Das europäische 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert der Diktaturen. Diese waren nicht nur Regime des Terrors, sondern wurden von vielen begrüßt oder geduldet. Denn sie boten ein verlockendes Programm: eine Erinnerung an frühere Größe und ein Versprechen glänzender Zukunft. Dabei spielte der Städtebau eine bis heute unterschätzte Rolle: Er diente der Legitimation der Herrschaft, der Produktion von Zustimmung, der Demonstration von Stärke, Effizienz und Schnelligkeit, er untersetzte die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung, er vermittelte das gesellschaftspolitische Programm im Inland wie Ausland, und er mobilisierte alte wie neue Fachleute. Im neuen städtebaulichen Alltag wurde sichtbar, welche sozialen Schichten ausgegrenzt, verfolgt und eingesperrt wurden – in den neuen Gefängnissen und Konzentrationslagern, in den Zwangsarbeiterlagern, aber auch in den Schlichtwohnsiedlungen weit draußen vor der Stadt. Auch nach dem Fall der Diktaturen bewegte das städtebauliche Erbe dieser Zeit Europa – bis heute. Diktatorischer Städtebau wurde zum widersprüchlichen Gegenstand von Strategien des baulichen wie verbalen Umgangs – des Abrisses, der Transformation, der Rekonstruktion, des Vergessens, des Verdrängens, der Neuinterpretation wie der Verherrlichung. Städtebau und Diktatur ist nicht nur ein historisches Thema.