Die Publikation dokumentiert die Ausstellung „Im Gleichschritt: Der Architekten- und Ingenieur-Verein zu Berlin im Nationalsozialismus“, die am 6. Dezember 2023 im Architekturmuseum der TU Berlin eröffnet wurde. Sie zeigt am Beispiel des AIVB die Einbindung der Fachwelt in die NS-Diktatur. Herausgegeben wurde die Publikation von Harald Bodenschatz, Benedikt Goebel und Hans-Dieter Nägelke. Das Projekt geht auf Initiative des Architekten- und Ingenieurvereins zu Berlin-Brandenburg e.V. und des Architekturmuseums der Technischen Universität Berlin zurück. [Volltext]
The architectural heritage is not only a testimony of history but also a mirror of our culture of remembrance today. This applies especially to the legacy of dictatorships. We are currently experiencing a shift in the culture of remembrance in Europe. Significant architectural evidence from the dictatorships of the first half of the 20th century is being re-evaluated, repurposed, and often redesigned. We also see that in the face of an upswing in nationalist movements, the legacy of dictatorships and even professional debates are being unexpectedly repoliticized. [Volltext]
The urban design practices of Europe’s major dictatorships, from the end of the First World War to the end of the Second World War, are not only interesting from a historical perspective. They continue to have long-term effects and to be the subject of a disputed culture of reception. My hypothesis is that we must broaden our research concept in order to develop a satisfactory approach to the field of ‘dictatorships and urban design’. We must overcome the singular national perspective: urban design has always emerged within the context of an international exchange of concepts and ideas, even in times of dictatorship. We must clear our perception of urban design: it is more than just form. The ‘dictatorial’ in urban design demonstrates itself less through products and more through production conditions and processes, such as the establishment of special agencies, provision and supply of special financial means, manner of project implementation and the use of forced labour. For this reason, I propose a distinction between the products and production conditions of urban design under European dictatorships. [Volltext]
Der Städtebau der Diktaturen während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts betraf vor allem die Hauptstädte. Hier konzentrierten sich die wichtigsten städtebaulichen Projekte und großen Planungen, hier ballten sich nicht nur die Institutionen der Diktatur, sondern auch die einflussreichsten Architekten und Städtebauer. Hier wurden in einer scharfen, oft vor den Augen der breiten Öffentlichkeit verborgenen Konkurrenz unter den Fachleuten die großen Auseinandersetzungen um die grundsätzliche Orientierung in der Architektur und im Städtebau ausgetragen. Hier waren oder wurden die einflussreichsten Universitäten, Institutionen und Verbände verortet. Hier waren Änderungen der Rahmenbedingungen besonders schnell fühlbar. Die großen Pläne und Projekte in den Hauptstädten galten oftmals als vorbildhaft im übrigen Land. [Volltext]
„Der Fehrbelliner Platz – ein Anschauungsbeispiel nationalsozialistischen Städtebaus? Auf den ersten Blick scheint es so: Form und Gestalt des Platzes wurden wesentlich in den 30er Jahren geschaffen, die in pompöser Halbkreisform gereihten Fassaden mit ihrer Natursteinkostümierung atmen ohne Zweifel den Geist der braunen Epoche … Doch der Schein, so unsere These, verhüllt die komplexere Realität. So wie der Platz sich heute darbietet, ist er vor allem Ausdruck des gedankenlosen, die Erinnerung verdrängenden Umgangs mit diesem in den 30er Jahren gestalteten Platz während der Nachkriegszeit. […] Verdrängt wird die historische Erinnerung an die Bauherren und deren Streitigkeiten, an den Gebrauch und die Funktion, die diese Bauherren erhofften und die den ‚Stil‘ des Platzes und der Bauten prägten, und an den tatsächlichen Gebrauch des Platzes für ‚Feierlichkeiten‘ und im Alltag, z.B. während des Krieges, während der Besatzungszeit. Was zurückbleibt, ist Erinnerung ohne Leben, ohne Geschichte: eine Gruppierung von bloßen ‚Namen der Bauherren, der Architekten‘, von Genauigkeit und Wissen vorspiegelnden ‚Bebauungsjahren, Bauprogrammen, Baumaterialien, Baukonstruktionen, Baugestalten‘, wie sie sich in Büchern zur Baugeschichte Berlins finden lassen. Die Geschichte eines Platzes hört aber nicht mit seinem Bau auf. Erst das Leben auf dem Platz, in seinen Gebäuden, die gesellschaftliche Stellung der Menschen, die hier verkehren, die alltäglichen und weniger alltäglichen Ereignisse, also der konkrete Gebrauch eines Platzes bringt all diejenigen Facetten hervor, aus denen sich die Bedeutung, das Bild und die spätere Erinnerung an einen Platz zusammensetzen.“ Aus der Einleitung von Harald Bodenschatz und Hans Stimmann. [Volltext]