf Schinkels in den Jahren 1818-21 das neue Schauspielhaus auf dem Fundament des abgebrannten Vorgängerbaus entstand. Durch den in klassizistischen Formen errichteten Monumentalbau erfuhr die Wirkung des Platzes - auch im Zusammenhang mit den Gontardschen Turmbauten des Deutschen und des Französischen Doms - eine gewaltige Steigerung.
Sehr viel tiefgreifender war die Überformung der Dorotheen-/Friedrichstadt während der Kaiserzeit (1871-1918), als sich hier die City der Reichshauptstadt entwickelte, das Zentrum einer schnell wachsenden Großstadt, die 1871 noch 826.800, 1890 aber bereits 1.575.000 und 1910 2.076.200 Einwohner hatte. Berlin wurde zum Kern eines Ballungsgebietes, das weit über die administrativen Grenzen der Stadt hinauswuchs. Auf dem Territorium der 1920 gebildeten Einheitsgemeinde Groß- Berlin lebten 1871 932.000, 1890 1.953.800 und 1910 3.734.300 Menschen. (Presse- und Informationsamt 1992, S. 239)
Innerhalb von nur vier Jahrzehnten wandelte sich das Bebauungsgefüge der Dorotheen- /Friedrichstadt fast vollständig. Schließlich prägten neue, repräsentative, zumeist gewerblichen Zwecken dienende Gebäude das Stadtbild. Deren Fassaden waren vor allem in Formen des zeittypischen Historismus geschmückt, in dem die Kaiserzeit ihren künstlerischen Ausdruck fand. Die Verschmelzung der Dorotheen-/Friedrichstadt zu einem zusammenhängenden Zentrumsbereich vollzog sich in zwei "Bauwellen". Während sich die Neubauten der eigentlichen Gründerzeit aufgrund der Bauordnung von 1853 noch auf vier Geschosse (Traufhöhe 18 Meter) beschränken mußten, erlaubte die 1897 in Kraft getretene Bauordnung für den um die Jahrhundertwende einsetzenden zweiten Bauboom eine fünfgeschossige Bauweise bis zu jener Traufhöhe von 22 Metern, die auch heute Bestandteil des für die Dorotheen-/Friedrichstadt entwickelten städtebaulichen Regelwerkes der "kritischen Rekonstruktion" ist.
Die bereits im frühen 19. Jahrhundert begonnene Individualisierung des Stadtbildes erreichte während der Kaiserzeit neue Dimensionen. Waren die Unterschiede zwischen den zurückhaltend dekorierten klassizistischen Fassaden noch vergleichsweise gering ausgeprägt, brachten die in unterschiedlichen Spielarten des Historismus gestalteten Fassaden einen gesteigerten bürgerlichen Repräsentationswillen zum Ausdruck, der entlang der Friedrichstraße und der Leipziger Straße seine Höhepunkte entwickelte. Der Maßstabssprung in der Bebauung wurde durch die Zusammenlegung von zwei oder drei Parzellen stellenweise noch verstärkt. Den städtebaulichen Rahmen für den Individualismus der bürgerlichen Bauherren setzte indessen nach wie vor der regelmäßige barocke Stadtgrundriß. Gerade aus dieser Spannung zwischen einem übergeordneten räumlich-strukturellen Ordnungssystem und individueller Selbstdarstellung in der Architektur entwickelte sich jener faszinierende großstädtische Charakter, der die Friedrichstadt bis zu den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges auszeichnete.
Gegen Ende der Kaiserzeit versuchte eine Gruppe von Fachleuten, für eine Rationalisierung des rasanten städtischen Wachstums zu werben. Der 1910 entschiedene städtebauliche Wettbewerb "Groß-Berlin" zielte jedoch vor allem auf eine Modernisierung der Altstadt und eine Zentrumserweiterung nach Westen, nicht so sehr auf eine weitere intensive Entwicklung der City. Dennoch war auch ein in diesem Rahmen formulierter Vorschlag von großem Interesse: die von Joseph Brix, Felix Genzmer und der Hochbahngesellschaft angeregte städtebauliche Betonung der Kreuzung Unter den Linden/Friedrichstraße. Die Ausbildung eines Platzes an dieser Kreuzung war zweifellos ein Versuch, endlich einen "Zentralpunkt" des Zentrums zu markieren: "Die Schnittstelle des repräsentativen Berlins mit dem vornehmen kommerziellen, dort 'wo die belebteste Straße Berlins, die Friedrichstraße, die große Promenadenstraße kreuzt', bedeutete für die Entwurfsverfasser in Anlehnung an 'das römische Templum mit Kardo und Dekumanus' sowie 'im Sinne des Zentralplatzes der Renaissancestadtidee oder des Quattro cantoni Palermos' ein 'durchaus erwünschtes Merkzeichen' des Stadtraumes - 'ein wichtiger Schritt zur Verschönerung und Veredelung des Großstadtbildes Berlins'." (Konter 1995, S. 264) Der Kreuzungsplatz blieb - wie andere Ideen des Wettbewerbs - Papierstädtebau. Er fand aber gut fünfzig Jahre später in der DDR eine vom Anspruch her allerdings viel bescheidenere Verwirklichung.
In seinem schon erwähnten, 1915 publizierten Buch über "Die baulichen und wirtschaftlichen Grundlagen der Geschäftsstadt Berlin" analysierte Willy Lesser die Herausbildung des zentralen Geschäftsbezirks der Reichshauptstadt: "So unglaublich rasch ist alles gekommen, daß noch am Ende des vorigen Jahrhunderts unsere belebteste Geschäftsstraße, die Leipziger Straße, den höchsten Glanz als Wohnstraße genoß, und daß die reichsten Leute dort ihre Wohnung hatten. Noch heute sind die so gar nicht in den Rahmen dieser Straße passenden gewaltigen Regierungskomplexe an der Wilhelm- und Mauerstraße Zeugen dieser kaum zwanzigjährigen Vergangenheit. Als dann die Periode des industriellen Aufschwungs einsetzte, erstand auch, wie es unter normalen Umständen zu geschehen pflegt, nicht nur ein 'Geschäftsplatz' allein, sondern es entstanden mehrere; die Verbindungslinien dieser Plätze wurden die Geschäftsstraßen und aus ihnen entstand die Geschäftsstadt." (S. 25)
Als charakteristisches Merkmal der inneren Struktur der kaiserzeitlichen "Geschäftsstadt" erkannte Willy Lesser die Herausbildung von Bereichen, an denen sich einzelne zentrumsbildende Funktionen konzentrierten. Diese "Interessensphären" (S. 28) waren allerdings nicht ganz eindeutig voneinander getrennt, sondern überschnitten sich mitunter. Die beiden sich kreuzenden Hauptstraßenzüge Friedrichstraße und Leipziger Straße/Gertraudenstraße/Spandauer Straße/Königstraße bildeten dabei die "eigentliche Geschäftsstadt, wo sich die modernen Geschäftspaläste [...] aneinander reihen" (S. 28). Die Kreuzung der Leipziger Straße und Friedrichstraße stellte den "wohl verkehrsreichsten Punkt von Berlin" (S. 27) dar. Nördlich der Leipziger Straße - im wesentlichen zwischen den "Linden" und der Französischen Straße - hatte sich das "Bankenviertel" entwickelt, südlich davon das "Viertel der Lebens- und Feuerversicherungen". Ein "Hotelviertel" war im Norden der "Linden" entstanden, eine "zweite Hotelgegend" im Umkreis des Leipziger Platzes (bis zum Askanischen Platz) noch im Entstehen. Entlang der Wilhelmstraße und in deren Umfeld konzentrierte sich das "Regierungs- und Gesandtschaftsviertel". Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts hatten die höchsten Behörden Preußens, später auch des Deutschen Reiches, die einstigen Adelspalais bezogen und stellenweise auch Neubauten errichtet. Im Osten der Geschäftsstadt hatte sich - rund um den Hausvogteiplatz - das "Konfektionsviertel" herausgebildet. Südlich der Leipziger Straße breitete sich ein neues "Viertel der Geschäftshäuser für Büro- und Engroszwecke" aus. "Durch Abriß der alten Gebäude und durch Zusammenfassung mehrerer Gelände ist hier ein in architektonischer Hinsicht bemerkenswerter Bezirk seit dem Anfange dieses Jahrhunderts erstanden." (S. 29) Daran schloß sich bis zur Lindenstraße und Kochstraße das "Zeitungsviertel" an. Diese funktionsräumliche Gliederung hat die Kaiserzeit überlebt und sich im wesentlichen bis 1945 erhalten.
Während sich private Investoren bei der "Zusammenfassung mehrerer Gelände" noch zurückhielten, schickte sich wiederum die öffentliche Hand an, nun auch in der historischen Friedrichstadt zentrumsunverträgliche Riesenparzellen zu schaffen. Hervorstechendes Beispiel dafür war die stetige Expansion des Kriegsministeriums an der westlichen Leipziger Straße und südlichen Wilhelmstraße.
Im Verlauf der rasanten Entwicklung der "Geschäftsstadt" während der Kaiserzeit hatte sich der Schwerpunkt des Stadtzentrums endgültig in den Bereich der Dorotheenstadt und Friedrichstadt verschoben. Dazu hatte das Berliner Bahnhofssystem wesentlich beigetragen: Die wichtigsten Fernbahnhöfe lagen im Westen und Norden der City. Im Osten des Schlosses erschwerten die engen Straßen mit ihren kleinteiligen Parzellen- und Bebauungsstrukturen die Errichtung moderner Geschäftshäuser. "So ist allein um den Molkenmarkt im Zuge der großen Ost-West-Straße und nördlich der Königstraße, in dem nach Westen offenen Bogen der Neuen Friedrichstraße ein Geschäftsviertel entstanden, in dem die Tuch- und Wäschebranche zahlreich vertreten ist [...]." (Lesser 1915, S. 30) Ansonsten fand sich die Altstadt nunmehr im Windschatten der stürmischen Entfaltung des Zentrums der aufstrebenden Reichshauptstadt wieder.
Am Ende dieser Entwicklung stand ein komplexes Gefüge mit einem Nebeneinander zentraler Bereiche unterschiedlicher Prägung, durchschnitten von mehreren Hauptstraßen, unter denen der Friedrichstraße und der Leipziger Straße als Hauptgeschäftsstraßen sowie den "Linden" als repräsentativer Allee und Brennpunkt des kulturellen und wissenschaftlichen Lebens eine besondere Bedeutung zukam: ein Zentrum ohne zentralen Punkt, aber mit einer Vielzahl zentraler Straßen und Plätze. Herausgebildet hatte sich in Berlin also nicht ein hierarchisch strukturiertes Zentrum, sondern ein vernetztes zentrales Gefüge mit mehreren zentralen Orten - gegenüber vielen anderen Städten eine Besonderheit der städtebaulichen Entwicklung, der auch in Zukunft eine entscheidende Bedeutung zukommen muß.
Nach dem Ersten Weltkrieg beschränkte die wirtschaftlich prekäre Lage Deutschlands auch im Zentrum Berlins die Investitionstätigkeit. Die Errichtung preiswerter Wohnhäuser im sozialen Wohnungsbau, eines der vordringlichsten Anliegen der sozialdemokratischen Stadtregierung, war in der Stadtmitte nicht nur angesichts der hohen Bodenpreise kein Thema. Das in jenen Jahren propagierte städtebauliche Leitbild der räumlichen Trennung der städtischen Funktionen zielte ja gerade auf eine weitere Tertiärisierung des Zentrums. In der Tat brachte der kurzzeitige wirtschaftliche Aufschwung nach der Inflation des Jahres 1923 neue Gewerbebetriebe in die Friedrichstadt. Daß dies zu Lasten von noch verbliebenen Wohnnutzungen ging, war durchaus im Sinne der Stadtentwicklungspolitik und wurde auch durch die neue Bauordnung unterstützt.
Ungeachtet der Schwierigkeiten des wirtschaftlich ernüchternden Alltags entwarfen Protagonisten der Moderne indessen große Pläne, in denen sie ihre Vorstellungen und Träume hinsichtlich der angemessenen Form einer "Weltstadtcity" darstellten. Damit begründeten sie eine kulturelle Tradition des Umgangs mit der vorhandenen Stadt, die bis weit in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg fortwirken sollte. Im Mittelpunkt des planerischen Interesses stand angesichts der fortschreitenden Westwanderung des Berliner Zentrums allerdings die Altstadt und deren Umgestaltung für eine weitere Cityentwicklung. Eine wichtige Rolle im planerischen Denken der damaligen Zeit spielte der für die Zukunft prognostizierte "Weltstadtverkehr". Vor allem das neue Phänomen des Automobils beflügelte die Gedanken vieler Stadtplaner - das Konzept der "autogerechten Stadt" hat seine Wurzeln in jenen Jahren.
Den Strategen der Moderne in der Weimarer Republik ging es nicht mehr nur um den städtebaulichen Bruch mit dem vorindustriellen, "provinziellen" Berlin, sondern auch um eine klare Distanz zur unmittelbaren Vergangenheit, zu den City-Schöpfungen der wilhelminischen Ära. Für das republikanische Berlin wurde zwar eine Fortführung der Tertiärisierung propagiert, die Vorstellungen hinsichtlich der Form des Umbaus der historischen Stadt zu einem Zentrum der Weltstadt veränderte sich indessen radikal. Erstrebt wurde jetzt eine Abkehr vom Dekor der Kaiserzeit, eine Auflösung der überkommenen Straßen- und Platzwände, eine Anhebung und Differenzierung der Gebäudehöhen - bis hin zum Hochhaus. Das sachlich gestaltete und städtebaulich bewußt plazierte Hochhaus verkörpert vielleicht am besten das Wunschbild der Weimarer Republik hinsichtlich einer neuen City von Berlin. Es begegnet uns auf Plänen immer wieder - nicht nur am Platz der Republik und am Potsdamer Platz, in der Altstadt und in den Gebieten der barocken Stadterweiterungen. "Hochhäuser bilden in der Hand des Städtebauers ein wichtiges Gestaltungsmittel. An richtiger Stelle errichtet, sind sie geeignet, charaktervolle Dominanten im Stadtkörper oder in der Stadtsilhouette zu bilden, Rhythmus in das Stadtbild zu bringen, ihrer Umgebung einen optischen Maßstab zu geben, als Orientierungspunkte für den Verkehr zu dienen und schließlich auch der Stadt eine gewisse repräsentative Note zu verleihen." (Heinrich Hirtsiefer, Preußischer Minister für Volkswohlfahrt, 1929, S. 464f.)
Spektakulärer Ausdruck dieser Vorstellungen war der berühmte Wettbewerb für ein Turmhaus am Bahnhof Friedrichstraße (auf der Fläche zwischen Bahnhof und Spree), der im Herbst 1921 von der im selben Jahr speziell für die Realisierung von Hochhausprojekten innerhalb und außerhalb Berlins gegründeten Turmhaus-Aktiengesellschaft ausgelobt wurde (Ergebnis dokumentiert in Zimmermann 1988). Das Echo war gewaltig - 144 Architekten reichten Entwürfe ein, in denen sich die unterschiedlichen Architekturpositionen jener Zeit widerspiegelten. Monumentale, expressionistische, backsteingotische und orientalische Entwürfe standen neben sehr modernen Projekten. Keine Beachtung fand bei der Jury jener von Ludwig Mies van der Rohe eingereichte Vorschlag eines gläsernen Turmhauses, das in der Folgezeit geradezu zum Inbegriff der Hochhausträume der zwanziger Jahre geworden ist. Den ersten Preis erhielt der in Formen eines moderaten Expressionismus gestaltete Entwurf der heute in Vergessenheit geratenen Architekten Alfons Baecker, J. Brahm und R. Kasteleiner. Die Entwürfe blieben jedoch Papier - für eine Realisierung fehlten in den Jahren der heraufziehenden Inflation die wirtschaftlichen Voraussetzungen.
Ohne greifbares Ergebnis blieb auch ein zweiter Wettbewerb, zu dem die Berliner Verkehrs-A.G. (BVG), die das Grundstück inzwischen zwecks Errichtung eines eigenen Bürogebäudes von der Turmhaus AG erworben hatte, im wirtschaftlichen Krisenjahr 1929 fünf Architekturbüros einlud (Ergebnis dokumentiert in Zimmermann 1988, S. 167-185). Paul Mebes und Paul Emmerich sowie Erich Mendelsohn erhielten jeweils einen ersten Preis für ihre im Sinne der "Neuen Sachlichkeit" gestalteten Entwürfe. Unberücksichtigt blieb wiederum Ludwig Mies van der Rohe, der sich mit zwei neuen Varianten am Wettbewerb beteiligt hatte. Das Hochhausprojekt war allerdings schon in der zeitgenössischen Presse nicht unumstritten. "Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß die Ansicht, die Stadt hätte dieses Gelände kaufen sollen, um diesen Platz als Grünfläche oder als Parkfläche für Autos liegenzulassen, viele und gewichtige Gründe für sich hat", bemerkte der Magistratsoberbaurat Johannes Grobler. Der These, in Anbetracht der Erschließungsgunst durch den öffentlichen Nah- und Fernverkehr sei "eine möglichst gedrängte Bebauung anzustreben", begegnete er mit einer Argumentation, die auch in der heutigen Hochhausdiskussion noch Gültigkeit hat: "Jede dichte Bebauung zieht einen stärkeren Verkehr nach sich. Es ist daher falsch, eine Stelle, die schon an sich durch den Verkehr beschwert wird, zu einem weiteren Anschwellen des Verkehrs zu verurteilen. Wenn man so denken würde, würde man leicht in der Wechselwirkung zwischen Verkehr und Bebauung zu einer Schraube ohne Ende kommen. Der Verfasser hat in früheren Artikeln der Ansicht Raum gegeben, daß der Bau von Hochhäusern in der City, die ein Anwachsen des Verkehrs verursachen, ein schwerer städtebaulicher Fehler ist und daß die Vorteile, die das Hochhaus scheinbar bringt, reichlich übertroffen werden durch die schweren Nachteile, die das Gemeinwesen von ihm hat." (Grobler 1930, S. 9f.)
Einige Jahre nach dem ersten Turmhauswettbewerb, in einer Zeit relativer ökonomischer Stabilisierung, veranstalteten die Zeitschriften "Städtebau" und "Wasmuths Monatshefte für Baukunst" einen Wettbewerb zur Umgestaltung der Straße Unter den Linden (Ergebnis dokumentiert in Hegemann 1927a). "Wie soll Berlins Hauptstraße 'Unter den Linden' sich im Laufe des 20. Jahrhunderts gestalten?" lautete die Preisfrage. Der Gewinner des ersten Preises, Cornelius van Eesteren, sah einen radikalen Kahlschlag der Altbebauung und eine gestaffelte Neubebauung vor, die von einem Hochhaus gekrönt werden sollte. Ludwig Hilberseimer, einer der prominentesten Vertreter der Avantgarde des "Neuen Bauens", würdigte diesen Vorschlag aus dem Jahre 1925 ausdrücklich: "C. van Eesteren schlug in einem preisgekrönten Projekt für die Straße Unter den Linden ihre Umbildung vor. Unter den Linden war die Hauptstraße der Friedrichstadt, eine der ältesten Vergrößerungen des mittelalterlichen Berlin. Die meisten Gebäude dieser Straße waren Wohnhäuser, die man für geschäftliche Zwecke umgebaut hatte, mit all den unvorteilhaften Begleiterscheinungen eines solchen Umbaus. Es bestand auch ein Mißverhältnis zwischen dem Charakter der Gebäude und dem hohen Grundstückswert dieser wichtigen Verkehrsader. [...] [Das Projekt von van Eesteren] ist frei von allen vorgefaßten Ideen, elementar in seinen Absichten wie auch in seinem Ausdruck." (1967, S. 74)
Das Konzept der in der Höhe gestaffelten Neubauten hat seine Ursprünge in einer von Werner Hegemann im Auslobungstext formulierten Idee (vgl. Städtebau 5-8/1925, S. 107; Hegemann 1927a, S. 19). "Wenn die wirtschaftlichen Erfordernisse der Privathäuser Unter den Linden hohe Bodenausnutzung und große Geschoßzahl nötig machen, müssen diese Aufstockungen in den hinteren Teil der Baublöcke verlegt werden", so Hegemann einige Jahre später (1930, S. 203). "Noch mehr als in New York, wo höhere Häuser nach der Straße zu abgetreppt werden, müssen die nahe an der Straße Unter den Linden gelegenen Teile der Privathäuser niedrig gehalten werden. Die beste künstlerische Wirkung würde erreicht, wenn sie wieder auf drei Geschosse herabgedrückt würden. Solange nicht die Gesimshöhen aller Häuser einheitlich und möglichst niedrig und ihre Fassaden harmonisch entwickelt werden, darf die Hauptstraße und via triumphalis Berlins keinen Anspruch auf künstlerische Würde machen." Zwei Ziele sollten mit dieser Strategie erreicht werden: zum einen die Intensivierung der Bodennutzung und zum anderen die Vereinheitlichung der straßenseitigen Bebauung, deren an Spannungen und Brüchen reiche Vielfalt Hegemann als "Anarchie" (ebd.) wahrnahm.
Das Projekt zur Neugestaltung der Straße Unter den Linden blieb wie viele andere Projekte in der Weimarer Republik ein Schubladenprojekt. Gebaut wurden in den "goldenen zwanziger Jahren" nur wenige Hochhäuser, und diese ohne den beschworenen rationalen Plan, im Wildwuchs der Zufälligkeiten der privatisierten Stadtentwicklung - abgesehen vom "Europahaus" (1926-31) am Askanischen Platz keines davon in der Dorotheen-/Friedrichstadt.
Ludwig Hilberseimer legte 1928, etwa gleichzeitig mit seiner Vision einer neuen Altstadt, seine berühmte Studie zur Umgestaltung der City westlich des Gendarmenmarktes vor. Die vorgesehenen achtzehn Hochhausscheiben ignorierten die vorhandenen Gebäude, Straßen, Parzellen, Formen und Dimensionen. Sie bringen die Gewaltsamkeit des Anspruchs der städtebaulichen Moderne, eine bessere, neue Stadt auf den Trümmern der alten Stadt zu schaffen, drastisch zum Ausdruck. Die neue Weltstadt Berlin, so die Botschaft, muß ihre eigene Vergangenheit schonungslos abräumen.
In der 1927 publizierten Schrift "Großstadtarchitektur" hatte Ludwig Hilberseimer bereits in verbaler Form seinen Vorschlag einer verkehrssparenden Vertikalstadt dargelegt: "Statt noch weiterer Ausbreitung in der Ebene, weitere Konzentration, weitere Zusammenballung. Aufbauen der einzelnen Stadtelemente, funktionell voneinander geschieden, der Höhe nach. Gewissermaßen zwei Städte übereinander. Unten die Geschäftsstadt mit ihrem Autoverkehr. Darüber die Wohnstadt mit ihrem Fußgängerverkehr. Unter der Erde der Fern- und Stadtbahnverkehr. Als vertikale Stadt kann sie nur eine Hochhausstadt sein. Aber im Gegensatz zu der Chaotik amerikanischer Hochhausstädte, deren Struktur durch reine Willkür bestimmt ist, muß sie planvoll organisiert sein. Das Hochhaus, das wie das Miethaus auf Grund der üblichen Grundstückszersplitterung die Chaotik eines Stadtorganismus ins Unendliche übersteigerte, muß in einem völlig neuen Sinne verwandt werden. Seine Vorteile dürfen nicht durch seine willkürliche Anwendung wieder aufgehoben werden. Dies ist zu erreichen, indem es blockartig zusammengefaßt, einheitlich organisiert und gestaltet wird." (S. 17) Später distanzierte sich Hilberseimer von dem Konzept der Vertikalstadt (vgl. 1967, S. 65f.).
Während der nationalsozialistischen Herrschaft blieben die Dorotheenstadt (in ihrem größeren, südlich der Stadtbahn gelegenen Teil) und die Friedrichstadt von den Neugestaltungsplanungen des "Generalbauinspektors" Albert Speer unberührt. Diese gipfelten in jener gigantischen Nord-Süd- Achse, die - wäre sie tatsächlich gebaut worden - allerdings in unmittelbarer Nachbarschaft zur Dorotheen-/Friedrichstadt verlaufen wäre und diese in den Schatten gestellt, zu einem städtebaulichen Zwerg verkümmert hätte. Pläne bestanden hingegen für den Randbereich der Dorotheenstadt zwischen Stadtbahn und Spree, wo ein riesiges "Völkerkundemuseum" die bestehende Bebauung ersetzen sollte.
Im wesentlichen erhielt sich auch im "Dritten Reich" das während der Kaiserzeit ausgeprägte Bebauungsgefüge. Neubaumaßnahmen beschränkten sich auf einzelne Stellen, hatten allerdings zum Teil weitreichende Folgen. Ein besonderes Interesse galt erneut der Straße Unter den Linden, der als besonders repräsentativer Teil der geplanten "Ost-West-Achse" eine herausragende Bedeutung zukam. Anläßlich des Baus der Tunnelstrecke für die S-Bahn begann 1935 der (auto- )verkehrsgerechte Ausbau der Allee. "Es galt eine Lösung zu finden, die, ohne die Straße ihrer Eigenart als Feststraße zu entkleiden, einer zu erwartenden Zunahme des rollenden und ruhenden Verkehrs gerecht wird." (Bösselmann 1936, S. 1050) Die Fahrbahnen wurden breiter und erhielten Parkstreifen entlang der entsprechend verschmälerten Mittelpromenade - diese war allerdings immer noch breit genug, um "den ungehinderten Aufmarsch von Kolonnen in Zwölferreihen bei feierlichen Anlässen [zu] gestatten" (S. 1052). Im Zuge des Umbaus wurde der früher unsymmetrische Querschnitt der Straße zugunsten der Anlage von Fahrbahnen einheitlicher Breite aufgegeben. Komplett erneuert wurden der Baumbestand und die Straßenbeleuchtung. Zu den Olympischen Spielen des Jahres 1936 konnten die Propagandisten des "Dritten Reiches" die "Linden" bereits im neuen Gewand präsentieren. "Die Sportsleute aus mehr als 50 Staaten der Erde" sollten hier den Eindruck gewinnen, "daß das neue Deutschland neben seinem kraftvollen neuen Schaffen bestrebt ist, das gute Alte zu erhalten" (S. 1054).
In diesem Sinne wurde für Neubauten ein gestalterisches Regelwerk konzipiert, das als "Satzung zum Schutze der Straße 'Unter den Linden' und ihrer Umgebung gegen Verunstaltung" am 24. Mai 1936 Rechtskraft erlangte (dokumentiert im Amtsblatt der Stadt Berlin 21/1936, S. 422f.). Die Satzung stand in der Tradition der bereits in den zwanziger Jahren vielfach - beispielsweise von Werner Hegemann - geäußerten Kritik am Verlust der einstmals "geschlossenen Gesamtwirkung" infolge der baulichen Überformung: "Die im Zuge dieser Entwicklung entstandene Verschiedenartigkeit in der Geschoßzahl, in den Geschoß- und Gebäudehöhen zu beseitigen und eine einheitliche Gesamtwirkung der Straßen- und Platzwände zu erzielen, ist der Zweck dieser Satzung." (Einleitungstext) Danach hatten die Architekten von Neubauten "auf die vorhandenen Beispiele guter älterer Baukunst Rücksicht zu nehmen" (§ 2). Die Hauptgesimshöhe wurde auf 18 Meter beschränkt (15,70 Meter an der Westseite des Pariser Platzes); darüber konnte ein zusätzliches Geschoß mit einem Abschlußgesims in Höhe von 22 Metern zugelassen oder gefordert werden. Die Dachneigung sollte 20 Grad nicht überschreiten. (§ 3)
Weniger rücksichtsvoll gegenüber der überkommenen Stadt verhielten sich hingegen die Staatsbauten, die an anderen Stellen des Berliner Zentrums geplant und zum Teil auch realisiert wurden. Einen gewaltsamen Eingriff in das städtebauliche Gefüge stellte das in der Leipziger Straße/Ecke Wilhelmstraße für das Reichsluftfahrtministerium errichtete Gebäude dar. In seiner starren Monumentalität verkörperte es den Machtanspruch des Regimes. Dieser monofunktionale Büroblock entzog - wie schon sein Vorgängerbau, das Kriegsministerium - einen Teil der Leipziger Straße dem Geschäftsleben: ein abschreckendes Beispiel für die mangelnde Integrationsfähigkeit eines Regierungsgebäudes in ein historisch gewachsenes Nutzungs- und Bebauungsgefüge, das im Hinblick auf die aktuelle Diskussion um Monofunktionalität oder Funktionsmischung der neuen Hauptstadtbauten erneut Aufmerksamkeit beanspruchen muß. Mit dem Neubau des Reichsluftfahrtministeriums "hat der Nationalsozialismus ein Schulbeispiel dafür gegeben, wie man es am besten beginnt, in einer in sich geschlossenen Kaufstraße von überdimensionaler Bedeutung eine lange Straßenfront kaufkraftmäßig totzulegen", so der Kommentar des Stadtplaners Hans Borstorff 1948. Dagegen besaß das einstige Kriegsministerium wenigstens noch Ladeneinbauten, "so daß die Lücke bis zum Leipziger Platz weniger fühlbar war. [...] Lediglich der Ausbruch des zweiten Weltkrieges hat den Nationalsozialismus daran gehindert, aus absoluter Unkenntnis der wirtschaftlichen Auswirkungen seiner reinen Fassaden-Architektur, die Zerstörungsarbeit in der Leipziger Straße fortzusetzen. Wie bekannt, bestand der Plan, auch den zwischen Wilhelmstraße und Mauerstraße gelegenen Teil der Leipziger Straße (im Anschluß an das RLM) - mit einem gewaltigen Neubau für die Zwecke der Reichspost zu besetzen." (S. 14) Vor diesem Hintergrund wird auch Borstorffs Forderung verständlich, "sämtliche staatlichen und behördlichen Verwaltungsgebäude in den Kaufstraßen mit Läden zu versehen" (S. 42).
Nicht weniger monumental waren die Neubauten der Neuen Reichskanzlei in der Voßstraße (1937- 39) und des Reichsministeriums für "Volksaufklärung und Propaganda" in der Mauerstraße (1937- 38), dessen Komplex auch das ehemalige Palais Prinz Karl in der Wilhelmstraße einschloß. Struktur und Umfeld des Wilhelmplatzes wurden durch diese drei Herrschaftsgebäude nachhaltig verändert. Zurückhaltender stellten sich demgegenüber zwei Bürohäuser dar, die von privaten Bauherren an stadträumlich prominenten Stellen der Friedrichstraße errichtet wurden. Mit dem "Haus der Schweiz" erhielt die nordwestliche Ecke der Kreuzung mit der Straße Unter den Linden 1936 ein neues Gesicht. Weiter südlich entstand an der Kreuzung mit der Leipziger Straße das "Haus Friedrichstadt" (1935-37). An der Ecke Französische Straße errichtete die Reichs-Kredit- Gesellschaft 1937 einen großen Erweiterungsbau.
In der Friedrichstadt konzentrierten sich schließlich wichtige Organe der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Zumal nach der faktischen Ausschaltung des Reichtags durch das "Ermächtigungsgesetz" stellte die Wilhelmstraße mit ihrem Umfeld den zentralen Ort der politischen Macht in Berlin dar. Neben der Reichskanzlei, dem Amtssitz des "Führers" Adolf Hitler, war es insbesondere die Prinz-Albrecht-Straße, die als Domizil der Gestapo sowie von Dienststellen der SS zu einer weithin gefürchteten Adresse wurde. Mit dem Untergang des "Dritten Reiches" im Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges wurde auch die Dorotheen-/Friedrichstadt zu einem Trümmerfeld.
"Und das sind also die Linden, eine der großen Prachtstraßen der Stadt", notierte Alfred Döblin zwei Jahre nach Kriegsende. "Wie weit sie sind, wie leer, eigentlich ein Riesenplatz, der langgestreckt sich hinzieht. Keine Bäume. Man sieht über viele Häuser hinweg, durch Häuser hindurch. Hinten, am Pariser Platz, erkenne ich noch das Brandenburger Tor. Das steht quasi im leeren Raum. Es hat rechts und links nichts neben sich." (1986b, S. 284) Nicht minder trostlos und verwüstet stellten sich die anderen Straßen und Plätze der Dorotheen-/Friedrichstadt dar. Viele Häuser waren ausgebrannt oder lagen in Trümmern - aber das Zerstörungswerk des Krieges war nicht vollkommen. Vor allem der Stadtgrundriß und die stadttechnische Infrastruktur waren auch 1945 noch weitgehend vorhanden, und viele Gebäude waren zwar mehr oder weniger stark beschädigt, aber doch wiederherstellbar.
Unterschiedlich waren die Vorstellungen der Städtebauer und Architekten von der Zukunft der Dorotheen-/Friedrichstadt: In der "Stadtlandschaft" des "Kollektivplans" (1946) erinnerte nur noch die im Bereich der Dorotheenstadt dargestellte "Museumsstadt mit der Feststraße 'Unter den Linden'" an die frühere Bedeutung des historischen Zentrums von Berlin (vgl. Scharoun 1946). Dagegen wurde die Leipziger Straße zum Gegenstand einer radikalen städtebaulichen Umgestaltung (vgl. Paul Baumgarten 1988, S. 137).
Unter der Regie des sozialdemokratischen Stadtrats Karl Bonatz präsentierte Stadtbaudirektor Richard Ermisch - nach zahlreichen Einzelvorschlägen - 1947 eine umfassende Aufbauplanung für das Zentrum, die den Schwerpunkt der City in den Bereich der Friedrichstadt legte. Ermisch betonte vor allem das Kreuz Friedrichstraße/Leipziger Straße. Die Kreuzung selbst bildete er als glasüberdachte "Kaufstraßen" aus, das Gebiet um das nicht mehr von der Linden- und Wilhelmstraße erschlossene Rondell des Mehringplatzes sollte eine "Exportmesse und Dauermusterschau" beherbergen, westlich des Leipziger Platzes war das Parlament geplant, am Spittelmarkt, dem östlichen Abschluß der neuen Achse, ein "Kaufzentrum ohne Wagenverkehr". Die Altstadt blieb im Schatten dieser Vision, die auch die Straße Unter den Linden außen vor ließ. (Vgl. Ermisch 1947; Ermisch/Weber 1971, S. 64) Der in der Weimarer Republik erträumte, in den dreißiger Jahren bereits massiv praktizierte Zugriff auf die private Parzelle war in dieser Aufbauplanung eine selbstverständliche Voraussetzung. Wie andere Aufbauplaner nahm auch Ermisch auf die überkommene Parzellenstruktur keine Rücksicht mehr.
Der von Karl Bonatz und Walter Moest ebenfalls 1947 vorgelegte "neue Plan von Berlin" korrespondierte mit der Zentrumsplanung von Ermisch. Auch nach diesem Plan sollte der Mehringplatz seine charakteristische Form als Ausgangspunkt der drei strahlenförmig die Friedrichstadt erschließenden Straßen verlieren - eine Planungsabsicht, die in den sechziger Jahren Wirklichkeit wurde. Die drei Hauptstraßenzüge der Dorotheen-/Friedrichstadt (Unter den Linden, Friedrichstraße und Leipziger Straße) sollten durch Parallelstraßen vom Durchgangsverkehr entlastet werden. (Vgl. Bonatz 1947)
Einen Entwurf zum "Aufbauplan für das Zentrum des neuen Berlin" - ausgearbeitet im DDR- Ministerium für Aufbau - präsentierte die "Berliner Zeitung" ihren Lesern am 27. August 1950. Maßgeblich für diese Planung waren die sechzehn "Grundsätze des Städtebaues" (dokumentiert im Ministerialblatt der DDR 25/1950), die durch die Regierung der DDR kurz zuvor zum republikweit verbindlichen Rahmen für die Stadtplanung und die architektonische Gestaltung der Städte erklärt worden waren. Ihre praktische Anwendung sollte jetzt Berlin "zum Vorbild des Städtebaus in der Deutschen Demokratischen Republik und darüber hinaus für Gesamtdeutschland werden" lassen. Aus "dem Trümmerhaufen, der von dem früheren Berlin mit seinen sozialen Mißständen und städtebau-künstlerischen Mängeln vor allem im Zentrum übrig geblieben ist, ein schöneres neues Berlin zu planen und zu bauen", war das Ziel. Als Rückgrat des Zentrums war der Straßenzug Stalinallee - Alexanderplatz - Königstraße - Lustgarten - Unter den Linden "von besonderer architektonischer Bedeutung. Er ist nicht für den Durchgangsverkehr gedacht, sondern wird durch Umleitungsstraßen [...] weitgehend entlastet." Die historischen Gebäude im Umkreis des Forum Fridericianum sollten in ihrer äußeren Gestalt wiederhergestellt werden. Zwischen Charlottenstraße und Wilhelmstraße waren Botschaften und öffentliche Gebäude vorgesehen, "in deren Erdgeschossen repräsentative Ausstellungsräume für die volkseigene Industrie untergebracht werden" sollten. "Die Wilhelmstraße wird als Repräsentationsstraße vorwiegend Botschafts- und Regierungsgebäude erhalten. [...] Die Friedrichstraße als bedeutende Nord-Süd-Verbindung wird als Ladenstraße bestehen bleiben und abschnittsweise verbreitert. Auf der jetzt freigelegten Fläche vor dem Bahnhof Friedrichstraße sind als Abschluß eines großen Bahnhof-Vorplatzes ein Hotelkomplex und andere öffentliche Bauten vorgesehen. Die Französische Straße, die sehr wichtig wird, weil sie den Straßenzug der Königstraße fortsetzt, wird über die Mohrenstraße hinaus bis zum Tiergarten verlängert, um den Verkehr der Straße Unter den Linden zu entlasten." Damit kam das angesichts der wenigen Ost-West-Straßenverbindungen schon seit der Kaiserzeit immer wieder diskutierte Thema eines Straßendurchbruches im Bereich der Ministergärten erneut auf die Tagesordnung.
Der Schwerpunkt des realen Baugeschehens lag zunächst im Osten des Zentrums, ja sogar außerhalb des historischen Zentrums, als mit dem Aufbau der Stalinallee (heute Karl-Marx-Allee) im Bezirk Friedrichshain die "erste sozialistische Straße Berlins" entstand. Das in der Vorkriegszeit
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erstrangige Zentrum Berlins, die Dorotheen-/Friedrichstadt, fand sich nach der Spaltung der Stadt hingegen plötzlich in eine Randlage des 1949 zur Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik proklamierten Ostteils Berlins gerückt und blieb die fünfziger Jahre hindurch - mit Ausnahme der Straße Unter den Linden - im Windschatten der städtebaulichen Entwicklung. Erst zu Beginn der sechziger Jahre begann eine allmähliche Rückorientierung auf die ehemalige City.
Zu den bedeutendsten Aufbauleistungen im historischen Zentrum der Stadt zählt zweifellos die Neugestaltung der Straße Unter den Linden. Wiederhergestellt wurde der östliche Abschnitt der Straße mit den barocken und klassizistischen Bauten, die bis 1945 das Bild der "Prachtstraße" maßgeblich geprägt hatten. Das Forum Fridericianum erlebte seine Auferstehung aus Ruinen mit der Wiederherstellung der Deutschen Staatsoper (1952-55), der St. Hedwigs-Kathedrale (1952-63), der Alten Bibliothek (1965-69, seitdem Nutzung durch Institute und Bibliotheken der Humboldt- Universität) und des Hauptgebäudes der Humboldt-Universität (nach 1950). Das Reiterstandbild Friedrichs II., des Initiators und Namenspatrons des Forums, kehrte indessen erst 1980 nach dreißigjährigem "Exil" in Potsdam-Sanssouci auf die Mittelpromenade der "Linden" zurück. Wiederhergestellt wurde auch das nähere Umfeld dieses Ensembles mit mehreren Bauten der Kaiserzeit im Westen sowie mit den charakteristischen Platzräumen des Barock und des Klassizismus im Osten samt dem Zeughaus (ab 1949, seit 1952 Museum für Deutsche Geschichte), der Neuen Wache (1951-57, seit 1960 Mahnmal für die Opfer des Faschismus und Militarismus), der Singakademie (bis 1952, seitdem Maxim-Gorki-Theater), dem benachbarten ehemaligen Finanzministerium (1945-47, seitdem Zentrales Haus der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft) sowie auf der gegenüberliegenden Straßenseite dem Prinzessinnenpalais (1963-64, seitdem Operncafé) und dem Kronprinzenpalais (Neubau in historischen Formen 1968-69, seitdem Gästehaus).
Ihren wichtigsten stadträumlichen Bezugspunkt hatten die "Linden" aber mit der 1950 erfolgten Sprengung der Ruine des Berliner Schlosses verloren. Erst mit dem 1976 am Marx-Engels-Platz auf dem ehemaligen Schloßareal fertiggestellten Palast der Republik erhielt die Allee wieder einen - stadträumlich allerdings weniger befriedigenden - Abschluß und Blickpunkt im Osten, dessen Höhe sich aber immerhin am Maßstab des Schlosses und der Bebauung der Straße Unter den Linden orientierte.
Ein schwieriges Problem stellte die Gestaltung des Überganges vom Forum Fridericianum zum Marx-Engels-Platz - also nach Alt-Cölln - dar, "da mit dem rund 47 m hohen Gebäude für das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten ein wesentlich größerer Maßstab zur Wirkung gebracht werden mußte, der nur im Zusammenhang mit der räumlichen Ausdehnung des zentralen Platzes begriffen werden kann und der bereits auf die weiträumige Gestaltung des zentralen Ensembles mit dem Fernsehturm, jenseits der Spree, Bezug nimmt", so der Stadtplaner Peter Schweizer (1967, S. 8). Mit dem Außenministerium (1964-67) erhielten die "Linden" einen Nachbarn, der mit deren Höhenprofil brach, ja brechen sollte, und mit seiner im Stadtraum dominierenden Form "den westlichen Raumabschluß des zentralen Ensembles" (ebd.) rund um den Fernsehturm bildete. Eine Vermittlung zwischen diesen gegensätzlichen Maßstäben konnte nicht gelingen. Die zunächst verfolgte Planung für einen "als eindrucksvolles Pendant zum Museum für Deutsche Geschichte vorgesehenen Pavillon" (ebd.) zwischen Ministerium und Prinzessinnenpalais wurde bald zugunsten der Rekonstruktion des kriegszerstörten Kronprinzenpalais aufgegeben.
Wiederhergestellt wurde in den Jahren 1956-58 auch das schwer beschädigte Brandenburger Tor, das den "Linden" ihren stadträumlichen Abschluß im Westen verleiht. Seit dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 markierte das Tor erneut eine Stadtgrenze, ohne allerdings einen Zugang in diese (Teil-)Stadt zu vermitteln. Erst 28 Jahre später, mit dem Fall der Mauer, gewann das Tor seine eigentliche Bestimmung als Eingang zurück.
Zwischen Brandenburger Tor und Friedrichstraße erhielten die "Linden" weitgehend ein neues Antlitz. Noch ganz den "nationalen Bautraditionen" verpflichtet präsentierte sich der neoklassizistische Neubau der Sowjetischen Botschaft (1950-53), der so eindrucksvoll den sowjetischen Einfluß auf die Architektur in der jungen DDR widerspiegelte. Der umfassende Neuaufbau der Allee setzte allerdings erst in den sechziger Jahren ein und war bereits Ausdruck der nach Stalins Tod in der DDR wiederentdeckten Moderne, die hier aber nicht mehr - wie noch in den zwanziger Jahren geplant - einen radikalen Bruch mit der Eigenart des historischen Stadtgefüges inszenierte, sondern die Auseinandersetzung mit den prägenden Merkmalen der alten Stadt suchte. Den Straßenzug Unter den Linden "entsprechend seiner Eigenart und unter voller Wahrung seiner ursprünglichen räumlich plastischen Konzeption zu rekonstruieren", lautete das Planungsziel (Schweizer 1967, S. 8). Die Neufassung des "Lindenstatuts" im Juli 1949 setzte den Rahmen für die Neubebauung, deren Maßstäblichkeit sich an den Bauwerken des Forum Fridericianum mit ihrer Traufhöhe von 18 Metern zu orientieren hatte.
Diese gegenüber den Bauten der Kaiserzeit geringe Höhe wurde richtig als ein wesentlicher Grund für "die oft gerühmte Großzügigkeit und das ganz besondere Fluidum dieses Straßenzuges" (ebd.) erkannt. Die Wiederaufnahme des traditionellen "Korridor-Charakters" der Straße mit ihren geschlossenen Baufluchten, neben denen der Pariser Platz und die Platzfolgen im Bereich des Forum Fridericianum wirkungsvoll hervortreten, war eine weitere wichtige Entscheidung. Damit wurde denjenigen eine klare Absage erteilt, die eine stärkere "Raumplastik" angestrebt hatten. Der historische Bebauungsmaßstab fand allerdings nur in der Höhe, nicht jedoch in der Breite der Neubauten Berücksichtigung. Das ursprünglich das Stadtbild stark mitprägende kleinteilige Parzellen- und damit korrespondierende Bebauungsgefüge wurde zugunsten der Errichtung großer Neubaukomplexe aufgegeben, die Ausdruck der gewandelten Eigentumsverhältnisse waren: An die Stelle einer Vielzahl unterschiedlicher privater und öffentlicher Bauherren trat nun der Staat als alleiniger Bauherr auf wenigen Großparzellen. Nichtsdestoweniger zeigen die Fassaden der Neubauten, die im allgemeinen eine helle und freundliche Farbgebung zeigen, durchaus unterschiedliche Handschriften.
Die Neubebauung der Straße Unter den Linden fand ein lebhaftes Echo in der Öffentlichkeit. Die in der DDR erschienene Zeitschrift "Deutsche Architektur" (herausgegeben vom Bund Deutscher Architekten und von der Deutschen Bauakademie) wurde zum Forum dieser Diskussion, zu der Joachim Näther, "Chefarchitekt von Groß-Berlin", im Juni-Heft 1966 aufrief - Beispiel einer Kultur des öffentlichen Meinungsstreits, wie sie in den letzten Jahren des Bestehens der DDR nicht mehr denkbar war (vgl. Deutsche Architektur 6/1966, S. 369-371; 8/1966, S. 498-500; 9/1966, S. 354f.; 10/1966, S. 624-626; 12/1966, S. 752-761; 1/1967, S. 8f.). Zu Recht wurde die mangelnde Nutzungsvielfalt in den Neubaubereichen kritisiert. "Man hört oft, die Straße sei langweilig und lade nicht zu einem Bummel ein", konstatierte Hans Hopp, Präsident des Bundes Deutscher Architekten. "Es ist eben nicht interessant, an der immer leeren Vorhalle eines Ministeriums und einer langen Front des Autoladens vorbeizugehen, in dem doch auch nur dieselben Autos wie auf der Straße zu sehen sind, oder an den Erdgeschossen der Botschaften, in denen für die Vorübergehenden auch nichts Sehenswertes geschieht. Das kleine, nette Café im Haus des Ministeriums für Außenhandel und Innerdeutschen Handel zeigt durch seine starke Frequenz, was in dieser Straße erwartet wird. Das ist aber nicht allein Schuld der Architekten, sondern hier haben die Auftraggeber ungenügende Vorstellungen darüber entwickelt, was die Bevölkerung in dieser Straße erleben will, nämlich Einrichtungen, die ein geselliges Leben fördern, die zum Spazierengehen anregen, also in jedem der Häuser ein Café, eine Milchbar, eine Probierstube, alles in kleinen Dimensionen, auch mit Tischen und Stühlen auf dem breiten Bürgersteig, mit bunten Sonnenschirmen auf der Nordseite. Dann wären die 'Linden' wieder ein Treffpunkt geworden, wie sie es in alten Zeiten waren." (Deutsche Architektur 6/1966, S. 369f.)
Unterschiedlich waren die Reaktionen auf die architektonische Gestaltung der "neuen Linden". Teils wurde die Vielfalt der Formensprachen der beteiligten Architekten kritisiert. Widerspruch fand auch die moderne Ästhetik: "Ich suche hier die Herzlichkeit, Heiterkeit und Liebenswürdigkeit, die für diese Straße heute am Platze wäre", so Gerhard Krenz in seinem Diskussionsbeitrag (1966). "Aber jetzt ist dieser neue aufgebaute Straßenteil ein indifferenter Straßenkorridor mit glatter, höhepunktloser Straßenwand geworden. Der Eindruck spannungsloser Länge wird durch die horizontale Gliederung der Fassaden, die zu einer optischen Verlängerung führt, verstärkt. Die Vorhangfassaden aus Glas und Metall lassen die Straßenwände kalt und abweisend erscheinen."
Viele der damals geäußerten Kritiken haben zweifellos ihre Berechtigung und können auch für die aktuellen Planungen wertvolle Hinweise vermitteln. Dennoch verdient der heute weithin in Vergessenheit geratene Wiederaufbau der Straße Unter den Linden Respekt. Zum einen stellt die Wiederherstellung der historischen Bebauung im Osten vor dem Hintergrund der Kriegsschäden eine denkmalpflegerische Leistung ersten Ranges dar. Zum anderen hat die Berücksichtigung prägender Merkmale der historischen Stadtgestalt bei der Neubebauung im Westen (durchaus im Sinne einer städtebaulichen Denkmalpflege) einen stadträumlichen Zusammenhang entstehen lassen, der auch in seinen neugestalteten Bereichen das Raumgefüge und das Höhenprofil der alten "Linden" tradiert. Im Hinblick auf die Nutzungsstruktur war die Wiederbelebung des Charakters der Straße als Zentrum von Wissenschaft und Kultur, das auch durch die Einordnung entsprechender Läden (zum Beispiel Buch-, Porzellan- und Kunsthandel) in die Neubebauung unterstützt wurde, eine richtige Entscheidung.
Auch die beiden anderen Hauptstraßen der Dorotheen-/Friedrichstadt gerieten während der sechziger und siebziger Jahre in das Blickfeld der Stadtplaner. Eine gänzlich andere Strategie als in der Straße Unter den Linden kam bei der in den Jahren 1972-77 realisierten Neugestaltung der Leipziger Straße zwischen Spittelmarkt und Charlottenstraße zum Tragen. War dort der Respekt vor dem historischen Stadtraum Ausgangspunkt der Planung gewesen, wurde hier der Bruch mit der Vergangenheit zugunsten des neuen Modells "einer repräsentativen Magistrale" (Schweizer 1969, S. 526) zum Programm. "Die Ideale der revolutionären Kämpfer haben ihre Verwirklichung im sozialistischen deutschen Staat gefunden", lautete das Thema der "gesellschaftspolitischen Zielstellung", das dem Kollektiv der Städtebauer, Architekten und bildenden Künstler vorgegeben wurde.
Aber nicht nur als neue Zentrumsmagistrale, sondern entsprechend den "Prinzipien des sozialistischen Städtebaus" auch als "ein funktionsfähiges Wohngebiet mit Einrichtungen des Handels, der Gastronomie, der Kultur und des Sports" war die neue Leipziger Straße zu gestalten. "Im Gegensatz zur City kapitalistischer Prägung soll hier durch eine enge Verflechtung der Wohnfunktion mit den gesellschaftlichen Funktionen des Stadtzentrums die Aktivität des gesellschaftlichen Lebens erhöht werden. Gleichzeitig sollen sich für die Bewohner kurze Weg- Zeit-Beziehungen zwischen Wohn- und Arbeitsstätte ergeben." Mit diesen Worten umriß Peter Schweizer (1969, S. 526), Stellvertreter des Ost-Berliner Chefarchitekten und Mitglied des für die Leipziger Straße verantwortlichen Entwurfskollektivs, das Planungsziel. Fast 2.000 Wohnungen (darunter viele für Familien) entstanden hier zusammen mit den entsprechenden Infrastruktureinrichtungen.
Während diese Nutzungsmischung gewiß eine begrüßenswerte Korrektur der rein geschäftlichen Vorkriegsstruktur der Leipziger Straße darstellte, bedeutete der totale Bruch mit der traditionellen baulich-räumlichen Form einen Eingriff in das Gefüge der Friedrichstadt, der die neue Leipziger Straße als einen Fremdkörper erscheinen läßt, der die nördliche Friedrichstadt von der damals jenseits der Berliner Mauer gelegenen südlichen Friedrichstadt abriegelt. Ein Ensemble aus Wohnhochhäusern "aus einem Guß" mit Läden, Gaststätten und dergleichen in den Erdgeschossen und in speziellen Flachbauten prägt heute das Bild der Straße, deren neuer Maßstab durch die Verbreiterung der Fahrbahn zusätzlich übersteigert wurde. Dabei handelte es sich keineswegs um eine isolierte Planung. Die neue Leipziger Straße war vielmehr Bestandteil der "Leitkonzeption" für das Ost-Berliner Stadtzentrum: "Die städtebauliche Konzeption für die Komposition des Massenaufbaus des gesamten Stadtzentrums geht davon aus, daß die großen Wohngebiete, die das vorwiegend von zentralen gesellschaftlichen Funktionen in Anspruch genommene Kerngebiet des Stadtzentrums umschließen, ausschließlich vielgeschossig und mit einem hohen Anteil von Wohnhochhäusern bebaut werden. So wird eine hohe Ökonomie im Städtebau erzielt und der gesellschaftspolitisch bedeutende Kern des Stadtzentrums kompositorisch besonders hervorgehoben. Das Wohnensemble der Leipziger Straße wird deshalb, als Teil dieser geplanten städtebaulichen Struktur, einen vorwiegend vertikal orientierten Massenaufbau erhalten." (Schweizer 1969, S. 526f.)
Als viel langwieriger stellte sich der Prozeß des Wiederaufbaus der Friedrichstraße heraus. Zwar wurde 1961 - anknüpfend an das Ergebnis des 1958/59 durchgeführten "Ideenwettbewerbes zur sozialistischen Umgestaltung des Zentrums der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin" - die Neugestaltung der Friedrichstraße zu einem auf vierzig Meter verbreiterten "Fußgängerboulevard" (Flierl 1991, S. 19) beschlossen. Der Nord-Süd-Verkehr sollte durch die Glinkastraße umgeleitet werden. In diesem Sinne erfolgte 1968 die Verlängerung der Glinkastraße über die Behrenstraße hinaus bis zu den "Linden". Die während der sechziger Jahre im Kreuzungsbereich Friedrichstraße/Unter den Linden errichteten Neubauten wurden von der historischen Bauflucht abgerückt. Ansonsten war jedoch keine nennenswerte Bautätigkeit entlang der Friedrichstraße zu verzeichnen. Die Revitalisierung der Geschäftsstraße blieb dessen ungeachtet Planungsziel: "[...] hier war und wird sich wieder die große Einkaufsbummelstraße befinden, das Zentrum der Unterhaltungseinrichtungen, die Straße mit der hohen Erlebnisfrequenz." (Schweizer 1967, S. 9)
Variantenuntersuchungen führten Mitte der siebziger Jahre zu neuen Überlegungen. Die Entscheidung fiel schließlich zugunsten einer Friedrichstraße mit traditionell schmalem Straßenprofil - und damit gegen die Alternativen eines breiten Fußgängerbereiches bzw. einer Auto- und Einkaufsstraße mit ebenfalls verbreitertem Straßenprofil. Zu erklären ist dieses Ergebnis "nicht nur aus neuerwachtem historischen Interesse an der Struktur und Gestalt alter Städte, sondern auch aus negativen Erfahrungen mit zu breiten Fußgängerzonen in anderen Städten der DDR" (Flierl 1991, S. 19).
Auf das reale Baugeschehen hatten diese Überlegungen zunächst noch keinen Einfluß. Die Neubauten des Hotels "Metropol" (1975-77) und des Internationalen Handelszentrums (1976-78) südlich des Bahnhofs Friedrichstraße stellten sich in einen bewußten Gegensatz zur Charakteristik der überkommenen Stadtstruktur. Sie stören nicht nur den fragmentarisch noch vorhandenen Bebauungszusammenhang der Vorkriegszeit. Das weithin sichtbare Hochhaus des Handelszentrums beeinträchtigt darüber hinaus auch die Silhouette der "Linden".
Unter der Regie der Baudirektion Berlin setzte schließlich 1981 die umfassende Neugestaltung der Friedrichstraße zu einem bedeutenden innerstädtischen Boulevard ein. Drei Jahre später begann die Hauptetappe der Rekonstruktion. Die Friedrichstraße "ist aus dem historischen Kern der Hauptstadt nicht wegzudenken und entsteht in neuem Glanz", verkündete Erich Honecker, der Vorsitzende des Staatsrats und Generalsekretär des Zentralkomitees der SED, am 12. Februar 1984 auf der XV. Bezirksdelegiertenkonferenz der Partei in Berlin. "Wichtige Ensembles im Bereich des Alexanderplatzes, des Marx-Engels-Forums, des Spittelmarktes und neue Wohnbauten zwischen Rathaus und Spree sind schon in Arbeit. So wird der Wiederaufbau der Friedrichstraße die Ausgestaltung des historisch gewachsenen Stadtzentrums von Berlin krönen. In dieser Straße schlug der Puls des städtischen Lebens immer besonders kräftig. Während des zweiten Weltkrieges war sie untergegangen wie die ganze reaktionäre Gesellschaftsordnung, die damals auch den Namen Berlins geschändet hatte. Jetzt wird sie zu einer Straße großstädtischen Lebens umgestaltet. Viele Wohnungen werden gebaut, außerdem Läden und Hotels, Restaurants und Cafés, ein modernes Kino und Handelseinrichtungen für den täglichen Bedarf. Die Friedrichstraße soll zur attraktivsten Geschäftsstraße unserer Hauptstadt werden, und es wird eine Freude sein, dort zu bummeln." (Zit. nach Honecker 1986, S. 99)
An "die wertvollen historischen Bautraditionen der Berliner Friedrichstadt schöpferisch anzuknüpfen" (Rietdorf 1989, S. 67), lautete jetzt die den Städtebauern und Architekten gestellte Aufgabe, die in der 1985 vom Ost-Berliner Magistrat beschlossenen "gesellschaftspolitischen Zielstellung" konkretisiert wurde. Die geschichtliche, fragmentarisch im Stadtbild noch präsente Eigenart dieses Stadtraumes galt es, sowohl durch Neubauten als auch durch die Sicherung, Instandsetzung und Modernisierung der als erhaltenswürdig eingestuften Altbausubstanz wiederzugewinnen. Nicht nur das alte Straßenprofil, sondern auch der Höhenmaßstab der Vorkriegsbebauung wurde nun zur Grundlage der Neugestaltung "mit den Mitteln des industriellen Bauens" (ebd.). Aber auch die Nutzungsvielfalt der alten Friedrichstraße war Vorbild für die Neuplanung - mit einem wesentlichen Unterschied: Die mit der kommerziellen Entwicklung in der Kaiserzeit verdrängten Wohnmöglichkeiten sollten neu geschaffen werden, und zwar in Form staatlicher Mietwohnungen zu Preisen, die für jedermann erschwinglich sein sollten. Wohnhäuser mit Läden, Gaststätten und anderen zentrumstypischen Nutzungen im Erdgeschoß sowie Grünflächen und - in einem Fall - Kindertagesstätte im Hof stehen nun neben ganz für zentrumsbildende Einrichtungen konzipierten Bauten, wie zum Beispiel dem Friedrichstadtpalast (1981-84), dem Haus der Sowjetischen Wissenschaft und Kultur (1981-84) und dem "Grand Hotel" (1985-87). Auch wenn der Wiederaufbau der Friedrichstraße bis 1989 nicht mehr abgeschlossen werden konnte, hat sich hier doch ein spannungsreiches Kaleidoskop unterschiedlicher architektonischer Positionen zwischen Historismus und Moderne entfaltet, das hinsichtlich seiner Qualität und Individualität in Ost-Berlin seinesgleichen sucht und die Friedrichstraße als eines der bedeutendsten Produkte des Städtebaus und der Architektur in der ausgehenden DDR-Zeit erscheinen läßt.
Damit wurde hier - in einer bemerkenswerten Gleichzeitigkeit mit den West-Berliner Planungen für die Internationale Bauausstellung (IBA) 1984/87 in der südlichen Friedrichstadt und im benachbarten südlichen Tiergartenviertel - eine DDR-Variante des Prinzips der "kritischen Rekonstruktion" der Stadt entwickelt, wenn auch diese vom Direktor der IBA-Neubauabteilung, Josef Paul Kleihues, eingeführte Bezeichnung in Ost-Berlin (jedenfalls offiziell) keine Verwendung fand. Gerade die Wiederbelebung der Wohnfunktion (mitsamt der Wohnfolgeeinrichtungen und wohnungsnahen Grünflächen) betont den kritischen Charakter der Rekonstruktion der Friedrichstraße. Mit ihren bezahlbaren Wohnungen sowie den vielfältigen Einkaufs- und Dienstleistungsangeboten sollte die Friedrichstraße die Gegenwart des "real existierenden Sozialismus" verkörpern - aber nicht mehr wie noch beim Neubau der Leipziger Straße in einer die Vergangenheit negierenden Form, sondern in einer Gestalt, welche die Tradition der Friedrichstraße auf eine zeitgemäße Weise intepretiert und so den Eindruck "historischer Tiefe" vermitteln soll.
Jenseits der Hauptstraßen blieb der Dämmerzustand der ehemaligen City allerdings weitgehend erhalten - mit den wichtigen Ausnahmen der Otto-Grotewohl-Straße (früher und heute wieder Wilhelmstraße) und des Platzes der Akademie (Gendarmenmarkt), dessen Wiederbelebung 1979 mit der Rekonstruktion des Schauspielhauses als Konzerthaus begann (Einweihung 1984). Eingeleitet wurde auch der Wiederaufbau des Französischen Doms (1977-87) und des Deutschen Doms (seit 1985, noch im Bau). Die Lücken in den Platzwänden wurden durch Neubauten geschlossen, die den historischen Fluchtlinien sowie dem Maßstab der Altbauten in Breite und Höhe folgen. Ein streitbares Ergebnis ist gewiß die Gestaltung der Fassaden mit den Produkten einer durch historisierendes Dekor modifizierten Plattenbauweise, die Ausdrucksmöglichkeiten der Gegenwartsarchitektur keinen Raum ließ. Eine Neugestaltung erfuhr auch die Platzfläche selbst. Im Vergleich zum Schmuckplatz der Kaiserzeit vermittelt der Gendarmenmarkt heute einen eher steinernen, an die ursprüngliche Situation erinnernden Eindruck, während die baumbestandenen Flächen in den Randbereichen in den Hintergrund treten.
Seinen letzten Ausdruck fand der DDR-Zentrumsumbau in der 1987 begonnenen und erst 1992 vollendeten Neubebauung an der Otto-Grotewohl-Straße zwischen Voßstraße und Behrenstraße in unmittelbarer Nähe zur "Staatsgrenze" nach West-Berlin. Dieses Projekt sollte einen Beitrag zur versprochenen "Lösung der Wohnungsfrage als soziales Problem" bis 1990 leisten. Die Vorbereitungen begannen bereits Anfang 1985, als entsprechende Beschlüsse höchster Partei- und Staatsgremien gefaßt wurden (vgl. Berning u. a. 1994, S. 338). Die in anspruchsvoller Plattenbauweise zu erstellende Bebauung sollte ein Wohngebiet mit einigen zentralörtlichen Einrichtungen beherbergen. "Neben den Einrichtungen für die Versorgung und Betreuung der Bewohner sind vorwiegend in den Erdgeschossen repräsentative Einrichtungen der Gastronomie und des Handels von örtlicher und überörtlicher Bedeutung vorzusehen. Die Freifläche westlich der Otto-Grotewohl-Straße ist als großzügig angelegte Parklandschaft den differenzierten Anforderungen entsprechend zu gestalten." (VEB Wohnungsbaukombinat Berlin 1986, S. 2) Hinsichtlich der Gestaltung wurde ein formaler Bezug zur Tradition der Friedrichstadt konstruiert: "'Typische Elemente der Friedrichstadt, wie z. B. die Quartierstruktur mit Platz- und Straßenräumen, die Beschränkung der Gebäudehöhe auf ca. 24,0 Meter, die Ausbildung von Dachzonen, die plastische Gestaltung der Fassaden usw.' sind Richtschnur der Architekten. Die mäanderförmige Bebauungsform ist eine Reminiszenz an die ehemaligen Palaishöfe." (Berning u. a. 1994, S. 339) Nichtsdestoweniger stellt die Bebauung der Otto-Grotewohl-Straße ein Beispiel für ein Retortenprojekt dar, das die Erinnerungen an einen für die widersprüchliche deutsche Geschichte ungemein bedeutsamen Stadtraum in unverzeihlicher Weise verdrängt und ausgelöscht hat.
Der Fall der Berliner Mauer und die Vereinigung der beiden Teilstädte veränderten schlagartig die Position der Dorotheen-/Friedrichstadt im Stadtgefüge. Eben noch am Rande der Hauptstadt der DDR, an der "Staatsgrenze" zu West-Berlin gelegen, gewann die alte City Berlins ihre frühere Standortgunst im Zentrum Gesamt-Berlins zurück. Nicht wenige private Investoren erkannten, daß die alte City auch die neue City der Hauptstadt des vereinigten Deutschland sein würde. In Erwartung dieser Entwicklung eröffneten insbesondere in der Friedrichstraße erneut Luxusgeschäfte ihre Pforten, obwohl das entsprechende Umfeld in Anbetracht der absehbaren Baustellen noch lange Zeit auf sich warten lassen würde. In zahlreichen Fällen verhinderten allerdings ungeklärte Eigentumsverhältnisse hier wie an vielen anderen Stellen der Stadt eine schnelle Verwirklichung von Bauabsichten.
Die Berliner Stadtentwicklungspolitik sah sich mit der schwierigen Aufgabe konfrontiert, in kürzester Zeit ein städtebauliches Regelwerk zu erarbeiten, um den absehbaren Investitionsschub in stadtverträgliche Bahnen zu lenken. Denn rechtskräftige Bauleitpläne fehlten im Ostteil der Stadt zunächst völlig. Einzig der "Lückenparagraph" 34 des Baugesetzbuches war für die planungsrechtliche Beurteilung von Bauanträgen heranzuziehen. Diese Vorschrift enthält lediglich einige grundsätzliche Anforderungen hinsichtlich der Einordnung von Bauvorhaben "innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile". Die konventionellen Instrumente der Flächennutzungs- und Bebauungsplanung schätzte die Senatsbauverwaltung "angesichts des Umfangs und der Geschwindigkeit der Bauaufgaben und angesichts administrativer Zersplitterung der planenden und bauenden Verwaltung" (Stimmann in Strecker/Hoffmann-Axthelm 1992c, S. 7f.) als ungeeignet ein, um das Baugeschehen über die allgemeine Einfügungsklausel des § 34 hinaus zu steuern.
Die Senatsbauverwaltung ließ deshalb von Bernhard Strecker und Dieter Hoffmann-Axthelm ein "Stadtbaukünstlerisches Regelwerk" (ebd., S. 8) in Verbindung mit einem Nutzungsstrukturplan erarbeiten. Der "Städtebauliche Strukturplan" für die gesamte Dorotheen-/Friedrichstadt und den Friedrichswerder wurde 1992 veröffentlicht, nachdem bereits zuvor Strukturkonzepte für Teilbereiche - den Pariser Platz, den Bereich um den Bahnhof Friedrichstraße und den Spittelmarkt - erschienen waren (vgl. Strecker/Hoffmann-Axthelm 1991, 1992a und b). Der Strukturplan ist dem Leitbild der "kritischen Rekonstruktion der Stadt" verpflichtet. Die Wiederherstellung des beschädigten Stadtgrundrisses - insbesondere im Bereich der ehemaligen Grenzanlagen - unter Bezugnahme auf die traditionellen Bautypologien ist das grundlegende Ziel der Entwurfsverfasser. Im Mittelpunkt ihres Interesses steht die Vorkriegsstadt mit ihrem Straßenraster und Blockgefüge, das auch für die zu Zeiten der DDR im Sinne neuer Leitbilder gestalteten Bereiche (wie zum Beispiel die östliche Leipziger Straße) pauschal zur Grundlage der künftigen städtebaulichen Entwicklung erklärt wird - ein Ansatz, der in seiner Rigorosität weder den dort lebenden und arbeitenden Menschen gerecht wird noch die reale Komplexität des Stadtgefüges mit seinen Brüchen und Widersprüchen angemessen berücksichtigt.
Der Strukturplan gliedert das Gesamtgebiet in unterschiedliche "Stadtquartiere", für welche die "Ausbildung lokaler Profile" (Strecker/Hoffmann-Axthelm 1992c, S. 34) angestrebt wird: das im Osten des Reichstagsgebäudes gelegene "Dorotheenviertel" mit der Politik als strukturbestimmender Funktion, "den großen Bühnen Unter den Linden und Pariser Platz" sowie dem als "inneres Zentrum" auszubildenden ehemaligen Neustädtischen Kirchplatz; die "City Friedrichstraße", vor allem mit Geschäften, Kaufhäusern, Hotels, Gaststätten und Unterhaltungsangeboten; das "Universitätsviertel" im Umkreis der Humboldt-Universität; den Bereich "Wilhelmstraße/Leipziger Platz" mit vorwiegend kommerziellen Nutzungen im Anschluß an den Potsdamer Platz sowie den von Bebauung freizuhaltenden Flächen des ehemaligen Gestapo- Geländes und der früheren "Ministergärten"; den Bereich "Gendarmenmarkt" mit einem ausgeprägten öffentlichen Charakter (Kultur, Wissenschaft, Kirche, Gastronomie, Hotels und andere Dienstleistungen); den "schwerpunktmäßig als anspruchsvolles Wohngebiet" zu entwickelnden "Friedrichswerder"; den Bereich "Leipziger Straße", in Zukunft "ein hochintensiver Einkaufsbereich mit Promenier- und Bummelcharakter"; den Bereich "Spittelmarkt" mit "Spezialkaufhäusern für Mode und Medien" am Platz selbst; das "Medienviertel" im Umkreis der Kochstraße; die "südliche Friedrichstadt" mit einer Ergänzung der vorhandenen Wohnnutzung vor allem durch zusätzliche Dienstleistungsangebote; das "Lindenstraßenviertel" mit einer vorwiegend durch Wohnen, Kultur, Verwaltung und Dienstleistungen geprägten Nutzungsmischung (S. 34 und 36). Das ist ein interessantes, prinzipiell gewiß zu begrüßendes Konzept, das an die traditionelle funktionsräumliche Gliederung der Berliner City in vielfältige Teilbereiche unterschiedlicher Prägung anknüpft. Diese generelle Strategie fand ihren Ausdruck in den Karten zum Nutzungskonzept, die Bestandteil des Strukturplans sind (S. 40f.). "Funktionsmischung" (S. 37) wird darin als ein grundlegendes Planungsziel anschaulich. Dies schließt auch die Erhaltung und stellenweise Ergänzung der Wohnfunktion ein.
Im Mittelpunkt des planerischen Interesses und der konkreten Bauprojekte standen auch nach 1989 zunächst die Hauptstraßenzüge der Dorotheen-/Friedrichstadt: Unter den Linden (mit dem Pariser Platz), Friedrichstraße und Leipziger Straße. Dabei sind es in erster Linie private Investoren, die zurück in die alte City drängen. Stadt und Staat sind als Bauherren demgegenüber von nachrangiger Bedeutung, wenngleich öffentliche Bauvorhaben an einzelnen Stellen (zum Beispiel in der Straße Unter den Linden) durchaus eine stadtbildprägende Wirkung entfalten.
Von herausragender Bedeutung ist die Neugestaltung des Pariser Platzes entsprechend seiner historischen und nach der Maueröffnung am 9. November 1989 wiedergewonnenen Bedeutung als Eingang der "Linden" und damit in das historische Zentrum Berlins. Angesichts des hohen Stellenwerts dieses Ortes ließ die Senatsbauverwaltung frühzeitig ein Konzept als erstes Teilstück der kritischen Rekonstruktion der Dorotheen-/Friedrichstadt erarbeiten. "Der Strukturplan zur Wiederherstellung läßt sich in einem Satz zusammenfassen: Es geht darum, die Geschichte des Platzes weiterzubauen", so die Autoren der Studie, Bernhard Strecker und Dieter Hoffmann- Axthelm (1991, S. 10). "Der Pariser Platz war einer der Punkte der größten Sichtbarkeit der alten Stadt, bei allem Verkehr ihr am stärksten in sich ruhender, mithin ihr vornehmster öffentlicher Raum. Den Platz wiederherzustellen, heißt, diese Haltung wiederherzustellen. Das geht gerade nicht über eine buchstäbliche Rekonstruktion. Vesuchte man sie, wäre das der angestrebten Würde des Ortes gerade abträglich, da Disney-Effekte nicht zu vermeiden wären. Der neue Platz muß einerseits mit moderner Architektur bebaut werden, aber innerhalb eines Regelwerks, das dafür sorgt, daß das Brandenburger Tor, als Grenzpassage zwischen historischem Zentrum und Tiergarten, das wichtigste Gebäude des Platzes bleibt. Er muß andererseits als Konsequenz seiner bisherigen Geschichte wiederaufgebaut werden, nicht unbelehrbar als Wiederholung des letzten historischen Zustandes."
Die Forderung nach einem Regelwerk für die Gestaltung der Neubebauung fand ihren Niederschlag in der Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens (1992) und in einem Gutachten zur Vorbereitung von Festsetzungen zur Baugestaltung im Rahmen des Bebauungsplans, das im September 1993 von Bruno Flierl und Walter Rolfes vorgestellt wurde. Auf dem Hintergrund ihrer Gestaltanalyse der Vorkriegsbebauung forderten die Autoren folgerichtig die Orientierung der Neubebauung am Maßstab des Brandenburger Tors. "Gestaltungsregeln für die Neubestimmung der Raumgestalt des Pariser Platzes zu heutigen Zwecken und in neuer, zeitgemäßer Architektur zu formulieren, die eine kulturell-historische Kontinuität der Stadtentwicklung gerade an diesem bedeutenden Ort garantieren", lautet das Ziel ihres baugestalterischen Regelwerkes (1993a, S. 19). Wesentliche Aspekte sind die Fassadengliederung in drei Zonen (hohe Basiszone, dreigeschossige Mittelzone, Attika), die Beschränkung der Höhe des Hauptgesimses auf 16,70 Meter und der Traufhöhe auf 20 Meter, die höhere Ausbildung der Eckgebäude zur Straße Unter den Linden, die Orientierung von Material und Farbigkeit am Brandenburger Tor sowie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wandflächen und -öffnungen.
Die Vorschläge trafen auf Zustimmung und Kritik zugleich. Schnell spitzte sich die Debatte zwischen den Verfechtern einer historisierenden Rekonstruktion der Vorkriegsbebauung und den Verfechtern einer modernen Neugestaltung zu. Ihre gegensätzlichen Positionen haben in konkreten Architekturprojekten Gestalt angenommen. Im Sinne des gestalterischen Regelwerkes vermitteln die Entwürfe von Josef Paul Kleihues für das "Haus Liebermann" und das "Haus Sommer" zwischen den Traditionen des Ortes und den Gestaltungsvorstellungen des einem geometrisierenden Rationalismus verpflichteten Architekten. Das von Rüdiger Patzschke und Rainer-Michael Klotz entworfene Hotel "Adlon" (im Bau seit 1994) kommt mit seiner Orientierung an den Gestaltmerkmalen des kriegszerstörten Vorgängerbaus den Vorstellungen der Traditionalisten ebenso entgegen wie die durch die Berliner Gartendenkmalpflege bereits 1992 realisierte Rekonstruktion der kaiserzeitlichen Grünanlagen samt Springbrunnen. Der aus einem internen Wettbewerb 1993/94 hervorgegangene Entwurf von Günter Behnisch für die Akademie der Künste ist mit seiner charakteristischen Glasfassade hingegen Ausdruck einer neuen Architekturidee, die zwar die Bauflucht und die Maßstäblichkeit, nicht aber die geschlossene Wirkung des historischen Platzraumes respektiert. Die mit Vehemenz geführte öffentliche Auseinandersetzung um den Wiederaufbau des Pariser Platzes blieb nicht ohne Einfluß auf das laufende Bebauungsplanverfahren. Auch das Abgeordnetenhaus beschäftigte sich am 9. Februar 1995 mit dem Fall und versah den Verwaltungsentwurf mit Auflagen. Änderungen an den Gestaltungsvorschriften betrafen die Erhöhung des erlaubten Öffnungsanteils in den Fassaden, die Zulässigkeit auch von liegenden Fensterformaten und den Verzicht auf die Forderung eines obligatorischen Sockelgeschosses.
In dieser Diskussion sollte nicht übersehen werden, daß der Pariser Platz auch früher schon Gegenstand baugestalterischer Regelungen war. Bereits die "Polizeiverordnung vom 7. August 1903, betreffend die Baubeschränkungen des Pariser Platzes" beschränkte die Fassadenhöhen auf 16,50 Meter im Westen und 20 Meter im Norden und Süden des Platzes. In der Tat ist ein flexibles baugestalterisches Regelwerk für diesen Ort auch heute sinnvoll, handelt es sich doch um einen der wichtigsten Eingangsräume in das historische Zentrum Berlins, den Vorplatz der Straße Unter den Linden und die architektonische Fassung eines der symbolträchtigsten Bauwerke Berlins: des Brandenburger Tors, dessen Dominanz und Einmaligkeit es durch eine Neugestaltung des Platzes zu unterstreichen gilt.
Für den Bereich der "Linden" selbst legte das Berliner Planungsbüro Spath & Nagel zusammen mit Jürgen Wenzel, Theseus Bappert und Dietmar Kuntzsch 1992 ein Gestaltungsgutachten vor, das auf die stärkere Ausprägung des traditionellen Promenadencharakters des derzeit zur Hauptverkehrsstraße degradierten "Boulevards" zielt. Für die Fahrbahnen ist eine Aufteilung wie am Kurfürstendamm vorgesehen: auf jeder Seite ein Park- und Lieferstreifen, eine Busspur sowie eine Fahrspur. Breitere Bürgersteige, eine großzügigere Mittelpromenade und neue Baumpflanzungen sowie die Integration von modernen, zugleich dem historischen Charakter der Straße angemessenen Straßenmöbeln sind wesentliche Inhalte des Konzeptes, das auch Vorschläge für gestalterische Verbesserungen im Bereich der Platzfolge im Osten der Allee (Forum Fridericianum, Platz vor dem Zeughaus) enthält.
Diese die Fußgänger, Radfahrer und Autobusse bevorzugende Strategie ist gewiß zu begrüßen, denn sie drängt den das Stadtbild und die Aufenthaltsqualität stark beeinträchtigenden Autoverkehr zurück. Allerdings steht sie im Widerspruch zu den Absichten des Verkehrssenators und anderer, die für eine Beibehaltung oder gar einen Ausbau der "Linden" als Hauptverkehrsstraße plädieren. Dazu würde auch die Öffnung des Brandenburger Tores für den allgemeinen Verkehr (also über die bereits seit 1992 bestehende Durchfahrmöglichkeit für Busse und Taxen hinaus) bzw. dessen Umfahrung gehören - oder aber die durch die Bundesbauministerin Irmgard Schwaetzer 1993 ins Gespräch gebrachte Untertunnelung des Tores. Damit würde der schon heute stark beschädigte Boulevardcharakter der "Linden" vollends zerstört und die Chance, die Allee zusammen mit dem Pariser Platz als Bühne der städtischen Öffentlichkeit wiederzugewinnen, leichtfertig verspielt werden.
Während solche Fragen nach Bedeutung und Charakter der "Linden" in der Stadt noch kontrovers diskutiert werden, haben Baumaßnahmen an verschiedenen Stellen begonnen, das Bild der Allee zu verändern. Den informellen Rahmen für alle Neubauvorhaben setzt nach wie vor das Regelwerk des "Lindenstatuts" aus dem Jahre 1949, auch wenn dieses seit dem Sommer 1991 nicht mehr rechtskräftig ist und eine rechtsverbindliche Neufassung - etwa durch das im Berliner Denkmalschutzgesetz vorgesehene Instrument des "geschützten Baubereiches" - noch aussteht. Dieses Regelwerk steht im Einklang mit dem von seiten der Senatsbauverwaltung für die Dorotheen-/Friedrichstadt verkündeten Leitbild der "kritischen Rekonstruktion".
Drei Neubauprojekte folgen diesem Konzept: das Büro- und Geschäftshaus an der Ecke Neustädtische Kirchstraße (fertig) sowie die Neubauten des "Lindencorso" (im Bau) und des Hotels "Unter den Linden" (geplant, Realisierung ungewiß). Die Wiederherstellung des Stadtkörpers der Vorkriegszeit hinsichtlich der das Stadtbild prägenden Baufluchten sowie Trauf- und Gebäudehöhen ist ein Anliegen dieser Architektur, die zwischen Tradition und Moderne vermitteln und sich so in den überkommenen stadträumlichen Kontext einfügen und zugleich eine der Gegenwart gemäße Formensprache entwickeln will.
Sträflich vernachlässigt wird in der Diskussion über die kritische Rekonstruktion indessen die Frage nach der Rolle, die dem städtebaulich-architektonischen Erbe der DDR-Zeit zukommen sollte. Dabei sind es neben den barocken und klassizistischen Bauten um das Forum Fridericianum und den Resten der kaiserzeitlichen Bebauung gerade die Ergebnisse des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg, die das heutige Erscheinungsbild der "Linden" trotz zwischenzeitlicher Eingriffe prägen. Diese Bauten dürfen nicht etwa nur als historische Dokumente einer "abgeschlossenen Kulturepoche" Aufmerksamkeit beanspruchen. Auch im Hinblick auf ihren Beitrag zum Stadtbild verdienen sie Beachtung. Sie illustrieren, wie die DDR nach der Phase der "nationalen Bautraditionen", die ihren Ausdruck Unter den Linden im Gebäude der Sowjetischen Botschaft, aber auch im Wiederaufbau und Ergänzungsbau der Staatsoper fand, wieder Anschluß an die internationale Architektur der Moderne suchte. Daß diese Wiederentdeckung der Moderne die Auseinandersetzung mit den prägenden Merkmalen der historischen Stadtgestalt anstrebte (wenn auch nicht mit der aus heutiger Sicht wünschenswerten Konsequenz), macht den Wiederaufbau der "Linden" zu einem spannungsreichen stadtbaugeschichtlichen Erbe, zu einer Etappe auf dem Weg der städtebaulichen Denkmalpflege und des Konzeptes der "kritischen Rekonstruktion" der Stadt. Insofern bedeutet die ohne öffentliches Nachdenken begonnene Totalerneuerung der ehemaligen Ministerien für Volksbildung (1962-64, Umbau 1993-95) und Außenhandel (1962-65, Umbau seit 1994) zur Unterbringung von Büros für Bundestagsabgeordnete und der Parlamentsverwaltung einen Verlust an kultureller Vielfalt. Die nach den Vorgaben der Bundesbaudirektion vorgenommenen Eingriffe haben nur noch das statisch-konstruktive Gerüst der Stahlbetonbauten bestehen lassen. In beiden Fällen sind quasi Neubauten entstanden, die in keiner Weise mehr an die Ästhetik der ursprünglichen Gestaltung erinnern.
Auch die für den Kreuzungsbereich Unter den Linden/Friedrichstraße geplanten Maßnahmen stellen keineswegs eine selbstverständliche "Stadtreparatur" dar. Hier war infolge der DDR-Planung für eine verbreiterte Friedrichstraße eine Platzsituation mit Grün und Wasser entstanden, die zwar nicht der historischen Enge der Kreuzung entsprach, aber doch eine neue, zum Aufenthalt einladende Qualität im Stadtraum bedeutete, die auch unter dem Gesichtspunkt einer kritischen Rekonstruktion hätte Bestand haben können. Ziel des Senats ist es hier jedoch, die Baufluchten der Vorkriegszeit wiederherzustellen. Anstelle des 1993 abgerissenen "Lindencorso" (1964-65) ist in diesem Sinne bereits ein Neubau im Entstehen; der gleichfalls geplante Abbruch und vergrößerte Neubau des Hotels "Unter den Linden" (1964-66) ist wegen Grundstücksproblemen erst einmal verschoben worden.
Die Neugestaltung der städtebaulich und stadthistorisch herausragenden Kreuzung Unter den Linden/Friedrichstraße unterscheidet sich typologisch von anderen Großprojekten: Hier wurde nicht versucht, eine abgestimmte Gesamtlösung zu erreichen. Hingegen sollten - in Anlehnung an den liberalistischen Städtebau vor dem Ersten Weltkrieg - drei Eckbebauungen weitgehend unabhängig voneinander, aber im Rahmen des städtebaulichen Regelwerks für die Friedrichstadt entwickelt werden: die Nordostecke (Hotel "Unter den Linden"), die Südostecke ("Lindencorso") und - als Sanierungsprojekt (1992-94) - die Nordwestecke ("Haus der Schweiz").
Für den inzwischen vertagten Neubau des Hotels "Unter den Linden" führte der Projektträger 1992 einen Wettbewerb durch, in dessen Vorbereitung ein prominenter Theoretiker der "kritischen Rekonstruktion der Stadt", Dieter Hoffmann-Axthelm, eingebunden war. Dementsprechend enthielt die Ausschreibung auch relativ detaillierte Empfehlungen, die als "Ableitungen aus der historischen Entwicklung" zu berücksichtigen waren. Gefordert wurden eine Wiederherstellung des Blockrandes und die Beachtung der üblichen Trauf- (22 Meter) und Gebäudehöhe (30 Meter). Nach dem Konzept von Karl-Heinz Steinebach und und Friedrich Weber, das nach einigem Hin und Her schließlich zur weiteren Bearbeitung empfohlen wurde, soll die in der DDR-Zeit auf 40 Meter verbreiterte Friedrichstraße auf 14 Meter zurückgebaut werden, was der "barocken" Enge von 12,7 Metern sehr nahekommen würde.
Das als deutsch-französisches Geschäfts- und Kulturzentrum konzipierte neue "Lindencorso" war ebenfalls 1992 Gegenstand eines von den Investoren durchgeführten Wettbewerbs. Das Nutzungsprogramm umfaßte ein Auditorium mit etwa 400 Plätzen für Konzerte, Theateraufführungen und sonstige kulturelle Veranstaltungen, Ausstellungsgalerien, Buchläden, zwei Restaurants, ein Café, einen Teesalon, ungefähr 70 Geschäfte und Galerien, Vertreterbüros für ungefähr zwanzig französische Regionen, ein Kommunikations- bzw. Handelszentrum, ein Studienzentrum, Büros und schließlich auch Wohnungen. Den Wettbewerb gewann Christoph Mäckler, dessen Konzept 47.500 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche mit etwa 700 bis 1.000 Arbeitsplätzen und rund 320 Autostellplätzen vorsah. Baubeginn war 1994 - mit einem gegenüber der Wettbewerbsausschreibung allerdings in manchen Einzelheiten veränderten Raumprogramm.
Andere Projekte in der Straße Unter den Linden betreffen die überkommene Bausubstanz. Nach langer und heftiger Diskussion aufgegeben wurde die zeitweilig verfolgte Absicht zur Unterbringung des Bundespräsidenten und seiner Mitarbeiter im ehemaligen Kronprinzenpalais, die auch auf Kosten des im benachbarten Prinzessinnenpalais untergebrachten, gerade erst renovierten Operncafés gegangen wäre. Aufgrund des an diesem Ort nicht angemessen zu befriedigenden Flächenbedarfes, aber auch des Protestes vieler Berliner konnte diese Einrichtung gerettet werden, die hier bereits auf eine mehr als dreißigjährige Tradition zurückblickt und die für den angestrebten Charakter der "Linden" als "Boulevard" und Zentrum des kulturellen Lebens nicht entbehrlich ist.
Bereits begonnen haben auch die Sanierungsarbeiten am Gebäude der Staatsbibliothek. Nach deren Abschluß und der Wiederrichtung eines zentralen Lesesaals als Herzstück des gewaltigen Komplexes wird dieses Zentrum des wissenschaftlichen Lebens gleich neben dem Hauptgebäude der Humboldt-Universität an Ausstrahlung gewonnen haben.
Ohne Zweifel wird die Allee Unter den Linden wieder die repräsentativste Straße Gesamt-Berlins werden - vorausgesetzt, der Autoverkehr wird in seine Schranken verwiesen. Schon heute zeigt sich, daß insbesondere die Großbanken die Allee samt dem Pariser Platz zu ihrer bevorzugten Adresse wählen.
Einen regelrechten Bauboom erlebt die Friedrichstraße. Vier Richtlinien der kritischen Rekonstruktion wurden von seiten der Senatsbauverwaltung gesetzt, in deren Rahmen sich die private Bautätigkeit entfalten soll.
Erstens sind das historische Straßennetz und die historischen Baufluchten zu respektieren bzw. zu rekonstruieren, wo der Stadtgrundriß infolge von Kriegszerstörungen und Nachkriegsplanungen beschädigt wurde.
Zweitens gilt - in Anlehnung an die zweite kaiserzeitliche Überformung der Friedrichstadt auf der Grundlage der Bauordnung von 1897 - eine maximale Traufhöhe von 22 Metern. Darüber erhebt sich nicht mehr das früher übliche geneigte Dach, sondern es folgen - in Anlehnung an die Bauordnung der zwanziger Jahre - zwei weitere, zurückgesetzte Vollgeschosse bis zu einer Gebäudehöhe von maximal 30 Metern. Durch diese Staffelgeschosse wird die Maßstäblichkeit der Gebäude im Vergleich zur historischen Dachausbildung stark verändert.
Drittens sind etwa 20 Prozent der Bruttogeschoßfläche für Wohnungen vorzusehen. Ziel ist das gemischt genutzte Geschäftshaus, ein Gebäudetyp, der eher die vorletzte Phase der Friedrichstadt prägte, war doch die historische Entwicklung vom Wohnhaus über das gemischt genutzte Geschäftshaus zum monofunktionalen Haus (reines Bürohaus, Hotel, Kaufhaus) verlaufen. Das typische Nutzungsgefüge von Neubauten in der Friedrichstraße stellt sich folgendermaßen dar: Läden und Gastronomie im Erdgeschoß, ersten Obergeschoß und ersten Untergeschoß, Büros im zweiten bis sechsten Obergeschoß, Wohnungen im siebten und achten Obergeschoß, Tiefgarage im zweiten und dritten Untergeschoß. Tatsächlich kann so die auf die obersten Geschosse beschränkte Wohnfunktion kaum eine die Struktur und das Bild der neuen Friedrichstraße mitprägende Bedeutung erlangen. Als "nicht ausreichend" empfindet auch Senatsbaudirektor Hans Stimmann (1993b, S. 1129) den geforderten Wohnanteil von 20 Prozent.
Viertens bildet "das städtische Haus auf einer Parzelle" die Grundlage für jede Bebauung, "die max. Parzellengröße ist der Block" (ebd., S. 1128). Mit dieser Möglichkeit zur einheitlichen Bebauung eines ganzen Blockes wird aber der Anspruch der Anknüpfung an das kleinteilige Parzellen-, Nutzungs- und Bebauungsgefüge der historischen Dorotheen-/Friedrichstadt stark relativiert.
Tatsächlich ist die Tendenz zur Großform im realen Baugeschehen unübersehbar. "Die Wiederentdeckung von 'Haus' und 'Parzelle' liegt quer zur ökonomischen Entwicklung, zur Konzentration des Immobilienkapitals, das danach drängt, Grundstücke zusammenzulegen, um möglichst einen ganzen Block zu planen", muß auch Hans Stimmann (1993b, S. 1129), Verfechter des Leitbildes der kritischen Rekonstruktion, einräumen. Daß die öffentliche Hand diesen "Drang" zu Riesenparzellen befriedigt, muß aber zugleich als Schwäche der Stadtpolitik und -planung interpretiert werden.
Das prominenteste Beispiel für diese Entwicklungstendenz sind gewiß die "FriedrichstadtPassagen", deren Konzeption allerdings bereits vor der Verkündung des Leitbildes der "kritischen Rekonstruktion" in Grundzügen feststand. Die Geschichte des Projekts geht bis in die Zeit der DDR zurück: 1987 wurde mit den Bauarbeiten begonnen, 1990 wurde der Bau eingestellt und in der Zeit von März bis August 1992 für 25 Millionen DM abgerissen. Der Kampf um das Prestigeprojekt in hervorragender Lage war besonders hart: Im Vorfeld bewarben sich über hundert Investoren. Von den dann verbliebenen 22 Großinvestoren wurden im Rahmen eines Auswahlverfahrens des Senats und der Treuhandanstalt im März 1991 drei ausgewählt. Nach der Durchführung des Wettbewerbs wurde einer der ausgewählten Investoren wieder herausgedrängt - durch die Gruppe Roland Ernst, die sich an einem Teilgrundstück das Erbbaurecht sichern konnte.
In diesem Ringen war der Druck auf die öffentliche Hand gewaltig: "Bausenator Nagel sagte im letzten Jahr anläßlich der Vorstellung des Projektes, er habe noch nie erlebt, daß während eines Investorenauswahlverfahrens versucht worden sei, so viel Einfluß auf ihn, seine Mitarbeiter und den Regierenden Bürgermeister auszuüben. Interessierte Investoren hatten sich sogar an den französischen Staatspräsidenten gewandt und ihn gebeten, seinen Einfluß geltend zu machen." (Der Tagesspiegel vom 9.10.1992) Daß hier ein nicht gerade bescheidenes Geschäft auf dem Spiel stand, zeigen schon die hohen Grundstückspreise (zwischen 15.000 und 18.000 DM pro Quadratmeter).
Die Besonderheit des Falls "FriedrichstadtPassagen" liegt in der blockweisen Aufteilung eines blockübergreifenden städtebaulichen Projektes. Es gibt drei Blöcke, drei Architekten und drei Großinvestoren: Block 207 mit dem Investor Roland Ernst und dem Architekten Jean Nouvel, Block 206 mit dem Investor Tishman Speyer Properties und dem Architekten Henry N. Cobb sowie Block 205 mit dem Investor Arc Union/Bouygues und dem Architekten Oswald Mathias Ungers. Das Gesamtprojekt mit einem Investitionsvolumen von 1,4 Milliarden DM zielt auf eine Nutzungsmischung von 35 Prozent Läden und Gastronomie, 59 Prozent Büros, 5 Prozent Wohnen und 1 Prozent Kultur auf einer Bruttogeschoßfläche von insgesamt 199.600 Quadratmetern in acht oberirdischen und vier unterirdischen Etagen. Ungefähr 4.000 Menschen werden hier arbeiten. Am 9. Oktober 1992 war die symbolische Grundsteinlegung des Projekts, mit dessen Bau jedoch erst im September 1993 begonnen werden konnte. Fertiggestellt wurde der Komplex zwei Jahre später.
Problematisch am Projekt "FriedrichstadtPassagen" sind vor allem die völlig überzogene Bebauungsdichte (Geschoßflächenzahl 6,5), die - im Verhältnis zu nachfolgenden Projekten - relativ geringe Zahl von Wohnungen (63), dann die hohe Stellplatzzahl für etwa 1.100 Kraftfahrzeuge, die durch zwei Staffelgeschosse auf 30 Meter angehobene Gebäudehöhe (bei der üblichen Traufhöhe von 22 Metern) und die parzellennegierende Blockgröße der Einzelprojekte. Die allseits kritisierte städtebauliche Großform feiert damit eine fröhliche Wiederauferstehung. Dies gilt insbesondere für den südlichen der drei Blöcke, der in Gänze eine einheitliche Gestaltung erfahren hat; das bis an den Gendarmenmarkt heranreichende Gebäude von Ungers ignoriert die für die Friedrichstadt ursprünglich typische Maßstäblichkeit vollends. Bei den beiden anderen Blöcken wird der Maßstabsbruch durch die hier zum Gendarmenmarkt hin noch vorhandenen bzw. in den achtziger Jahren ergänzten Fragmente des historischen Bebauungsgefüges etwas gemildert.
Daß indessen auch auf neugebildeten Großparzellen relativ kleinteilige und architektonisch vielfältige Baustrukturen möglich sind, zeigen die Projekte "Hofgarten am Gendarmenmarkt" (gesamter Block 208) und "Kontorhaus Mitte" (Ostteil des Blocks 109). In beiden Fällen war es Josef Paul Kleihues, der für das städtebauliche Konzept verantwortlich zeichnete und dabei unter den Bedingungen einheitlicher Grundbesitzverhältnisse das Thema "selbständiger Häuser im Block" (Stimmann 1993b, S. 1129) entwickelte. Dieses Konzept gewann seine architektonische Gestalt unter Beteiligung von jeweils drei weiteren Architekturbüros, die in beiden Fällen einige noch vorhandene Fragmente der Vorkriegsbebauung zu ergänzen hatten. "Mit der Kombination selbständiger Häuser in einem eigentumsrechtlich einheitlichen Block verbindet sich die Hoffnung, die Dialektik von Tradition und Innovation auf dem Gebiet der Architektur und des Städtebaus trotz der konzentrierten Besitzverhältnisse wieder in Gang [zu] setzen." (Ebd.)
Am Beispiel des "Kontorhauses Mitte", das aus einem vom Senat 1991 durchgeführten zweistufigen Investoren-/Architektenwettbewerb hervorging, erläuterte Josef Paul Kleihues dieses Planungskonzept: "Wo die Parzelle als Einzeleigentum nicht mehr existiert oder Nutzungsansprüche nach größerer Einheit verlangen, kann die künstliche Teilung in Parzellen auch mit dem Hinweis auf 'historische Verpflichtung' nicht ausreichend begründet werden. Verständlich aber bleibt das begründbare Streben nach architektonischer Vielfalt, oder besser gesagt: nach Vielfalt in der Einheit. Dies aber ist mit künstlicher Parzellisierung kaum zu gewährleisten. Deshalb soll hier vom Prinzip des Baukastens die Rede sein, dessen funktionales und formales Regelwerk die Kombination individueller Gebäudeeinheiten verfolgt. [...] Es ist das Prinzip Baukasten, welches die einzelnen architektonischen Bausteine zur lebendigen Vielfalt in der Einheit verbindet und in welchem der vorhandene Altbau eine Integration erfährt, welche über das Denken in Parzellen hinausweist. Lebensfreude und Großstadtatmosphäre zu vermitteln, dazu sollten das Nutzungskonzept und die architektonische Qualität der Ergänzung des Blocks 109 an der Friedrichstraße beitragen." (In Aedes 1993, S. 10) Das Nutzungskonzept des "Kontorhauses" ist typisch für das Baugeschehen in der Friedrichstraße. "Urbanität durch die Integration komplementärer Nutzungen" lautet das Ziel des Projektträgers. Entstehen werden "Boulevardgeschäfte für höchste Ansprüche, Kunsthaus mit Galerien und Verlagen, internationale Gastronomie, qualitativ hochwertige City-Wohnungen" (Claus Bachmann, GERMANICA Projektgesellschaft mbG, in Aedes 1993, S. 3).
Exemplarisch für das Konzept der kritischen Rekonstruktion ist auch das Ergebnis des 1992 vom Senat ausgelobten städtebaulichen Ideenwettbewerbs für den "Bahnhofsbereich Friedrichstraße" zwischen der Straße Unter den Linden im Süden und dem Bertolt-Brecht-Platz im Norden. Aus dreizehn Arbeiten wählte das Preisgericht am 3. Februar 1993 diejenige von Johanne und Gernot Nalbach aus, die auf eine Ergänzung der Bebauung entlang der historischen Baufluchten und entsprechend dem um die Jahrhundertwende ausgeprägten Höhenprofil zielt. Neben vielfältigen gewerblichen Nutzungen sehen die Architekten auch den geforderten Wohnanteil von 20 Prozent vor. In diesem Entwurf haben die Hochhäuser des Hotels "Metropol" und des Internationalen Handelszentrums Bestand - allerdings sollen sie anstelle der vorgelagerten Flachbauten durch Neubauten ergänzt werden, die den unterbrochenen Bebauungszusammenhang und das traditionelle Straßenprofil wiederherstellen. Alternative Konzepte, die an die Hochhausträume der zwanziger Jahre erinnerten - Dirk Lohan, ein Enkel von Ludwig Mies van der Rohe, zitierte sogar dessen Wettbewerbsentwurf aus dem Jahre 1922 - oder sich durch andere städtebauliche Figuren von der fragmentarisch noch vorhandenen Vorkriegsbebauung distanzierten, konnten sich in diesem Wettbewerb nicht durchsetzen. Der prämierte Entwurf ist inzwischen in einen städtebaulichen Rahmenplan transformiert worden, der eine Grundlage für alle weiteren Planungen und Baugenehmigungen darstellt. Bereits in der Realisierung befindet sich die Rekonstruktion des Hotels einschließlich einer Umbauung des Hochhauses, die sich in das Konzept der Wettbewerbsgewinner einfügt. Mit diesem nicht vereinbar ist hingegen die im Rahmenplan vorgesehene Neugestaltung des Vorfeldes des Handelszentrums nach Plänen von Christoph Langhof durch vier quer zur Friedrichstraße gestellte, durch Glasdächer verbundene Gebäudezeilen, deren Höhe zum Stadtbahnviadukt hin ansteigt. Diese Idee geht auf den im Wettbewerb mit einem zweiten Preis ausgezeichneten Entwurf Langhofs zurück, den die Jury an dieser Stelle für geeigneter hielt.
An symbolträchtiger Stelle ist das größte Neubauprojekt an der Friedrichstraße im Entstehen: das "American Business Center" am Checkpoint Charlie, an jenem ehemaligen Grenzübergang für Ausländer, der weltweit Bekanntheit erlangt hat. Der amerikanische Investor, die Central European Development Corporation (CEDC), bekundete bereits wenige Monate nach Öffnung der Berliner Mauer Interesse an diesem Gelände. "Die Steinwüste, die sich hier mitten im Herzen Berlins wie eine Narbe ausgebreitet hat, wollen wir entfernen und so endlich die Stadt wieder reparieren", mit diesen Worten umriß Abraham Rosenthal, Geschäftsführer der CEDC, das Ziel (zit. nach Reinsch 1992). Die vom Senat neu eingerichtete Stabsstelle zur Betreuung privater Großinvestoren, der Koordinierungsausschuß für innerstädtische Investitionen (KOAI), war bemüht, das Projekt zügig voranzubringen. Die Architekten für drei der vier Blöcke wurden 1992 in einem beschränkten Wettbewerb ausgewählt (David M. Childs, Jürgen Engel, Ulrike Lauber und Wolfram Wöhr sowie Günther Bender und Gisela Glass). Mit der Planung des vierten Blocks wurde Philip Johnson direkt beauftragt.
"Dieser Moment ist wohl für uns alle ein ganz besonderer. An diesem Ort, an dem einst amerikanische Panzer die Freiheit verteidigten, werden bald amerikanische Geschäftsleute ihre Büros eröffnen", bemerkte Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen anläßlich der Bekanntgabe der Wettbewerbsgewinner am 2. Oktober 1992 (zit. nach Reinsch 1992), die mit der symbolischen Grundsteinlegung verbunden wurde. Die eigentlichen Bauarbeiten begannen allerdings erst 1994 und sollen bis 1998 zum Abschluß gebracht werden. Das Bauvolumen ist mit einer überbauten Fläche von 20.000 Quadratmetern und einer Bruttogeschoßfläche von 180.000 Quadratmetern (davon 60.000 Quadratmeter unterirdisch) in der Tat gewaltig. Die vorherrschende Nutzung werden Büros (65 Prozent der Fläche) sein, außerdem entstehen Wohnungen (20 Prozent) sowie Läden, Galerien, Restaurants und Cafés (15 Prozent). Über 3.500 Arbeitsplätze sollen angeboten werden.
Bausenator Wolfgang Nagel lobte die "berlinische Haltung" (zit. nach Reinsch 1992) der Wettbewerbsgewinner und Investoren und meinte damit die Einhaltung des städtebaulichen Regelwerks der "kritischen Rekonstruktion". Tatsächlich respektieren die Neubauten den Stadtgrundriß und das traditionelle Höhenprofil, und auch der übliche zwanzigprozentige Wohnanteil wird erreicht. Radikal verändert wird allerdings ähnlich wie bei den "FriedrichstadtPassagen" das historische Parzellen- und Bebauungsgefüge: Dieses wird durch die Bildung von vier - nur durch Straßen voneinander getrennten - Riesenparzellen mit einer Bebauung, die infolge der Beteiligung von lediglich vier Architekturbüros relativ gleichförmig ausfällt, stark nivelliert. Lediglich der Eigentümer des in stadträumlich prominenter Lage an der Einmündung der Mauerstraße in die Friedrichstraße gelegenen Grundstückes widersetzte sich mit Erfolg dem Expansionsstreben der CEDC und beauftragte Josef Paul Kleihues mit dem Entwurf für das Wohn- und Geschäftshaus "Triangel".
Weitgehend getilgt wurde die Erinnerung an die einstige Grenzübergangsstelle, die wie nur wenige andere Abschnitte der Berliner Mauer die Teilung der Stadt symbolisierte. Die Chance, durch die Integration von Teilen der Grenzanlagen in die Neugestaltung des Areals die Erinnerung an diese Narbe inmitten der Stadt auch künftig wachzuhalten, wurde leichtfertig verspielt. Die beabsichtigte Schaffung einer Gedenkstätte im Innern eines der Neubaublocks wird kaum mehr einen authentischen Eindruck von der einmaligen Atmosphäre dieses Ortes vermitteln können.
Vergleichsweise bescheiden stellt sich heute das Planungs- und Baugeschehen in der südlichen Friedrichstadt dar, die noch in den achtziger Jahren das Interesse der Fachleute aus aller Welt auf sich zog, als hier im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 1984/87 die Kleihuessche Variante der "kritischen Rekonstruktion" in großem Maßstab gebaute Wirklichkeit wurde. Die Wiedergewinnung der "Innenstadt als Wohnort" war damals das oberste Ziel. Erneut in das Blickfeld der Planer geriet jedoch der Mehringplatz, der südliche Endpunkt der Friedrichstraße. Nach schweren Kriegsschäden hatte dieser Bereich in den Jahren 1967-75 eine vollkommen neue Gestalt erhalten. Die eine städtebauliche Idee Hans Scharouns aufgreifende Planung Werner Düttmanns hatte zwar die runde Platzform wiederaufgenommen. Der Platz war jedoch von der Lindenstraße und Wilhelmstraße quasi "abgehängt" und - mit Blick auf eine geplante Stadtautobahn in Ost-West-Richtung - durch eine Hochhausbebauung von der übrigen Friedrichstadt stadträumlich isoliert worden. Das 1991 von Justus Burtin und Julius Spangenberg vorgelegte Gutachten "Das Projekt Mehringplatz" führte das Planungskonzept der sechziger Jahre weiter und stellte eine bauliche Verdichtung (auch durch weitere Hochhäuser) zur Diskussion. Zusätzliche Verdichtungsvarianten brachte das "Kooperative Planungsverfahren Mehringplatz", an dem neben drei Architekturbüros und weiteren Sachverständigen Vertreter des Senats und Bezirks sowie der Eigentümer und Mieter teilnahmen (Ergebnis dokumentiert in Burtin 1994). Im Februar 1993 präsentierten die drei eingeladenen Büros ihre Konzepte für Ergänzungsbauten mit einer Bruttogeschoßfläche von jeweils etwa 100.000 Quadratmetern (!) - Vorschläge, die in Anbetracht der vorhandenen Bebauungs- und Wohndichte sowie der ohnehin schon starken Beeinträchtigung der friedrichstädtischen Silhouette durch die Hochhausmassierung rings um das einstige "Rondell" zu Recht Widerspruch hervorriefen. Gewiß bestehen einige Möglichkeiten für kleinteilige Ergänzungsbauten, so etwa auf dem Parkplatz der Allgemeinen Ortskrankenkasse zur Wilhelmstraße hin. In der vorgeschlagenen Größenordnung ist eine Nachverdichtung jedoch nicht mit der vor allem für die Hochhausbewohner anzustrebenden Wohnumfeldverbesserung vereinbar. Die in allen drei Entwürfen vorgesehenen Hochhäuser würden überdies den durch die Neubebauung in den sechziger Jahren vollzogenen Maßstabsbruch und die damit einhergegangene Beschädigung des Stadtgrundrisses noch verstärken.
Eine kritische Bewertung der neuen Friedrichstraße kann nicht nur deren städtebaulich- architektonische Gestalt betrachten, sondern darf auch die Straße als sozialen Raum nicht aus dem Auge verlieren. Wem gehört die Friedrichstraße? Wer wird hier wohnen, arbeiten, einkaufen, bummeln und so weiter? Die Beantwortung dieser Fragen ist für die Beurteilung der Qualität der neuen Friedrichstraße nicht minder wichtig als der Diskurs über die kritische Rekonstruktion. Bezeichnend für die Entwicklung, die inzwischen an verschiedenen Stellen steinerne Gestalt annimmt, ist gewiß die Prognose des Senatsbaudirektors: In der Vision des Sozialdemokraten Hans Stimmann erscheint die Friedrichstraße der Zukunft als "eine für das neue Berlin höchst attraktive Geschäftsstraße" - als "der Ort der mittleren und höheren Angestellten aus Ministerien und Vorstandsetagen, ein Ort der Lobbyisten, der Banken und Versicherungen, der Parteien, der Museen und der Universitätsinstitute" (1993b, S. 1129).
Die einfachen Menschen, die "normalen" Bürger der Stadt und der Region kommen in diesem Bild einer exklusiven Geschäftsstraße nicht einmal als Passanten vor. Das ist durchaus konsequent - schließlich werden die neuentstehenden, privat finanzierten und dementsprechend teuren Wohnungen nur für wenige erschwinglich sein, und die Vorstellung des Wohnens quasi "auf dem Dach" - oberhalb von fünf oder sechs Geschäfts- und Büroetagen - wird auch nicht jedermann zusagen. Teuer werden nicht nur die Mieten der neuen Wohnungen, sondern auch die Mieten der neuen Läden und Büros sein - so werden auch die hier entstehenden Arbeitsplätze sowie Einkaufs- und Dienstleistungsangebote in erster Linie das "gehobene Publikum" ansprechen.
Ein Schlüsselprojekt der "kritischen Rekonstruktion" der Friedrichstadt ist schließlich der Umgang mit der Leipziger Straße. Zu Zeiten der DDR wurde durch die Neugestaltung der Leipziger Straße zwischen Spittelmarkt und Charlottenstraße das barocke, wenig hierarchische Straßennetz erheblich beschädigt. Allerdings wurde damit auch eine neue städtebauliche Figur geschaffen, die als "moderne" Variante der Stalinallee gelten kann: als städtische, funktionsgemischte Straße, die jedoch auf das Umfeld keine Rücksicht mehr nimmt.
Im Oktober 1992 legte das Mailänder Architekturbüro Gregotti Associati Int. ein städtebauliches Gutachten zur Leipziger Straße "von der Wilhelmstraße bis zur Getraudenbrücke und Spittelmarkt" vor. In diesem Gutachten wurde davon abgeraten, nostalgisch die Vergangenheit zu rekonstruieren, da die Leipziger Straße ihre historischen Merkmale und Bezüge im Kontext der Friedrichstadt verloren habe. Das Gutachten warb für eine Akzeptanz der neuen Leipziger Straße, deren Bedeutung allerdings zu verändern wäre - zum Beispiel in Richtung eines "großen langgestreckten Platzes", der im Osten durch den Spittelmarkt und im Westen durch neue Baukörper begrenz werden könnte.
Dieses Gutachten fand bei den zuständigen Senatsverwaltungen allerdings wenig Beachtung. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz forderte vier Büros auf, in einem städtebaulichen Ideenwettbewerb Neugestaltungsvorschläge zu präsentieren. Prämiert wurde Anfang November 1992 das Konzept von Hans Kollhoff und Helga Timmermann, nach dem die Leipziger Straße von heute 60 Meter auf eine Breite von 22 Metern zurückgebaut werden sollte - mit neuen, siebengeschossigen Gebäuden auf der nördlichen Straßeseite (22 Meter Traufhöhe). Für diese Neubebauung wurde folgendes Raumprogramm angegeben: 42.691 Quadratmeter Ladenfläche, 68.428 Quadratmeter Wohnfläche (700 Wohnungen) und 182.969 Quadratmeter Bürofläche. Die künftige Leipziger Straße sollte jeweils zwei Fahrspuren und eine Trasse für die Straßenbahn erhalten. Zwischen den Neubauten und der vorhandenen Hochhausbebauung auf der Nordseite war eine neue, 18 Meter breite Erschließungsstraße vorgesehen.
Diese Vorschläge fanden ein kontroverses Echo: Umstritten sind bis heute sowohl der Rückbau der Fahrbahnen als auch die bauliche Verdichtung. Insbesondere der Verkehrssenator machte sich zum Anwalt derer, die den Erhalt der Leipziger Straße als Hauptverkehrsstraße in der heutigen Breite forderten. Streitbar ist zweifellos die von Kollhoff und Timmermann vorgeschlagene Neubebauung im Norden der zurückgebauten Leipziger Straße. Damit knüpfen sie zwar an das im Stadtbild heute nur noch durch wenige Gebäude präsente Raumgefüge der Vorkriegszeit an, das durch die Neugestaltung der siebziger Jahre negiert wurde. Das Ergebnis dieser Neugestaltung stellt jedoch ein ausgereiftes städtebauliches Zeitdokument dar, das jede Planung auch im Interesse der dort lebenden und arbeitenden Menschen zu berücksichtigen hat. Der Freiraum vor den Hochhäusern zum Beispiel ist zweifellos eine wichtige, bewahrenswerte Qualität. "Viel Schatten, wenig Licht!" - mit diesen Worten charakterisierte Joachim Eichstätt von der "Betroffenen-Initiative Leipziger Straße" denn auch den preisgekrönten Entwurf (zit. nach Der Tagesspiegel, Beilage "Kiez" N vom 7.10.1993). Aber auch von seiten des Bezirksamtes Mitte erntete das Verdichtungskonzept entschiedene Kritik: "Progressiv mit dem Stadtgrundriß umzugehen heißt nicht in jedem Fall, barocke Stadtstrukturen wiederherzustellen" (zit. nach Der Tagesspiegel vom 24.11.1992).
Gewiß ist die Reduzierung des Verkehrs im Sinne der Wohn-, Einkaufs- und Dienstleistungsnutzungen dringend geboten, der Rückbau der Fahrspuren und die Verbesserung des öffentlichen Verkehrs durch eine Wiederkehr der Straßenbahn also unbedingt anzustreben. Auf eine bauliche Verdichtung des Hochhausensembles sollte hingegen verzichtet werden; die Bauaktivitäten sollten auf die brachliegenden Bereiche westlich der Friedrichstraße beschränkt bleiben. Die durch den Straßenrückbau gewonnenen Flächen könnten das grüne Vorfeld der Hochhäuser erweitern - vor allem auf der sonnigen Nordseite der Straße. "Eine grüne Promenade zwischen Friedrichstraße und Spittelmarkt" (Wilczok 1993) wäre das auch von vielen Anwohnern gewünschte Ergebnis.
Während die Umgestaltung der Leipziger Straße nach wie vor kontrovers diskutiert wird, hat die Sanierung des Gebäudebestandes durch die städtische Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte bereits begonnen. Inzwischen haben zwei der Hochhausscheiben im Norden eine vollkommen neue Außenhaut erhalten. Gewiß stellen die zu Wintergärten umgebauten Balkone eine Verbesserung der Wohnqualität an der verkehrsreichen Straße dar. Die Glätte und das vorherrschende Grau der kaum gegliederten Fassaden läßt die Häuser heute allerdings kühl und abweisend wirken. Die ursprüngliche und an den bisher nicht erneuerten Gebäuden noch zu besichtigende Gestaltung mit den hellen Farben und der architektonischen Gliederung vermittelt demgegenüber ein geradezu heiteres und freundliches Bild, das allerdings durch die Einheitlichkeit der Formen getrübt wird. Zwei der vier Hochhäuser auf der südlichen Straßenseite verkaufte die Wohnungsbaugesellschaft Ende 1993 an einen privaten Unternehmer, der sich zur Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen verpflichtet hat. Notwendig geworden war dieser Schritt aufgrund des Altschuldengesetzes des Bundes, das eine Privatisierung von Teilen des Wohnungsbestandes fordert. Mit dem Verkaufserlös soll die Sanierung der beiden im kommunalen Eigentum verbleibenden Häuser finanziert werden.
Südlich der Leipziger Straße hält neues Leben Einzug in das alte Berliner Zeitungsviertel. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich hier unmittelbar an der Sektorengrenze lediglich der Axel-Springer-Verlag ein neues Domizil errichtet (1961-66) - mit einem gewaltigen Hochhaus, dessen werbende Aufschriften weit nach Ost-Berlin ausstrahlen sollten: eine Geste des kalten Krieges, die wenige Jahre später durch die Hochhausbebauung der Leipziger Straße beantwortet wurde. Ebenfalls in der Kochstraße bezog die alternative "tageszeitung" in den achtziger Jahren einen Neubau. Nach 1989 zog das wohl berühmteste historische Gebäude des Zeitungsviertels erneut Aufmerksamkeit auf sich: das "Mosse-Haus" in der Schützenstraße, dessen Kriegswunden nur notdürftig repariert worden waren. Sowohl der weitgehende Verlust der originalen Gestalt als auch die abseitige Lage zwischen den Hochhäusern der Leipziger Straße und der Berliner Mauer hatten den Bau weithin in Vergessenheit geraten lassen. Im Juni 1993 begann der private Eigentümer mit der Wiederherstellung des geschichtsträchtigen Druck- und Verlagshauses, das Teil eines den gesamten, großteils brachliegenden Block umfassenden Projektes für ein "Medien- und Geschäftszentrum" ist. Seit Anfang 1995 ist das Ergebnis des Versuches zu besichtigen, den Zustand des Altbaus nach dem in den zwanziger Jahren erfolgten Umbau zu rekonstruieren - leider mit Mängeln hinsichtlich mancher Details, die im Entwurf Erich Mendelsohns eine entscheidende Rolle spielten. Fertiggestellt wurde auch ein erster Abschnitt der ergänzenden, umfangreichen Neubebauung, die noch im Verlauf der neunziger Jahre abgeschlossen werden soll. Insgesamt wird dann im "Mosse-Zentrum" eine Nettogeschoßfläche von etwa 64.000 Quadratmetern zur Verfügung stehen, davon 13,5 Prozent für Wohnungen, 81 Prozent für Büro- und Druckereiflächen und 5,5 Prozent für Läden, Praxen und Galerien. Vor allem aus dem Verlags- und Fernsehbereich sollen das künftige Nutzungsprofil entscheidend prägen. Während sich die Neubauten hier an die Höhe der "Berliner Trauflinie" halten, wiederholt der kürzlich - aufgrund des Bebauungsplans aus den sechziger Jahren! - errichtete zwanziggeschossige Erweiterungsbau des Springer-Verlags den übersteigerten Maßstab des älteren Hochhauses.
In das Blickfeld der Hauptstadtplaner rückte das frühere Regierungsviertel im Umkreis der Wilhelmstraße. Auf den ersten Blick erinnern hier heute lediglich die aus der Zeit des "Dritten Reiches" überkommenen Großbauten des ehemaligen Reichsluftfahrtministeriums und des ehemaligen Reichspropagandaministeriums (Mauerstraße) an die einstige Bedeutung dieses Ortes. Im übrigen hatte die Wilhelmstraße im Zuge der Ende der achtziger Jahre begonnenen Neugestaltung als innerstädtische Wohn- und Geschäftsstraße ein vollkommen neues Gesicht erhalten.
Nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten bezog die Treuhandanstalt das Gebäude des Luftfahrtministeriums; künftig wird hier das Bundesfinanzministerium sein Domizil haben. Das frühere Propagandaministerium wurde zum Amtssitz des Umweltbundesamtes und wird künftig das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beherbergen. Das Interesse der Hauptstadtplaner wandte sich bald auch den früheren Ministergärten zu, die zum Teil in die Grenzsicherungsanlagen der DDR einbezogen gewesen waren. Die Nähe zum künftigen Parlaments- und Regierungsviertel am Spreebogen ließ diesen Bereich für die Unterbringung von Hauptstadtfunktionen als besonders geeignet erscheinen. Ein 1993 von den Senatsverwaltungen für Bau- und Wohnungswesen sowie Stadtentwicklung und Umweltschutz gemeinsam durchgeführtes Gutachterverfahren sollte Ideen für den Umgang mit diesem historisch sensiblen Gelände bringen, das im gleichen Jahr in die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme für das Parlaments- und Regierungsviertel einbezogen wurde. Aus den Konzepten der drei beteiligten Büros wurde schließlich der städtebauliche Entwurf von Hildebrand Machleidt + Partner (mit Wolfgang Schäche und Cornelia Müller) als Grundlage für die Aufstellung von zwei Bebauungsplänen ausgewählt. "Ziel der Planung ist es, auf den Flächen der ehemaligen Ministergärten ein Denkmal für die ermordeten Juden Europas zu errichten und einen Teil der Vertretungen der Bundesländer in der Hauptstadt anzusiedeln. Nachdem anfängliche Überlegungen, beispielsweise das Außenministerium hier zu errichten, verworfen wurden, erschien diese Konzeption dem politischen Gewicht des Ortes und seiner morphologischen Besonderheit besonders angemessen. Der vorliegende städtebauliche Entwurf versucht sich an der Stadtgeschichte zu orientieren. Dabei wird die charakteristische Verzahnung der Friedrichstadt mit dem Tiergarten über das Areal der 'Ministergärten' aufgegriffen und neu interpretiert." (Machleidt 1994)
Der Entwurf gliedert das Gelände in drei Teile: Die Fläche im Süden der Behrenstraße ist für das Denkmal reserviert. Südlich davon werden die Vertretungen von zwölf Bundesländern "als palaisartige Solitärbauten" (ebd.) angeordnet und durch Grünflächen abgerundet. Im Osten ist eine Ergänzung des vorhandenen Wohnquartiers insbesondere durch neue Wohngebäude vorgesehen. Aber auch das alte Thema eines Straßendurchbruchs im Bereich der Ministergärten erlebt in diesem Entwurf seine Renaissance - in Form einer breiten, in der gedachten Verlängerung der Französischen Straße liegenden Baumallee zwischen Wilhelmstraße und Ebertstraße. "Diese Verbindung wird im Bebauungsplan als Option für den Straßenverkehr offengehalten." (Lautenschläger 1994, S. 23)
Außerordentlich große Resonanz fand der 1994 für die Gestaltung des Holocaust-Mahnmals von der Bundesrepublik Deutschland, dem Land Berlin und dem Förderkreis zur Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas e. V. gemeinsam ausgelobte künstlerische Wettbewerb. Das Preisgericht konnte sich allerdings im März 1995 unter den 528 eingereichten Arbeiten nicht zu einer eindeutigen Entscheidung durchringen und vergab zwei erste Preise, zum einen an den Architekten Simon Ungers, zum anderen an die Architekten- und Künstlergruppe Christine Jackob-Marks, Hella Rolfes, Hans Scheib und Reinhard Stangl. Simon Ungers schlägt die Gestaltung eines Platzes vor, der von Stahlbalken umschlossen wird, die mit den Namen der Vernichtungslager perforiert sind. Der Entwurf der Gruppe sieht eine riesige, schräg ansteigende Betonplatte vor, in die die Namen der Juden (soweit bekannt) eingraviert werden, die dem Rassenwahn der Nationalsozialisten zum Opfer fielen.
Ungewiß ist die Zukunft eines aus der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft überkommenen Denkmals in dem für die Errichtung der Ländervertretungen vorgesehenen Bereich: der nach dem Abriß der Ruine der Neuen Reichskanzlei erhalten gebliebenen Bunkeranlagen und Überreste eines Innenhofes. Die Frage des Umgangs mit diesen unterirdischen Anlagen wird seit der im Frühjahr 1992 erfolgten Freilegung und Untersuchung durch das Archäologische Landesamt kontrovers diskutiert. Indessen ist die Erhaltung dieser letzten Reste der Neuen Reichskanzlei dringend geboten: angesichts der herausragenden Bedeutung, die dem Amtssitz des "Führers" unter den Schaltstellen der Macht im Umfeld der Wilhelmstraße zukam, aber auch im räumlichen Zusammenhang mit dem geplanten Erinnerungsmal für die Opfer der nationalsozialistischen Rassenpolitik. "Es darf nicht dazu kommen, daß im Schatten des geplanten Mahnmals ein historisch entsorgtes Gelände mit schicken Landesvertretungen in gefälligen Gärten liegen wird. Ein derartiges Umfeld würde dem Holocaust-Mahnmal eine Alibifunktion förmlich aufzwingen. Das verdienen weder der geschichtsträchtige Boden noch das Mahnmal." (Alfred Kernd'l, ehemaliger Wissenschaftlicher Direktor des Archäologischen Landesamtes, 1995)
Die Dorotheen-/Friedrichstadt ist auf dem Weg, wieder zum Herzstück der Berliner City zu werden - zum zentralen Bereich der Berliner "Geschäftsstadt", wie Willy Lesser diesen Bezirk am Ende der Kaiserzeit beschrieb. In der Tat hat die Bautätigkeit der letzten Jahre beeindruckende Dimensionen erreicht, insbesondere in der Friedrichstraße, die in weiten Teilen zu einer großen Baustelle geworden ist. Kritik an der Form dieser Bautätigkeit ist jedoch angebracht.
Die von seiten der Senatsbauverwaltung zum städtebaulichen Leitbild erhobene "kritische Rekonstruktion der Stadt" ist gewiß im Grundsatz eine brauchbare Strategie zur Wiedergewinnung verlorengegangener Qualitäten und damit zur Stärkung der besonderen städtebaulichen Eigenart der Dorotheen-/Friedrichstadt. Dabei ist dieses Konzept keineswegs eine ausschließlich "westliche" Erfindung, die erst nach der "Wende" dem Ostteil Berlins segensreich zuteil geworden wäre - so der irreführende Eindruck, den viele veröffentlichte Stimmen erwecken. Tatsächlich hat die "kritische Rekonstruktion" - das zeigt der Blick zurück - ihre Traditionen auch in der Ost-Berliner Planungs- und Baugeschichte.
In Zukunft gilt es, gerade den kritischen Charakter der Rekonstruktion stärker zu betonen und die einseitige Orientierung der letzten Jahre auf den Vorkriegszustand zu überwinden. Denn auch die Produkte der Stadtbau- und Architekturgeschichte der letzten fünfzig Jahre dürfen nicht einfach negiert werden. Selbst die überkommenen Reste der Vorkriegsbebauung stellen sich keineswegs einheitlich dar, sondern vermitteln ein schillerndes, an Widersprüchen und Brüchen reiches Bild. Planungsziel sollte es heute sein, diese komplexe Entwicklung auch künftig im Stadtbild ablesbar zu erhalten. Das dieser Situation angemessene Leitbild wäre also die "ungleichzeitige Stadt", in der für die Schöpfungen der unterschiedlichen stadtbaugeschichtlichen Epochen aus drei Jahrhunderten Platz ist. Das gilt auch für manche Zeugnisse des Städtebaus und der Architektur der DDR (zum Beispiel in der Straße Unter den Linden, der Friedrichstraße und der Leipziger Straße sowie am Gendarmenmarkt), denen derzeit eine übereilte kulturelle Entwertung widerfährt, obwohl sie nicht nur wichtige stadtbau- und zeitgeschichtliche Dokumente, sondern auch bedeutende Wohnungsbestände bzw. anderweitig nutzbare Ressourcen darstellen. Anspruch auf eine angemessene Würdigung ihrer ästhetischen Qualitäten und ihrer Nutzbarkeit haben auch einige Freiraumgestaltungen aus der DDR-Ära, in erster Linie der Gendarmenmarkt und der Opernplatz. Die Wiederherstellung eines längst vergangenen Vorkriegszustandes - wie von der Berliner Gartendenkmalpflege für den Gendarmenmarkt angestrebt - wäre daher ein höchst zweifelhaftes Unterfangen und würde eine historische Kontinuität im Platzbild vortäuschen, die in Anbetracht der durch den Zweiten Weltkrieg verursachten Verwüstungen und der danach erfolgten bewußten Neugestaltung im Widerspruch zum tatsächlichen Verlauf der Geschichte stünde.
Defizite weist die bisherige Interpretation der "kritischen Rekonstruktion" aber auch in der Gestalt der Neubauten auf. Die Tendenz zur Bildung von Großparzellen korrespondiert vielerorts mit einem Bebauungsmaßstab, der mit der traditionellen Kleinteiligkeit des Parzellen-, Nutzungs- und Bebauungsgefüges bricht. Architektonische Großformen haben gewiß ihre Berechtigung bei bestimmten Bauaufgaben (wie zum Beispiel dem Neubau eines Kaufhauses), sollten im Stadtraum der Dorotheen-/Friedrichstadt jedoch die Ausnahme bleiben. Das von Josef Paul Kleihues entwickelte "Prinzip des Baukastens" stellt zumindest eine formale Alternative für Blöcke mit einem Eigentümer dar. Aber auch die Instrumente des städtebaulichen Denkmalschutzes und der baugestalterischen Regelwerke könnten einen Beitrag zur Wiedergewinnung der die historische Dorotheen-/Friedrichstadt prägenden Kleinteiligkeit leisten.
Ein wichtiges Anliegen ist schließlich auch die Sicherung der aus der DDR-Zeit überkommenen, überwiegend noch im Eigentum städtischer Wohnungsbaugesellschaften befindlichen Wohnungen für die Zukunft. Die Existenz eines großen, für breite Schichten der Bevölkerung erschwinglichen Wohnungsbestandes im Stadtzentrum stellt eine soziale Qualität dar, die in westdeutschen und westeuropäischen Großstädten alles andere als selbstverständlich ist und im derzeitigen Baugeschehen keine Entsprechung mehr findet. In den neuentstehenden Büro- und Geschäftshäusern spielt das Wohnen nur noch eine untergeordnete Rolle. Gewiß stellt die Durchsetzung eines Wohnanteils von 20 Prozent (in manchen Projekten auch weniger oder überhaupt keine Wohnfläche) schon einen gewissen Erfolg im Vergleich zu den Neubauten in den Zentren vieler anderer Städte dar. Um das Stadtbild, die Nutzungsstruktur und das städtische Leben - vor allem in den Abendstunden - aber wirklich mitzuprägen, ist dieser Anteil allerdings zu gering. Überdies wird über den hohen Mietpreis der Zugang beschränkt und "soziale Mischung" verhindert.
Für die Genehmigung von Bauvorhaben nach § 34 des Baugesetzbuches ist eine Bürgerbeteiligung nicht vorgesehen und findet auch faktisch nicht statt. Gewiß besteht an Informationen über die Cityprojekte kein Mangel. Zeitungen und Zeitschriften sind voll von Berichten, die Senatsverwaltungen veröffentlichen Broschüren, veranstalten Ausstellungen und laden zu Baustellenbesichtigungen ein. In Fachkreisen wurden engagierte Diskussionen geführt, die ihren Ort beispielsweise in den abendlichen "Architekturgesprächen" des Bausenators und im "Stadtforum" des Stadtentwicklungssenators haben. Eine Einbeziehung der allgemeinen Öffentlichkeit in die Planungen für die alt-neue City Berlins findet hingegen kaum statt. Die vermehrte Aufstellung von Bebauungsplänen, in deren Verfahren die Beteiligung der Bürger gesetzlich vorgeschrieben ist, könnte hier Abhilfe schaffen und zugleich höhere Wohnanteile in den Neubauten durchsetzen.
Aber auch die informellen Planungen (wie zum Beispiel die städtebaulichen Strukturkonzepte) bedürfen der öffentlichen Erörterung, stellen sie doch wichtige Grundlagen für die Aufstellung von Bebauungsplänen und für die Anwendung der "Einfügungsklausel" des § 34 des Baugesetzbuches im konkreten stadträumlichen Zusammenhang dar. Daß eine breite öffentliche und politische Diskussion von den Entscheidungsträgern nicht einfach ignoriert werden kann, hat das Verfahren für den Bebauungsplan "Pariser Platz" (mit den darin integrierten Baugestaltungsvorschriften) gezeigt. Die zeitweilig äußerst heftig geführte Diskussion hatte Folgen: Zum einen förderte sie die Herausbildung eines gesellschaftlichen Konsenses über das grundlegende Ziel einer gegenüber dem historischen Charakter dieses Stadtraums und seines beherrschenden Bauwerks sensiblen Rekonstruktion. Zum anderen führte der Streit auch zu einigen nicht unwesentlichen Änderungen am Entwurf des gestalterischen Regelwerks. Unabhängig von der persönlichen Beurteilung dieser Änderungen belegt dieser Fall die Erfolgschancen demokratischer Planungsprozesse.