Die auf das Mittelalter zurückgehende Doppelstadt Berlin-Cölln war nach der Westorientierung der absolutistischen Stadtentwicklung in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ein zweitklassiger Stadtraum im Schatten des Schlosses geworden. Sie wurde daher nach der Erhebung Berlins zur Reichshauptstadt zum Gegenstand radikaler Umbauplanungen. Ziele waren eine Verbesserung des Ost-West-Verkehrs durch Straßendurchbrüche und -erweiterungen, die Überwindung der kleinteiligen, sich gegen eine "moderne" Zentrumsentwicklung sperrende Parzellenstruktur und die Verdrängung der verbliebenen armen Menschen, einfachen Nutzungen und kleinen Gebäude. Leitbild dieser nur fragmentarisch realisierten Ziele war über Jahrzehnte die Angleichung der Altstadt an die City im Bereich der Dorotheen- und Friedrichstadt. Erst mit den Planungen des Generalbauinspektors Albert Speer wurde in der nationalsozialistischen Zeit dieses Leitbild modifiziert: Das gesamte Gebiet des historischen Zentrums zwischen Alexanderplatz und Potsdamer Platz sollte durch ein neues Superzentrum entlang der Nord-Süd-Achse übertrumpft werden. Nach der Teilung Berlins wurde das planerische Leitbild einer Angleichung von Altstadt und City wiederaufgenommen. Der Zentrumsbereich wurde allerdings wieder ausgedehnt - diesmal in Richtung Osten. Er sollte sich vom Brandenburger Tor bis zum Frankfurter Tor erstrecken. Spätestens nach dem Mauerbau wurden diese hochfliegenden Pläne aufgegeben: Das Zentrum Ost- Berlins und damit der DDR insgesamt schrumpfte auf ein Zentrumsband zusammen, das faktisch nur mehr vom Alexanderplatz bis zum Marx-Engels-Platz reichte.
Das historische West-Ost-Gefälle zwischen City und Altstadt wiederholte sich auf der Spreeinsel - als Nord-Süd-Gefälle. Dem höfisch-herrschaftlichen Norden mit dem Schloß stand der stadtbürgerliche Süden mit Rathaus, Petrikirche und Handelsplatz gegenüber. Während sich der Norden seit dem frühen 19. Jahrhundert zur Residenz mit musealem Bereich, nach dem Ersten Weltkrieg zum Ort der Erinnerung an die verflossene Herrschaft der Hohenzollern und damit zur erweiterten Museumslandschaft transformierte, verlor der stadtbürgerliche Süden im Zuge des Aufstiegs der City in der Dorotheen-/Friedrichstadt an Bedeutung. In den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts wurde der südliche Fischerkietz (später "Fischerinsel" genannt) geradezu zum Symbol der "Rückständigkeit" der Altstadt. In der DDR-Zeit wurde der Widerspruch zwischen musealem Norden und "Elendsviertel" im Süden radikal verändert, aber nicht aufgehoben. Dem Kahlschlag auf der "Fischerinsel" folgte eine Wohnbebauung mit Hochhäusern, die im Zweiten Weltkrieg beschädigte Museumsinsel mit Dom und Lustgarten im Norden wurde wiederhergestellt - wenn auch nicht vollständig. Zwischen beiden Extremen verblieb der zunächst leergeräumte Marx- Engels-Platz, der seit den sechziger Jahren als schillernder Herrschaftsraum den westlichen Abschluß des Zentrumsbandes von Ost-Berlin markierte. Südlich dieses Raums erstreckte sich ein letzter, städtebaulich diffuser Rest von Alt-Cölln, der von der Neubebauung der Fischerinsel durch eine gewaltige Schnellstraße getrennt wurde. Mit den Wettbewerben Alexanderplatz und Spreeinsel wurde die Berliner Altstadt nach 1989 erneut Gegenstand städtebaulicher Überlegungen - allerdings ohne vernetzende Gesamtschau, in Form isolierter Projekte.
Das Bild der mittelalterlichen Doppelstadt Berlin-Cölln ist uns sehr fremd geworden. Das liegt nicht nur an den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges und an dem stadtgrundrißvernichtenden Neuaufbau der DDR-Zeit. Bereits der Umbau und die Erweiterungen des Jahrhunderts nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-48) haben die Wahrnehmung der alten Stadt revolutioniert. Dazu kommt die relativ bescheidene Position des mittelalterlichen Berlin in der europäischen Städtehierarchie: Die bürgerliche Doppelstadt war - anders als etwa Magdeburg, anders sogar als ihre Mutterstadt Brandenburg an der Havel - weder durch ihre Bauten noch durch ihre Größe oder Funktion besonders bemerkenswert. Bedeutsam war vor allem der bequeme Übergang über die Spree. Die Flußpassage in Höhe des Mühlendamms bildete das innerstädtische Kernstück der wichtigen Fernhandelsstraße, die im Westen am Teltower Tor in die Stadt Cölln eintrat und am Oderberger Tor im Osten Berlin wieder verließ. Vor dem Oderberger Tor liefen einige Fernstraßen zusammen. Dieser Sammelpunkt wurde später zu einem der prominentesten Plätze Berlins: zum Alexanderplatz.
So verweist vor allem der Mühlendamm auf den Ursprung Berlins, auf die Notwendigkeit, diesen Übergang gegen Störungen und Zerstörungen zu sichern, auf die Chance, von diesem Übergang kommerziell zu profitieren. Die Stadt des Mittelalters war in erster Linie eine Niederlassung des bürgerlichen Handels mit Rast- bzw. Umschlagplätzen. Die Stadt fokussierte den Fernhandelsverkehr, der sich in der Struktur der Hauptstraßen widerspiegelte: im Straßenzug Gertraudenstraße - Mühlendamm - Molkenmarkt - Spandauer Straße sowie - in Richtung Osten nach Oderberg und Frankfurt an der Oder - in der Hauptachse der ausgebauten Stadtanlage, der Oderberger Straße, die in dieser Zeit eine Bühne der reichen Berliner Kaufleute darstellte. Die Kreuzung der Spandauer mit der Oderberger Straße (auch Georgenstraße genannt) bildete zugleich einen Angelpunkt des mittelalterlichen Berlin. Dieser wichtige Ort wurde durch eine politische Einrichtung besetzt, durch das Rathaus, das Haus der bürgerlichen Stadtregierung, und durch die Stätte des bürgerlichen Rechts.
Aber auch die Berliner Rathausecke bildete nicht den zentralen Punkt der Doppelstadt. Es gab einige zentrale Orte, mehrere Rathäuser, mehrere Märkte, mehrere Pfarrkirchen, aber kein absolutes Zentrum. Das lag zum einen an der Doppelstadt Berlin-Cölln, zum anderen an der mittelalterlichen Verdoppelung Berlins nach Norden hin. So war Cölln mit seiner Frühform des Parallelstraßensystems auf den breiten, langgestreckten Platz mit Petrikirche und Rathaus zentriert. Berlin dagegen beherbergte neben dem älteren Markt südlich der Nikolaikirche im Bereich der nördlichen Stadterweiterung einen zweiten Marktplatz bei der Marienkirche. Und zwischen beiden Städten lag der Mühlendamm, der von den Markgrafen zur Erleichterung des Spreeübergangs errichtet worden war. Damit gab es eine ganze Reihe zentraler Orte, die - durch Hauptstraßen miteinander verbunden - die charakteristische Form einer Sichel bildeten. Dazu kam schließlich - im Fixpunkt der Sichel - nach 1307 das gemeinsame Rathaus der beiden Städte auf der Langen Brücke. Schon im Mittelalter war damit der nicht-zentralistische Charakter des Berliner Stadtgrundrisses begründet. Sowohl Cölln wie der ältere Teil Berlins waren nach dem Parallelstraßensystem angelegt. Erst in der Mitte des 13. Jahrhunderts erhielt Berlin mit seiner Erweiterung nach Nordwesten einen Stadtteil mit Baublöcken. Der Grundriß von Berlin-Cölln, so das wohlwollende Urteil von Alfred Schinz, gehört "zu den besten Leistungen mittelalterlichen Städtebaus" (1964, S. 41).
Das bürgerliche Stadtsystem wurde 1443 durch die Anlage der hochgesicherten Zwingburg der Hohenzollern auf der nördlichen Spreeinsel nachhaltig erschüttert. Die Burg befand sich zwar außerhalb der bürgerlichen Doppelstadt, aber durchaus in strategischer Lage. Der neue Herrschaftssitz kontrollierte die Lange Brücke und damit nicht nur einen Spreeübergang, sondern zugleich den Ort, an dem sich durch das gemeinsame Rathaus die bürgerliche Herrschaft der Doppelstadt manifestiert hatte. Damit hatte die neue Burg zunächst eine gewaltige, westlastige Schieflage gegenüber der älteren Bürgerstadt. Sie war seither der Angelpunkt der weiteren Stadtentwicklung, aber noch lange nicht der reale Mittelpunkt der Stadt.
Die Verhältnisse auf der Spreeinsel selbst wurden durch die sich zum Schloß wandelnde Burg umgewälzt: Befanden sich die vornehmsten Stadtlagen des mittelalterlichen Cölln entlang des bürgerlichen Hauptstraßenzuges, so änderte sich dies nach dem Bau der Hohenzollernburg. Seither war die Spreeinsel nicht mehr nur ein Zentrum städtischen Bürgertums, sondern auch Sitz der Landesherrschaft, die die Macht des Stadtbürgertums brach. Der "Berliner Unwille" 1448 war die entscheidende Auseinandersetzung im Kampf zwischen Bürgerstadt und Landesherrschaft, der mit der Niederlage der Bürgerstadt endete. Der Landesherr besetzte - seit 1486 mit ständigem Aufenthalt - nicht nur die Nordhälfte der Spreeinsel, er degradierte zugleich den bürgerlichen Südteil. Zum zentralen Ort der landesherrlichen Repräsentation avancierte der Platz südlich des Schlosses, der spätere Schloßplatz, der zunächst eine Stechbahn für ritterliche Kampfspiele war und im Westen durch das Domstift, die frühere Dominikanerkirche, begrenzt wurde.
Nach der Zeitenwende des Dreißigjährigen Krieges wurde die uns trotz aller Zerstörungen noch vertraute Grundform des historischen Berlin geschaffen: Die Spreeinsel und die erste barocke Stadterweiterung, der verwinkelte Friedrichswerder, bekamen erst nach aufwendigen Entwässerungs- und Kanalisierungsarbeiten die uns heute selbstverständliche Form; das durch Bildbände und das Kulissenspektakel wieder in Erinnerung gerufene Schloß erhielt damals im wesentlichen seine Gestalt; die regelmäßigen Stadterweiterungen der Dorotheen- (seit 1673) und Friedrichstadt (seit 1688) rückten das Schloß in das geographische Zentrum der Stadt; im Norden und Osten entstanden weniger regelmäßig angelegte Vorstädte, von denen uns heute nur mehr die Spandauer Vorstadt ein Begriff ist. Damals wurden auch die berühmten "Mängel" des Berliner Stadtzentrums begründet: die Vernachlässigung der mittelalterlichen Bürgerstadt im Osten, die allerdings zunächst noch gar nicht absehbar war, und die unzureichende Vernetzung der einzelnen Teile der Residenzstadt untereinander, ein Problem, das durch eine der gewaltigsten baulichen Fehlinvestitionen der Berliner Geschichte, den Bau des Festungsgürtels von 1658-83 unter Leitung von Johann Gregor Memhardt, mit verursacht wurde. Der schon seit 1734 wieder abgetragene Festungsgürtel hinterließ uns - neben dem 1662 mit Stadtrecht ausgestatteten Friedrichswerder - einige Stadtplätze mit charakteristisch unregelmäßiger Form: etwa den Spittelmarkt und den Hausvogteiplatz.
Trotz seiner durch die Stadterweiterungen radikal veränderten Lage blieb das Schloß aber zunächst nur eine Insel im neuen Städtearchipel, abgeschirmt von den barocken Stadterweiterungen, vor allem aber abgeschirmt von der alten Stadt. Diese Tradition der Abkapselung widersprach allerdings den neuen Repräsentationsbedürfnissen der preußischen Barockfürsten, die den Widerstand der Bürger nicht mehr fürchten mußten. Gefragt war ein neues Verhältnis zwischen Stadt und Schloß, eine Unterordnung der Stadt unter das Schloß. Doch in welche Richtung sollte sich das Schloß orientieren, wohin seine wichtigste Front wenden?
Die Neuformulierung der Oderberger bzw. Georgenstraße (heute Rathausstraße), der Hauptstraße des mittelalterlichen Berlin, als "Schloßstraße", als Straße also, die auf den Mittelpunkt der Schloßanlage zuführt, war eine mögliche, ja die zunächst naheliegende Variante. Sie hätte die Altstadt aufgewertet, zugleich aber vor dem Schloß in die Knie gezwungen. Tatsächlich gab es einen kurzen historischen Zeitraum, in dem die Frage der Orientierung des Schlosses offen zu sein schien. Es war dies die Zeit um 1700, die Zeit des Kurfürsten Friedrich III., der König werden wollte und schließlich auch König wurde, König in Preußen, im Jahre 1701. Der Königstitel erforderte einen qualitativen Sprung im Städtebau, den Ausbau des Schlosses und die städtebauliche Unterordnung der Stadt unter das Schloß. Eine solche Neuordnung legte eine Orientierung des Schlosses nach Osten, nicht nach Westen nahe. Ein entsprechendes Konzept wurde vermutlich von Andreas Schlüter entworfen und ist uns in einer Ansicht des Kupferstechers und Architekten Jean Baptiste Broebes aus der Zeit um 1701 überliefert. Es handelt sich bei diesem Stich um ein Schlüsseldokument der Berliner Stadtentwicklung.
Der Stich zeigt, daß die frühere bürgerliche Hauptstraße des alten Berlin, die Oderberger Straße, in einen prächtigen Platz mündet, die neue Place Royal, den Königsplatz, der im Norden durch das Schloß und im Süden durch ein neues Marstallgebäude begrenzt wird. Am Ende der Straßenachse steht ein neuer Dom im baulichen Kontext eines Invalidenhauses, der den alten provisorischen Dom, die baufällige ehemalige Kirche der Dominikaner, ersetzt. Die Ostvariante impliziert also vor allem eine Neuordnung des unregelmäßigen Platzes im Süden des Schlosses. Die neue Lange Brücke über die offensichtlich verbreiterte Spree wird durch die Statue des "Großen Kurfürsten" Friedrich Wilhelm nobilitiert. Der Königsplatz selbst wird als Schloßvorplatz des Absolutismus gezeigt - als weiter, relativ leerer Raum, der sich in Gegensatz zur Enge und zu den Nutzungen der bürgerlichen Straßen und Plätze stellt, als Ort, der zur Repräsentation Raum verschwendet und dem Herannahenden die Stellung des absoluten Herrschers verdeutlicht. Dagegen ist die Straße Unter den Linden auf dem Stich als relativ unbedeutende Straße im Hintergrund dargestellt.
Nach diesem ehrgeizigen Konzept sollte aus der bürgerlichen Hauptstraße des alten Berlin eine Schloßstraße werden, eine "via triumphalis" des preußischen Königtums, ein Standort höfischer Einrichtungen und barocker Prachtentfaltung. Tatsächlich wurden bereits in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Weichen für eine solche Entwicklung gestellt: 1685 wurde die Post an der Georgenstraße verortet, 1692-95 die Lange Brücke erneuert, 1693 das Rathaus ausgebaut. Dazu kamen zahlreiche Paläste höfischer Minister, darunter das Palais Wartenberg von Schlüter. 1701 wurde schließlich der Grundstein für einen triumphalen Neubau des alten Oderberger Tores nach dem Entwurf von Jean de Bodt gelegt.
Die Oderberger Straße verwandelte sich so nicht nur in einen Sitz des Adels, auch die Perspektive eines Standortes von Regierungsfunktionen deutete sich an. Die Aufwertung der Hauptstraße Alt- Berlins zeigt sich schließlich an einem weiteren Ereignis: Nach seiner Krönung 1701 in Königsberg zog König Friedrich I. durch das Oderberger Tor und die Oderberger Straße zum Schloß. Dieser öffentliche Festakt wurde Anlaß einer Verdrängung bürgerlicher, an den Handel erinnernder Namen im alten Berlin: Das Oderberger bzw. Georgentor wurde zum Königstor, die Oderberger bzw. Georgenstraße zur Königstraße.
Die Ostvariante hatte aber spätestens nach dem Sturz Schlüters keine Zukunft mehr. Dagegen erschien eine bescheidenere Südvariante offenbar zunächst als mögliche Alternative. Im Zuge der Festigung der Macht des Landesherren und des Ausbaus der Schloßlandschaft hatte zwar das alte, bürgerliche Cölln, dessen Zentrum im Bereich der Petrikirche lag, weiter an Bedeutung verloren. Dafür stieg die leicht gekrümmte Breite Straße zur herrschaftlichsten Straße neben der Königstraße auf. Dem Großgrundbesitz der Landesherren im Norden der Insel stand ein Gewebe winziger Parzellen im Süden gegenüber, wohingegen im Bereich zwischen diesen beiden Polen auch größere Parzellen zu finden waren. Der Größe der Parzellen entsprachen wiederum die Gebäude: Schloß, vornehmer Bürger- bzw. Adelssitz, Kleinbürgerhaus. Das Konzept einer Südvariante hätte diese Verhältnisse revolutioniert. Jean de Bodt hielt es in einer um 1707 entstandenen Zeichnung fest.
Das programmatische Bild zeigt eine begradigte, durch den Aufmarsch herrschaftlicher Bauten streng verregelte, neue Breite Straße, die auf einen neu geordneten Schloßplatz ohne alte Domkirche mündet und achsial auf ein riesiges Mittelportal des Schlosses ausgerichtet ist. Am Schloßplatz wird die Breite Straße durch zwei ähnlich gestaltete Neubauten flankiert. An ihrem südlichen Ende waren zwei neue Prachtbauten vorgesehen: ein 1709 geplantes neues Rathaus für das zu einer Haupt- und Residenzstadt vereinigte Berlin und der 1706 geplante repräsentative Neubau der Petrikirche. Damit wäre der alte bürgerliche Zentralbereich neu gestaltet und dem Schloß untergeordnet worden. (Vgl. Schinz 1964, S. 89ff.) Die Spreeinsel wäre als homogener Herrschaftsraum zum eigentlichen Zentrum des neuen, absolutistischen Berlin geworden. Aber auch die Variante einer Südorientierung mit der Breiten Straße als via triumphalis wurde nicht weiterverfolgt. Der Tod des ersten preußischen Königs Friedrich I. markierte das vorläufige Ende des Ausbaus der Schloßstadt.
Mit dem langsamen Aufstieg der Straße Unter den Linden zum Nobelsitz für Regierungs- und herrschaftliche Wohnfunktionen gewann die Variante West an Gewicht. Diese Variante hatte zugleich den Aufstieg des Bereichs nördlich des Schlosses, des sogenannten Lustgartens, zu Lasten des südlichen Schloßplatzes zur Folge. Der Abbruch des alten Doms auf dem Schloßplatz im Jahre 1747, der gleichzeitige Neubau des Doms im Lustgarten und die Anlage des Forum Fridericianum seit 1741 machten die veränderten Verhältnisse deutlich: Der Schloßkomplex wurde unter der Herrschaft Friedrichs II. auf die neue via triumphalis ausgerichtet, die Straße Unter den Linden. Das Schloß drehte der Altstadt die Rückseite zu, das strahlende Antlitz wandte sich nach Westen. Der Bau des Brandenburger Tores 1788-91 gab der Schloßachse ihren monumentalen Abschluß am Tiergarten. Damit war die Orientierung des Schlosses städtebaulich abschließend geklärt. Nicht das 1701 begonnene, aber niemals ausgeführte neue Prachttor am späteren Alexanderplatz im Osten, sondern das mit der Quadriga bekrönte prächtige Tor im Westen wurde - bis heute - zum Symbol Berlins.
Die Altstadt blieb seither im Schatten der Stadtentwicklung, verlor an Bedeutung, wurde zum Problemfall, zum Strukturproblem des Berliner Zentrums, dessen Lösung seit der Erhebung Berlins zur Reichshauptstadt Generationen von Architekten und Stadtplanern beschäftigte. Das Scheitern des Konzepts einer Ostorientierung des Schlosses bedauerten manche Fachleute in späterer Zeit ausdrücklich. So schrieb etwa Werner Hegemann in seiner Streitschrift "Das steinerne Berlin": "Daß dieser großartige Platzentwurf Schlüters unausgeführt geblieben ist, gilt künstlerisch empfindenden Berlinern als die Tragödie der Berliner Stadtbaukunst." (1930, S. 100) Im übrigen war der heute hochgerühmte, aber erst nach dem Abbruch der Festungsanlagen überhaupt mögliche "Westblick" von der Straße Unter den Linden auf das Schloß in der späten Barockzeit auch nicht ganz so grandios. An der schmalen Schloßbrücke standen Buden, südlich davon versperrte ein hoher Zaun den Blick. Erlebbar war aber der sackgassenartige Abschluß mit dem barocken Dom und dem Flügel der Schloßapotheke, welche sich beide zur Straße Unter den Linden hin orientierten und die Bürgerstadt im Osten in den Schatten stellten.
Ihre Vollendung fand die Westorientierung des Schlosses durch die städtebauliche Neuordnung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der neugestaltete Stadtraum war insbesondere eine Schöpfung von Karl Friedrich Schinkel, der mit dem Alten Museum, der umgebauten Domkirche, der neuen Schloßbrücke, weiter im Süden auch der Bauakademie und der Friedrichswerderschen Kirche den vielleicht bedeutendsten Stadtraum in Berlin schuf. Türme und Kuppeln demonstrierten die neue Herrlichkeit der preußischen Könige im Herzen der alten Stadt. Der charakteristische, jetzt grandios erweiterte schräge Blick von der Straße Unter den Linden auf das Schloß war aber nicht immer nur ein Anlaß zum Jubel. So meinte Werner Hegemann, daß die "Achsen und Kraftströme" der Straße Unter den Linden "sich heute etwas gar zu zufällig am schief stehenden Schloß totlaufen." (1930, S. 70)
Hatte die Aufbauära nach dem Dreißigjährigen Krieg die mittelalterliche Stadt zur Altstadt im Schatten des Schlosses entwertet, so zielten die Planer des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts auf deren radikale Modernisierung. Der überkommene öffentliche Raum der Altstadt wurde im Rahmen dieser Planungen in doppelter Hinsicht als Problem wahrgenommen: Zum einen konnte er seiner Aufgabe als Vermittler des wachsenden Großstadtverkehrs nicht mehr gerecht werden, zum anderen spiegelte er nicht mehr erwünschte, als rückständig und kleinstädtisch bewertete Verhältnisse wider, deren sich die herrschenden Kreise zu schämen begannen. Berlin schickte sich ja gerade an, in den Konkurrenzkampf mit den führenden Großstädten Europas einzutreten, in die Konkurrenz mit Wien, Paris und London. Die Altstadt war in einer solchen Sichtweise nicht mehr akzeptabel, sie mußte verschwinden - zugunsten einer modernen City.
Das Umbauprogramm konnte - gerade hinsichtlich der Neugestaltung des Straßensystems - nicht in dem erwünschten Umfang durchgesetzt werden. Dennoch war es nicht ohne "Erfolg": Insbesondere in den achtziger und neunziger Jahren wurden umfangreiche Straßenerweiterungen und - durchbrüche sowie Brückenerneuerungen realisiert. Östlich der Spree wurden zahlreiche neue Einrichtungen mit großem Flächenbedarf verortet - so die Börse (1859-64, 1884/85 erweitert), das neue Rathaus (1861-69), die Zentralmarkthalle, die Hauptpost, das Land- und Amtsgericht, das Stadthaus sowie - am Alexanderplatz - das Polizeipräsidium. Auf der Spreeinsel wurde das "Rote Schloß" errichtet und das Kaufhaus Hertzog ausgeweitet, auf dem Friedrichswerder entstand das Kaufhaus Gerson, und die als Giro- und Lehnbanco im Jahre 1765 gegründete Reichsbank dehnte sich immer weiter aus. Für diese neuen Einrichtungen wurde die Zusammenlegung von Parzellen treibhausmäßig gefördert. Vorreiter der Entwicklung zur baublockgroßen Riesenparzelle war - wie schon in der Zeit des Absolutismus - die öffentliche Hand.
Private Riesenparzellen - wie das Gelände des Kaufhauses Hertzog in Alt-Cölln - waren eher selten. Dennoch schien sich zunächst die Perspektive des Aufstiegs gerade der Altstadt zur erstklassigen Geschäftslage zu eröffnen. "Noch bis ins erste Drittel des 19. Jahrhunderts konzentrierte sich das Geschäftsleben vor allem in den alten Stadtteilen Berlins, in Alt-Berlin, Alt- und Neukölln am Wasser und auf dem Friedrichswerder. Die Königstraße und die Spandauer Straße mit dem Mühlendamm und der Gertraudenstraße waren die Hauptgeschäftsstraßen, in denen sich Geschäft an Geschäft reihte, und in der Breiten Straße, am Schloßplatz, an der Stechbahn und am Friedrichswerderschen Markt befanden sich die vornehmsten Geschäfte. [...] In der Umgebung von Unter den Linden, vor allem in der Friedrichstadt waren nur ganz vereinzelt ein paar Geschäfte an den Straßenecken entstanden." (Schinz 1964, S. 172) Spätestens mit der Reichsgründung jedoch zerschlug sich die Perspektive einer erstklassigen City-Ost. Die Altstadt wurde zum zweiten Zentrum hinter der aufstrebenden City in der Dorotheen- und Friedrichstadt. Insbesondere die südliche Altstadt blieb das Sorgenkind der Berliner Zentrumsplanung.
Im Zuge des explosionsartigen Wachstums des Stadtraums von Berlin in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erwies sich das alte Berlin vor allem als Hindernis des Verkehrs zwischen West und Ost. Tatsächlich waren der Friedrichswerder, die Spreeinsel und Alt-Berlin immer eine Passage, ein Ort des Übergangs zwischen Ost und West. Die Hauptstraßen des Verkehrs prägten diesen Zentralraum, der wachsende Verkehr drängte zum Ausbau der bestehenden und zum Bau neuer Hauptstraßen.
Die Hauptstraße der Bürgerstadt Berlin-Cölln und der wichtigste Straßenzug der Altstadt überhaupt war die Straßenfolge Gertraudenstraße - Mühlendamm - Spandauer Straße - Königstraße (heute Rathausstraße). Dieser krummen, verwinkelten und belebten bürgerlichen Hauptstraße Berlins schloß sich nach den barocken Stadterweiterungen in Richtung Westen die Leipziger Straße an. Dem "modernen" Massenverkehr wurde die Gertraudenstraße erstmals 1895 angepaßt. Damals verbreiterte sich die Straße von vormals 11,3 bis 15 Meter auf fast durchgängig 22 Meter. Auch die Königstraße als östliches Endstück des bürgerlichen Hauptstraßenzuges war verkehrsmäßig ein Nadelöhr. "Die Königstraße", so Robert Springer 1878 in seinem Porträt der Kaiserstadt, "ist verhältnismäßig zu eng für das rege und geschäftige Treiben, Laufen und Drängen, welches hier zu jeder Tagesstunde herrscht, für die Lastwagen, Droschken, Omnibusse und Equipagen, die sich unablässig begegnen, kreuzen und streifen [...]." (S. 86)
Die zweite große, uns heute selbstverständliche Ost-West-Verbindung über die Spreeinsel war der Straßenzug Unter den Linden - Kaiser-Wilhelm-Straße, der über den Lustgarten vermittelt wurde. Diese Verbindung ist aus historischer Perspektive noch sehr jung, sie ist erst das Ergebnis des bedeutendsten Straßendurchbruchs der Kaiserzeit. Die Kaiser-Wilhelm-Straße sollte die Königstraße entlasten, die inzwischen zu einem Standort für Läden und Warenhäuser geworden war, allerdings - wie Robert Springer vermerkte - Läden von geringerer Eleganz als in der Friedrichstadt. Schon 1871 hatte der Architekt und Stadtplaner August Orth Pläne zum Bau der nördlichen Entlastungsstraße vorgelegt. Die Realisierung des Straßendurchbruchs für die Kaiser- Wilhelm-Straße verzögerte sich aber zunächst.
Der schließlich 1877-87 bis zur Münzstraße realisierte Durchbruch sollte den Auftakt zur Modernisierung des alten Berlin bilden. "Wie ein Reinigungswerk", so Julius Rodenberg 1886, "ist die Demolierungsarbeit der Kaiser-Wilhelmstraße durch die schmutzigsten und verrufensten Quartiere von Alt-Berlin mitten durch gegangen und hat sie niedergelegt." (S. 97) Zusammen mit der Kaiser-Wilhelm-Straße wurde die Stadtbahn entlang des zugeschütteten Königsgrabens, der auf die Festungsanlage Memhardts zurückging, errichtet. Die 1882 eröffnete Stadtbahn verstärkte die Ost-West-Ausrichtung des Berliner Zentrums weiter.
Daneben gab es zahlreiche Versuche, einen dritten Hauptstraßenzug zwischen den beiden großen Ost-West-Verbindungsstraßen zu öffnen - in Höhe des Schloßplatzes oder südlich von diesem. Eine solche Straße war bereits zur Zeit des Kurfürsten Friedrich III., des späteren Königs Friedrich I., im Gespräch. Auch Karl Friedrich Schinkel setzte sich für eine solche Lösung ein. Zu Beginn der Kaiserzeit schlug August Orth eine Entlastungsstraße Süd vor, die hinter dem gerade neu erbauten großen Rathaus entlangführen sollte.
Auf der Berliner Städtebauausstellung im Jahre 1910 wurden weitere Pläne zur Aufweitung der Ost-West-Passagen vorgelegt - so etwa von Hermann Jansen, der eine Verbreiterung der Königstraße wie der neuen Kaiser-Wilhelm-Straße anregte. Wie schwierig es sein würde, diese Pläne zu verwirklichen, zeigte sich schon beim Bau der Kaiser-Wilhelm-Straße, die schließlich alles andere als eine erstklassige neue Hauptstraße der Berliner City war.
Das alte Zentrum Berlins war immer mehr als ein Ort des Durchgangs, es markierte auch entscheidende Halte-Plätze des Ost-West-Verkehrs, Plätze, die die Passierenden zum Verweilen einluden. Diese fanden sich vor allem entlang der großen Straßenzüge: die komplexe Platzfolge vom Spittelmarkt bis zum Molkenmarkt im Süden, der Lustgarten im Norden und schließlich der Werdersche Markt und der Schloßplatz in der Mitte. Weiter im Osten erstreckte sich - am Ende des Hauptstraßenzuges - der Alexanderplatz, der bedeutendste Platz des östlichen Zentrums. Dazu kamen auf dem Friedrichswerder - etwas abseits vom Hauptverkehr - der Schinkelplatz und der Hausvogteiplatz. All diese Plätze sind in ihrer während der Kaiserzeit modernisierten Form durch eine Flut von Bildbänden in guter Erinnerung.
Der bürgerliche Hauptstraßenzug bestand gerade im Bereich des Friedrichswerder und der Spreeinsel aus einer einzigartigen Folge von Plätzen. Der Spittelmarkt diente als Sammelpunkt des Verkehrs vor dessen Eintritt in die Altstadt und vermittelte zugleich den Schwenk des Hauptstraßenzuges nach Nordost. Nach Passieren der Gertraudenbrücke erreichte man bald den Petriplatz, das Herz des mittelalterlichen Cölln, mit der die Bürgerhäuser überragenden Petrikirche. Kurz darauf folgte der Köllnische Fischmarkt mit dem alten, 1899 abgebrochenen Rathaus von Cölln. Der Fischmarkt schließlich mündete in das Nadelöhr des Mühlendamms, der zum Molkenmarkt auf der Berliner Seite der Spree führte. Wie bei keinem zweiten Straßenzug der Altstadt entfaltete diese Folge von unregelmäßigen Stadträumen das für eine lebendige Stadt typische Ineinandergreifen von Passage und Halte-Plätzen. Hier war "Haus für Haus ein Laden zu finden", hier erhob sich eines der größten Einkaufszentren Berlins, das 1839 gegründete Kaufhaus Hertzog.
Völlig anderer Art war der Lustgarten im Norden der Spreeinsel. Er stellte zunächst nur die Fortsetzung des Schlosses als Freiraum dar, also einen Bestandteil der durch Wachtposten kontrollierten Schloßlandschaft jenseits der Bürgerstadt. Als Ausgangspunkt zur Jagd im Tiergarten bildete er den Auftakt eines herrschaftlichen Straßenzuges, der nach Osten, zur Altstadt hin, nicht weiterführte. Die Westorientierung des Schlosses wurde durch den Bau der Schloßbrücke 1822-24, die die alte, schmale Hundebrücke ersetzte, weiter gefördert. Eine demonstrative soziale Öffnung des Lustgartens brachte dann 1824-30 der Bau des (Alten) Museums von Karl Friedrich Schinkel. Mit dieser neuen Institution wurde die nördliche Spreeinsel dem Bürgertum erschlossen. Der erste Schritt zu einer Abnabelung der Nordspitze der Insel vom allmächtigen Schloß war damit getan.
Der Durchbruch der Kaiser-Wilhelm-Straße in Richtung Osten festigte diese räumliche Emanzipation, zerstörte aber das fein ausbalancierte Raumgefüge des Lustgartens. Die Straße Unter den Linden war nun keine herrschaftliche Sackgasse, das Schloß keine stadträumliche Barriere mehr. Damit wurde das Schloß von einem fiktiven zu einem realen Knotenpunkt der Stadt. Für den Durchbruch mußte ein Teil des Schlosses fallen, der nördliche Bereich der Schloßapotheke. Die nächste Änderung, ja Schädigung des Freiraums brachte ab 1894 der Neubau des kaiserlichen Doms, der die räumlichen und gestalterischen Proportionen der Schloßstadt bewußt sprengte. Dieser 1905 beendete Großbau, der besonders von Ferne beeindrucken sollte, stellte das Schloß in den Schatten. Damit war der Nabel von Berlin neu bestimmt.
Entlang des dritten Straßenzuges lagen zwei bedeutende Plätze: der Schloßplatz und - auf dem Friedrichswerder - der Werdersche Markt. Der Schloßplatz vermittelte nicht nur den Verkehr zwischen der Friedrichstadt und Alt-Berlin, sondern auch zwischen dem Schloß und dem alten Cölln. Die südliche Seite des Schloßplatzes war noch bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein durch eine Vielzahl von schmalen Gebäuden auf kleinen Parzellen gekennzeichnet. Im westlichen Bereich, An der Stechbahn, verbargen sich hinter langgestreckten, einheitlich gestalteten Fassaden sieben Einzelgebäude mit Kaufmannsgewölben. Der oft bewunderte Baukomplex wurde zwischen 1864 und 1868 abgebrochen. Die Errichtung eines mächtigen Geschäftshauses zwischen der Uferstraße "An der Schleuse" und der Brüderstraße bildete 1866/67 den Auftakt zur Ausbreitung von Großbauten auf Großparzellen. Aufgrund seiner Form und Fassadenverblendung durch Klinker erhielt das Gebäude bald den Namen "Rotes Schloß". Mit dem Bau des Neuen Marstalls 1896-1902 erfolgte ein weiterer Schritt zur funktionalen und gestalterischen Reduktion des Platzes. Diesem Neubau mußte eine ganze Reihe von Bürgerhäusern aus der Barockzeit weichen. Mit dem Abbruch der "Schloßfreiheit" 1892-94 war der Stadtraum zwischen Lustgarten und Schloßplatz bereits nachhaltig gestört worden.
Das Herz des Friedrichswerder, der Werdersche Markt, war zunächst durch eine enge Passage mit dem Schloßplatz und durch eine verwinkelte Straße mit dem Gendarmenmarkt und der Jägerstraße verbunden. Geprägt wurde der Platz durch die Einrichtungen des christlichen Kultes (die Kirchen), der Stadtregierung (das Rathaus) und des Handels (den Packhof). Baugeschichtlich berühmt wurde das Münzgebäude von Heinrich Gentz, das 1798-1800 im Bereich des abgebrannten Rathauses errichtet worden war. Um die Zweckmäßigkeit des zunächst nord-süd-gerichteten Platzes zu erhöhen, hatte bereits Schinkel umfassende Veränderungen vorgeschlagen. Sein Plan zielte auf eine Verbesserung des Ost-West-Verkehrs durch eine neue Straßenverbindung zwischen Schloßplatz und Französischer Straße. Obwohl dieser Plan zunächst nicht durchgesetzt werden konnte, erhielt der Werdersche Markt mit der neuen Kirche und der Bauakademie zwei Hauptwerke Schinkels. Erst nach dem Abbruch des alten Münzgebäudes 1886 zugunsten des Durchbruchs der Französischen Straße wurde die Ost-West-Ausrichtung des Platzes abgeschlossen.
Nordöstlich des Werderschen Marktes erstreckte sich der dreieckige "Platz an der Bauakademie", der spätere Schinkelplatz - ein Platz am Wasser; im Südosten lag der Hausvogteiplatz, dessen unregelmäßige Gestalt auf das alte Befestigungswerk des 17. Jahrhunderts zurückgeht. Die Gestalt des Schinkelplatzes wurde durch den Abriß der Bürgerhäuser der "Schloßfreiheit" am gegenüberliegenden Spreeufer zugunsten des bombastischen Nationaldenkmals für Kaiser Wilhelm I. von Reinhold Begas erheblich beeinträchtigt. Mit dem Fall der "Schloßfreiheit" verlor auch das Schloß seinen stadträumlichen Halt im Westen.
Im Osten mündete der Hauptverkehr des Zentrums auf den Alexanderplatz. Dieser bis zum Dreißigjährigen Krieg vor dem Georgentor liegende, unbebaute Platz diente vor allem als Marktplatz, für den Handel mit Vieh ("Ochsenplatz") und Wolle, aber auch - im Süden - als Exerzierfeld ("Paradeplatz"). Nach dem Besuch des Zaren Alexander I. im Jahre 1805 erhielt der Platz seinen bis heute nicht in Frage gestellten Namen. Der Alexanderplatz war während der Märzrevolution 1848 ein Zentrum der Barrikadenkämpfe. Mit der Eröffnung des Stadtbahnhofes 1882 begann der rasante Aufstieg des Platzes. Seine Bedeutung als Drehscheibe des Verkehrs wurde durch den Bau von U-Bahn und Straßenbahnen weiter gestärkt. Das Grand Hotel, das Kaufhaus Tietz (1904-12 in mehreren Bauabschnitten errichtet) und das Café Aschinger, vor allem aber die 1895 aufgestellte Großplastik der Berolina machten den Platz zu einem populären Identifikationspunkt des östlichen Zentrums. Das 1885-90 erbaute gewaltige, einschüchternde Polizeipräsidium unterstrich die Bedeutung der Lage des Platzes - im potentiell rebellischen Berliner Osten.
Gerade auf der Spreeinsel war die Stadt Berlin gezwungen, ihr Verhältnis zum Wasser zu klären. Der zum Teil sehr sumpfige Boden verzögerte eine Bebauung und erforderte erheblichen Gründungsaufwand. Mühlen, Schleusen und Kanäle förderten den Schiffsverkehr und mehrten die Einkünfte des Landesherren. Zahlreiche Brücken vermittelten den Verkehr über die Insel, und die charakteristische Ufergestaltung machte den Bezug der Stadt zu ihrem Fluß immer wieder eindrucksvoll erlebbar.
Von größter Bedeutung waren zunächst die beiden Hauptübergänge über die Spree zwischen Berlin und Cölln: der erste Flußübergang überhaupt, der Mühlendamm, und die Lange Brücke, die das gemeinsame Rathaus beherbergte und nach der Entmachtung des Stadtbürgertums zur "Kurfürstenbrücke" avancierte. Mit der Erweiterung der Stadt nach Westen gewannen auch die Übergänge über den Spreekanal an Bedeutung. Dies gilt für die Gertraudenbrücke im Süden, die Schloßbrücke im Norden und die Schleusenbrücke in der Mitte, während sich die Jungfernbrücke wegen ihrer Lage abseits des Verkehrs bis heute ihren ursprünglichen Charakter bewahren konnte.
Im späten 19. Jahrhundert wurde die Vermittlung des Schiffs- mit dem Landverkehr modernisiert. Vor allem die Neugestaltung des Mühlendamms war das vielbeachtete Produkt dieser doppelten Verkehrssanierung: der Öffnung des Hauptarmes der Spree für die Schiffahrt und der Beseitigung des Verkehrsengpasses am Mühlendamm. Spektakulär war die Sanierung auch hinsichtlich ihrer Umsetzung: "Staat und Stadt", genauer: drei Behörden mußten hier kooperieren, und diese Kooperation funktionierte - wie zeitgenössische Quellen hervorhoben - hervorragend: Innerhalb nur weniger Jahre (1888-1893) war die Sanierung vollendet.
Aber der Mühlendamm war nur der Auftakt zu einem Brückenbauprogramm, das dem rasant steigenden Großstadtverkehr freie Bahn brechen sollte. 1894/95 folgte der Neubau der Gertraudenbrücke. Der Durchbruch der Kaiser-Wilhelm-Straße zwischen Schloß und Dom hatte bereits 1885-89 den Bau einer leistungsfähigen Brücke veranlaßt - den Bau der Kaiser-Wilhelm- Brücke, des Pendants zur Schloßbrücke von Schinkel. Schließlich wurden auch die Kurfürstenbrücke (1894/95) und die Schleusenbrücke (1914) erneuert - zur Verflüssigung des Verkehrs entlang des mittleren Hauptstraßenzuges.
Im Zuge dieses gewaltigen Erneuerungsprogramms der Kaiserzeit wurden die Brücken nicht nur flacher und breiter, sondern konnten auch nicht mehr hochgeklappt werden. Dennoch erhielten auch die neuen Bauwerke ihre spezifische, unterscheidbare Gestalt, sie waren als Brücken inszeniert und verdeutlichten die Lage Berlins am Wasser. Das gleiche gilt für die städtebauliche Gestaltung des Spreeufers. Der im 17. Jahrhundert angelegte Straßenzug "Friedrichsgracht" veranschaulichte diesen Gestaltungstyp: Uferbefestigung, Straße mit Brüstung am Wasser und eine inselseitig geschlossene Straßenrandbebauung. Der Bezug zum Wasser war so immer präsent. Einen Höhepunkt dieser Inszenierung der Stadt am Wasser bildete die kleinteilige Bebauung der "Schloßfreiheit".
Im Mittelalter befand sich heutigen Standort der Museen eine unstete Insellandschaft außerhalb der Doppelstadt Berlin-Cölln, ein sumpfiges Gelände, dessen Konturen die Spreefluten fortwährend veränderten. Erst mit der Anlage kurfürstlicher Nutz- und Ziergärten im Norden des Berliner Schlosses begann die geordnete Nutzung und Befestigung der späteren Museumsinsel, die zunächst "Cöllnischer Werder" oder "Insel vor Monbijou" genannt wurde.
Die Transformation der höfischen Landschaft in ein dem Bürgertum sich öffnendes kulturelles Zentrum ist städtebaulich nicht Ergebnis eines einzigen, umfassenden Planes, sondern eines widersprüchlichen Prozesses, der sich in den baulichen Schichtungen der Museen bis heute eindrucksvoll ablesen läßt. Die additive Produktion der Museumsinsel hat in der Vergangenheit nicht nur Bewunderung gefunden: Werner Hegemann etwa sprach zum einen vom "heiligen Bezirk der Museumsinsel" (1930, S. 429), zum anderen aber auch von einem "Durcheinander der beziehungslos zusammen gewürfelten oder schematisch aufgereihten öffentlichen Bauten der Museumsinsel" (1930, S. 197). Seit 1882 wurde die Insel durch die Trasse der Stadtbahn faktisch gespalten. Vorschläge, diese Spaltung zu überbrücken, wurden bereits im Vorfeld des Stadtbahnbaus unterbreitet, zum Beispiel von August Orth im Jahre 1875. Mit dem Bau des Kaiser- Friedrich-Museums, des heutigen Bodemuseums, 1897-1904 (Architekt: Ernst von Ihne) wurden diese Versuche nicht nur aufgegeben, sondern faktisch durch ein neues Konzept ersetzt: Die räumliche Spaltung wurde nicht mehr bemäntelt, sondern durch einen harten Stilbruch baulich unterstrichen.
Den Auftakt zur Entwicklung der Museumsinsel bildete das 1824-28 von Karl Friedrich Schinkel errichtete Museum, das aber keineswegs als Auftakt gedacht war. Dennoch begann damit die Transformation eines höfischen in einen bürgerlichen Ort, oder besser: die von oben gewährte Öffnung des herrschaftlichen Ortes für das Bildungsbürgertum. Der damals noch Neues Museum genannte Bau hat eine klare Vorderfront - zum Lustgarten, zum königlichen Schloß, und eine klare Rückfront - zum Packhofgelände. Die städtebaulich wichtige, zum Stadtschloß gerichtete Vorderfront ist als relativ autonomer Bauteil gestaltet, wie bereits "Berlin und seine Bauten" (Ausgabe 1877) hervorhebt: "Das Museum ist unter allen Werken Schinkels dasjenige, welches weitaus die grösste Popularität erlangt hat. Es verdankt dieselbe der überwältigenden Wirkung, welche einerseits die Säulenfront am Lustgarten, andererseits die Rotunde auf den Beschauer hervorbringen - eine Wirkung, welche selbst durch die vom strengen, architektonischen Standpunkte unverkennbare Thatsache nicht abgeschwächt werden kann, dass beide Motive mit dem Organismus des übrigen Baues in etwas losem Zusammenhange stehen." (S. 157)
Die späteren Museumsbauten entfalteten sich im Rücken des nunmehr Alten Museums, ja in seinem Schatten; sie sind von dem bedeutendsten Ort der Gegend her, dem Lustgarten, nicht wahrnehmbar. Natürlich haben auch diese Museen ihre Schauseiten. Sie haben aber keine mit dem Alten Museum vergleichbaren Schaupunkte. Sie sind in städtebaulicher Hinsicht versteckt. Das nach Plänen von Friedrich August Stüler 1843-55 errichtete Neue Museum zog aus dieser Situation bauliche Konsequenzen. "Im Gegensatz zu dem älteren Werke Schinkel's", so "Berlin und seine Bauten" (1877), "ist bei dem Stüler'schen Bau das Gewicht künstlerischer Gestaltung nicht dem Aeusseren, sondern dem Inneren des Hauses zugewandt worden." (S. 158)
Auf die 1866-76 nach Entwürfen Stülers unter Johann Heinrich Strack errichtete Nationalgalerie trifft diese Charakterisierung allerdings nicht mehr zu. Doch auch die erhöhte Nationalgalerie ist vom Lustgarten her nicht erlebbar. Diese Verhältnisse einer gleichsam versteckten Museumsinsel bilden bis heute eines der Charakteristika des Ortes, das es zu respektieren gilt.
Mit der Eröffnung des schon vor dem Ersten Weltkrieg von Alfred Messel projektierten und schließlich unter Ludwig Hoffmann ausgeführten Pergamonmuseums im Jahre 1930 war die etwa hundertjährige Entstehungsgeschichte der Museumsinsel abgeschlossen. Der Plan Messels (um 1907-09), dieses Museum mit der Universität städtebaulich zu verbinden, wurde zwar als Option noch längere Zeit offengehalten, faktisch aber nicht weiter verfolgt.
Nach 1918 verlor das Schloß jegliche herrschaftliche Funktion und wurde Sitz wissenschaftlicher Institute und Museen. Die Überlegungen zur radikalen Modernisierung des gesamten Berliner Zentrums verschonten auch den ehemaligen Sitz der Hohenzollern nicht. Das zeigt etwa das Plädoyer von Adolf Behne, eines Mitstreiters von Stadtbaurat Martin Wagner, für einen Teilabriß des Schlosses und damit die Beseitigung einer zentralen materiellen wie mentalen "Barriere": "Mühsam, nur auf Umwegen, mit Drehungen und Wendungen kommt zusammen, was notwendig zusammengehört [...]. Die Fürsten setzen in die Handelsstadt ein Centrum der Politik. Des Großen Kurfürsten Straße zielt nach Westen, schließt das Berliner Schloß an das System Paris an .... das Schloß, aber nicht die Stadt. An der Spree bricht diese Achse ab. Der Weg nach Osten erhält einen ähnlichen Ausbau nicht, hat ihn nicht bis auf den heutigen Tag. [...] Das Schloß ist heute bedeutungslos, da es seiner Politik nicht gelang, den Bund zwischen Ost und West auf die Dauer zu verstellen. [...] Ich stelle mir vor, es wird die Bahn aus Westen direkt auf geradem Wege in die Ostbahn hineingeleitet [...]. Ein Stück des Schlosses müßte fallen. [...] Das neue Berlin muß wieder anknüpfen an seine ursprüngliche Aufgabe als Vermittler zwischen Ost und West." (1932, S. 62f.) Der Teilabriß des Schlosses blieb ein papierener Traum.
In der Weimarer Republik wurde auch die Idee weiterverfolgt, das alte Berlin im Sinne eines West- Ost-Citybandes neu zu ordnen. Insbesondere der Durchbruch einer südlichen Entlastungsstraße hinter dem Rathaus wurde im Detail vorbereitet - in einer konzertierten Aktion der Stadträte Martin Wagner und Ernst Reuter und dem Repräsentanten des Cityausschusses, Martin Mächler. Die Planung dieser Entlastungsstraße kann als das ehrgeizigste Erneuerungsvorhaben im Zentrum während der Weimarer Republik gelten; der Umbau des Alexanderplatzes sollte dazu der Auftakt sein. Den spektakulärsten Ausdruck fand die Geringschätzung des alten Berlin im Neugestaltungsvorschlag von Ludwig Hilberseimer. Die komplexen Pläne der Weimarer Republik konnten allerdings nicht realisiert werden.
Stadtbaurat Martin Wagner beabsichtigte, den Alexanderplatz zu einem "Weltstadtplatz" zu entwickeln, ihn also vor allem den neuen Bedürfnissen des Verkehrs anzupassen. "Der Weltstadtplatz ist eine fast dauernd gefüllte Verkehrsschleuse, der 'Clearing'-Punkt eines Adernetzes von Verkehrsstraßen erster Ordnung." (Wagner 1929, S. 33) Natürlich war der Platz immer ein Angelpunkt des Verkehrs gewesen: ein Platz vor den Stadtmauern des alten Berlin, an dem sich der Überlandverkehr mehrerer Straßen sammelte, um dann das Stadttor zu passieren, später ein Platz, an dem sich mehrere Straßenbahn-, U-Bahn- und S-Bahnlinien begegneten.
Als Brennpunkt des öffentlichen Nahverkehrs war der Platz auch ein Ort, an dem sich Fußgänger ballten, Fußgänger, die nicht nur die Bürgersteige am Platzrand, sondern auch die Platzfläche frech und zahlreich kreuzten. Diese Fußgänger zu disziplinieren, das heißt, auf den Platzrand zurückzudrängen, war ein wichtiges Ziel der Umgestaltung - und zwar zugunsten des Straßenbahnverkehrs, insbesondere aber zugunsten des neuen, zukunftsweisenden Kraftfahrzeugverkehrs. "Der Verkehr muß mit einem Höchstmaß von Beschleunigung, Stockungslosigkeit und Übersichtlichkeit über den Platz geleitet werden. Der Weltstadtplatz verlangt darum eine Differenzierung der Verkehrswege für den Schienenverkehr (Straßenbahn), Radverkehr (Autos) und den Fußgängerverkehr." (Wagner 1929, S. 33)
Wagners strategische Absicht war vor allem die Öffnung der Altstadt für den Autoverkehr - nicht nur am Alexanderplatz. Das zeigte sich an der Neugestaltung des Platzes, am neuartigen, in seiner Effizienz überschätzten Kreisverkehr und an der Führung der Straßenbahnen. Vor allem aber auch an einer Kleinigkeit, die in der Regel übersehen wird: an der Hecke, die den inneren, dem Straßenbahnverkehr vorbehaltenen Kreis einfaßte. Diese Hecke sollte ein diagonales Überqueren des Platzes unmöglich machen.
Es war aber nicht nur die funktionale Entmischung des Platzes nach Verkehrsarten, die dem Fortschrittsmittel schlechthin - dem Automobil - huldigte. Die Architektur der Platzrandbebauung selbst sollte den Kreisverkehr gestalterisch verdoppeln, ja triumphalisieren, den kreisenden Autofahrer nicht in optische Verwirrung bringen. Das Verdoppelungskonzept wurde von fünf der sechs zum Wettbewerb Alexanderplatz aufgeforderten Architekten akzeptiert. Die Wettbewerbsgewinner, die Gebrüder Hans und Wassili Luckardt sowie Alfons Anker, spitzten die Konzeptidee noch einmal zu, indem sie die Kreisform durch eine horizontale Betonung der Gebäudefassaden zusätzlich unterstrichen. Alle Wettbewerbsteilnehmer planten den Kahlschlag des alten Platzes und dessen Neuerstehung als Architekturplatz aus einem Guß.
Als historischer Torplatz war der Alexanderplatz ja über Jahrhunderte ein "unregelmäßiger" Platz gewesen, ein Platz, der die Unregelmäßigkeit der Überlandstraßen widerspiegelte und aus unterschiedlichen Teilplätzen bestand, die in Gestaltung wie Nutzung diese Unregelmäßigkeit eindrucksvoll unterstrichen. "Unregelmäßig"? Dieses Wort scheint auf einen Mangel, auf Interventionsbedarf zu verweisen. Die Antwort Wagners auf die Unregelmäßigkeit des Alexanderplatzes war deren Beseitigung durch ein Ready-made-Produkt, ein Großprojekt, das den "stark zersplitterten Kleinbesitz" (Wagner 1927, S. 708) überwinden sollte.
Doch Wagners strategisches Ziel war nicht nur die Beförderung des "modernen Verkehrs" und die gestalterische Gleichschaltung des Platzes - beide Ziele dienten einem viel wichtigeren Oberziel: der weiteren Citybildung im Ostteil des Zentrums. Das Bebauungskonzept Wagners sah eine massive Bauverdichtung und Ballung von Büros und Läden vor. Die vorgeschlagene Erneuerung des Alexanderplatzes sollte nicht nur gestalterisch mit der baulichen Umgebung brechen, sondern zugleich die Aufwertung der ganzen Umgegend einleiten. Diese Aufwertung sollte durch zahlreiche weitere Projekte vorbereitet werden. Bereits 1927 wurde die Neugestaltung des Bülowplatzes, heute Rosa-Luxemburg-Platz, im Bereich des abgebrochenen Scheunenviertels in Angriff genommen. Dieses Projekt von Hans Poelzig sollte mit öffentlichen und privaten Neubauten explizit eine soziale und funktionale Aufwertung des ostjüdisch geprägten Gebietes einleiten.
Die Umgestaltung des Alexanderplatzes war nur der geplante Auftakt einer gewaltigen, gewaltsamen Neuordnung und Aufwertung des östlichen Zentrums, die der schleichenden "Westwanderung" der City begegnen sollte. Wagners Vision ging aber über die Erschließung der Elendsviertel für die wachsende, wohnungslose "Weltstadtcity" hinaus. Er begründete aus der Verkehrsdynamik der Großstadtentwicklung sein Konzept eines Wegwerfplatzes, dessen Randbebauung nach 25 Jahren amortisiert sein sollte. Nach 25 Jahren, so seine Vorstellung, könne die Platzbebauung dann problemlos neuen Erfordernissen weichen. "Der Verkehrsfachmann muß sich die Verkehrskapazität eines Weltstadtplatzes errechnen und diese Kapazität auf einen Verkehrszuwachs für die nächsten 25 Jahre einstellen. [...] Mit dem Hinweis auf die beschränkte Lebensdauer eines Weltstadtplatzes ist auch zugleich angedeutet, daß die den Platz umgebenden Bauten keine bleibenden wirtschaftlichen wie architektonischen Werte besitzen." (1929, S. 33) Das Konzept einer im Vierteljahrhunderttakt sich erneuernden Weltstadtcity erhob die Idee der geschichtslosen Stadt zum dauernden Prinzip.
Kahlschlag des geschichtlichen Platzes, Neugestaltung als regelmäßiger Platz aus einem Guß, Huldigung an den modernen Automobilverkehr, Förderung des Immobiliengroßeigentums, überzogene bauliche Verdichtung, monofunktionale Konzentration von Büros und Verkaufsflächen, Verdrängung armer Bewohner und Funktionen - all das sind Aspekte, die das Projekt des neuen Alexanderplatzes in der Weimarer Republik mit bestimmten.
Umgesetzt wurde im übrigen nicht das Projekt von Hans und Wassili Luckhardt sowie Alfons Anker, sondern - nach dem Willen der amerikanischen Investoren - der modifizierte Entwurf des zweiten Preisträgers Peter Behrens. Die Durchsetzung der neuen Figur gelang allerdings nur partiell, sie scheiterte an den Widrigkeiten des privaten Bodeneigentums.
Weltstadtcity - das war der Leittraum der zwanziger Jahre, die Realität entsprach diesem Leitbild aber keineswegs. In seine Schrift zum Thema "Das Neue Berlin" montierte Martin Wagner 1932 eine Abbildung, die Berlin - nach Bezirken gegliedert - zeigt. Über dieser Grundkarte schwebt eine Lupe, die einen Ausschnitt des Stadtplans vergrößert: das Gebiet der südlichen Spreeinsel, den Fischerkietz. Martin Wagner schrieb dazu folgendes: "Die City einer neuen Weltstadt auf der Grundlage der Lebensraumgrenzen und Eigentumsgrenzen des Mittelalters! Unmöglich kann sich in diesem Spinnwebennetz von Grenzen, die auf den kleinen 'Bürger', aber nicht auf die 'Gesellschaft', und auf den 'Fußgänger', nicht aber auf die 'Maschine', zugeschnitten sind, eine Reichshauptstadt, eine Maschinenstadt und Weltstadt entwickeln!" (Abb. 17)
Galt Alt-Berlin, das östliche Teilzentrum, schon als rückständig, so war der Fischerkietz das rückständigste Teilgebiet von Alt-Berlin. Hier gab es immer noch eine stattliche Zahl von Bewohnern: so etwa im Jahre 1925 3.698 Menschen. Auf einem Hektar lebten bis zu 480 Einwohner; das war die höchste Bewohnerdichte im Zentrum. Hier gab es eine Fülle von kleinen und kleinsten Parzellen, von kleinen, schmalen und zum Teil niedrigen Häusern, und hier gab es noch Gassen von außerordentlicher Enge. Die Bewohner dieses Gebietes waren in der Regel sehr arm, die Wohnverhältnisse entsprechend elend. Man kann wohl davon ausgehen, daß hier die schlechtesten Wohnverhältnisse von ganz Berlin anzutreffen waren.
Die unerträgliche "Rückständigkeit" des Fischerkietzes, ja des gesamten östlichen Teilzentrums überhaupt förderte die Westwanderung der City. Dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, war das strategische Hauptziel der Zentrumsplanung von Martin Wagner, Ernst Reuter und Martin Mächler. Doch wie ließ sich ein solches Ziel planerisch umsetzen? Infolge der in Deutschland sehr begrenzten Zugriffsmöglichkeiten auf privaten Grund und Boden bot sich im wesentlichen nur ein Hauptmittel an: der Straßendurchbruch bzw. die Straßenerweiterung. Dieses Mittel war auch zur Rationalisierung der Gesamtstadt von herausragender Bedeutung: Es sollte die schon seit Jahrzehnten beklagten Engpässe des Berliner Ost-West-Verkehrs beseitigen und zugleich neue Ansatzpunkte für die weitere Citybildung schaffen.
Eine solche Rationalisierung aber, das zeigten die Erfahrungen, bedurfte einer unglaublichen Anstrengung der öffentlichen Hand, sie bedurfte finanzieller Vorleistungen, die als sinnvoll erscheinen mußten. Sie bedurfte daher vor allem einer Legitimationsstrategie. In diesem Punkte scheute Martin Wagner wahrlich keine Mühen. Es wurden technische und soziale Gutachten in Auftrag gegeben, die die Notwendigkeit der Sanierung belegen sollten, und es wurde ein Wettbewerb vorbereitet, der diese Legitimation krönen sollte.
Von außerordentlicher Bedeutung war in der Weimarer Republik die soziale Legitimation der erwünschten Radikalsanierung. Zu diesem Zwecke wurde 1930 mit Unterstützung des "City- Ausschusses" (eines Zusammenschlusses Berliner Geschäftsleute mit dem Ziel, der Entwertung der Altstadt entgegenzuwirken), der "Berliner Verkehrs-A.-G." und unter Mitwirkung von Martin Mächler beim Verein für Wohnungsreform ein Gutachten in Auftrag gegeben. Die unter der Federführung von Bruno Schwan erstellte und 1932 publizierte Expertise "Die Wohnungsverhältnisse der Berliner Altstadt" bewies grundstücksscharf das Wohnungselend vor Ort. "Haus für Haus, Wohnung für Wohnung", so heißt es in dem Gutachten, sprechen die Berichte "in gewissen Straßen von Ungeziefer, Feuchtigkeit, Moderduft, Verfall, von ausgetretenen finsteren Treppen, abbröckelndem Putz, daß einen das Grauen packen kann." (1932, S. 13) Die Schlußfolgerung war eindeutig: Ein Abriß des Slums, so die Begrifflichkeit des Gutachtens, sei nicht nur gerechtfertigt, sondern in sozialer Hinsicht notwendig. Was allerdings aus den Bewohnern werden sollte, wurde nur am Rande thematisiert. Im Zusammenhang mit einem Hinweis auf die hohe Zahl von Einzelpersonen und kinderlosen Paaren im Sanierungsgebiet findet sich folgende Bemerkung: Die Struktur der Bewohner sei wichtig "für den Fall einer Evakuierung dieser Gegend, da die Beschaffung des erforderlichen Ersatzraumes möglicherweise am billigsten durch die Errichtung von Ledigen- oder Altenheimen bewirkt werden kann." (1932, S. 12) Dieses geringe Interesse für das Schicksal der im Gebiet Wohnenden ist um so bemerkenswerter, als zu dieser Zeit in Berlin ja schon Erfahrungen mit der Altstadtsanierung (im "Scheunenviertel", heute Rosa- Luxemburg-Platz) vorlagen, Erfahrungen, die gezeigt hatten, daß sich die verdrängten Bewohner mit Niedrigsteinkommen keine besseren Wohnungen leisten konnten. Die soziale Argumentation diente vor allem der flankierenden Legitimation. Sie zielte auf Verdrängung, ohne sich um das weitere Los der Verdrängten ernsthaft zu kümmern.
Die Legitimation der Abrißstrategie in baulicher Hinsicht war weniger aufwendig. Die Bebauung in der südlichen Altstadt, so die Argumentation, habe keinerlei architektonischen Wert. Die romantische Verklärung der Altstadt wurde als Verirrung gegeißelt. "Mancher wird es vielleicht bedauern", so 1931 Hermann Ehlgötz, Professor an der Technischen Hochschule Berlin und Verfasser eines Gutachtens zum Untergrund der Berliner Altstadt, das ebenfalls die Kahlschlagsanierung legitimieren sollte, "daß die heute vorhandene romantische Bebauung des Stadtinnern durch eine neue Geschäftsstadt ersetzt werden soll. Aber auf die Dauer wird man die Berliner Altstadt doch weder als Wohnstadt noch als Museum retten können. Das Stadtbild, das hier nach Verlegung der Wohn- und Fabrikviertel einmal entstehen wird, wird unromantisch und traditionsarm, aber dafür hygienischer und wirtschaftlich rationeller sein." (S. 128)
Der für 1930 in Aussicht genommene Wettbewerb zur Neugestaltung der südlichen Altstadt scheiterte an den politischen und wirtschaftlichen Problemen der späten Weimarer Republik. Im März 1931 verweigerte die Berliner Stadtverordnetenversammlung dem Antrag auf Ausschreibung ihre Zustimmung.
Durch die bislang nahezu ausschließlich auf die Nord-Süd-Achse und die Neubauten im Umkreis der Wilhelmstraße gerichtete fachliche Aufmerksamkeit blieben die Planungen und Aktivitäten der nationalsozialistischen Zeit im Bereich der Altstadt bis heute relativ unbekannt. Dies ist gänzlich unangemessen: Wie insbesondere die Arbeit "Architektur und Städtebau in Berlin zwischen 1933 und 1945" von Wolfgang Schäche (1991) zeigt, sollte die Altstadt nach den Umbauphasen der Barockzeit, der Schinkel-Zeit und der Kaiserzeit nunmehr einen vierten radikalen Veränderungsschub der Altstadt beobachten, der allerdings in Ansätzen steckenblieb.
In den dreißiger Jahren wurde vor allem am Ausbau der Ost-West-Hauptstraßenzüge weitergearbeitet: Im Norden sollte die Kaiser-Wilhelm-Straße als Bestandteil der Speerschen Ost- Achse monumentalisiert, im Süden der Mühlendamm abermals verbreitert werden, in der Mitte wurde im Zuge des Reichsbankneubaus die Durchlegung der Jägerstraße zum Schloßplatz vorbereitet. Mit dem Beginn der Umsetzung dieser Planungen wurde zugleich eine weitere Welle der Brückenerneuerung eingeleitet. Die Schleusenbrücke wurde 1937 modernisiert, der erst in der Kaiserzeit erneuerte Mühlendamm wurde im Kontext des Ausbaus der Mühlendammschleuse mit all seinen Bauten abgerissen und 1938 durch eine Notbrücke ersetzt. Der noch im Jahre 1939 begonnene Abbruch der Kaiser-Wilhelm-Brücke mußte allerdings zurückgestellt werden. Der Krieg erforderte andere Prioritäten.
Die Planungen der nationalsozialistischen Zeit zielten auf eine kompromißlose Beseitigung der differenzierten Folge historischer Stadträume zugunsten eines einseitig auf Durchfahrt orientierten, autogerechten Schnellstraßensystems. Dabei wurden auch die Brücken nicht mehr als erlebbare Passagen von Wasserläufen gebaut. An dieses planerische Erbe knüpfte gegen Ende der fünfziger Jahre der DDR-Städtebau an.
Zusammen mit der Erneuerung des Mühlendamms wurde die Kahlschlagsanierung des südlichen Alt-Berlin zugunsten eines monofunktionalen öffentlichen Verwaltungsforums fortgesetzt. Hierfür lag bereits 1935 eine weiträumige Planung von Richard Ermisch vor, die in den folgenden Jahren modifiziert wurde. Ermisch schlug im östlichen Bereich zwischen Rolandufer und Stralauer Straße ein Verwaltungsgebäude vor (1937-39 nach seinem Entwurf realisiert), im westlichen Bereich den Neubau der Reichsmünze (1936-42 nach Entwurf von Fritz Keibel und Arthur Reck realisiert), dazwischen ein weiteres Verwaltungsgebäude, das ebenso wie ein Verwaltungsgebäude nordwestlich des Stadthauses nicht ausgeführt wurde. Westlich des Stadthauses sollte - wie schon von Ludwig Hoffmann geplant - ein repräsentativer Vorplatz entstehen. Dem Bau der neuen Münze fiel der berühmt-berüchtigte Krögel zum Opfer. Zugleich wurde auch der historische Molkenmarkt faktisch beseitigt.
In diesen Jahren wurde ferner eine Umstrukturierung des Nikolaiviertels erwogen. Die heute zu bewundernde neo-mittelalterliche, freie Nachschöpfung des Nikolaiviertels war - wie viele andere Projekte auch - keine reine DDR-Erfindung: "Der heutige Charakter der Bebauung um die Kirche", so ein Konzept aus dem Jahre 1936, "soll tunlichst erhalten und um sie eine Art Alt-Berliner Freilichtmuseum geschaffen werden, indem das wertvolle Alte hier gerettet und weiter gute alte Häuser, die an anderer Stelle der Altstadtgesundung zum Opfer fallen müssen, hier wieder erstehen sollen und so der Nachwelt erhalten bleiben - ein stiller Winkel aus längst vergangenen Tagen." (Kühn 1936, S. 712) Schon 1935 wurde das Ephraimpalais zugunsten der autogerechten Verbreiterung des Straßenzuges Mühlendamm - Molkenmarkt abgetragen, um es später auf einer zurückgesetzten Bauflucht wiederaufzubauen.
Die Neugestaltung des südlichen Alt-Berlin war die bedeutendste Maßnahme der Zentrumserneuerung in der nationalsozialistischen Zeit. Aber auch im Süden des Friedrichswerder wurde durch den riesigen Neubau der Reichsbank 1934-40 ein ganzer historischer Stadtteil ausgelöscht. Nur der Bereich der südlichen Spreeinsel, der Fischerkietz, blieb vom Kahlschlag verschont, für dessen Sanierung sich die Protagonisten des Zentrumsumbaus in der Weimarer Republik, Martin Wagner und Martin Mächler, auch nach 1933 noch eingesetzt hatten. Aber auch die im Rahmen der Neugestaltung des Rolandufers erstellte Planung von Richard Ermisch zur Sanierung des östlichen Fischerkietzes blieb Papier. Ermisch sah neue Wohnungsbauten und die Errichtung der Spittelkolonnaden in der Achse der Inselbrücke vor. Lediglich der nordwestliche Kopfbau der geplanten neuen Mühlendammbrücke an der südlichen Breiten Straße (Ecke Köllnischer Fischmarkt) wurde 1938 nach Entwurf von Ermisch realisiert. Auch spätere Planungen zur Errichtung von Großbauten für die Deutsche Arbeitsfront im Bereich des Fischerkietzes wurden nicht weiter verfolgt.
Im Zweiten Weltkrieg wurden die Bauten des alten Zentrums erheblich zerstört, nicht aber oder nicht so sehr die Struktur dieses Zentrums, sein Grundriß, seine Parzellen, seine Verkehrswege samt der stadttechnischen Infrastruktur. Dennoch erhielten die Planungen für eine Bandstruktur im Bereich des alten Berlin einen neuen Auftrieb. So lag der Planung des Kollektivs um Hans Scharoun eine monumentalisierte Auffassung eines streifenförmigen, ost-west-gerichteten Bandes entlang der Spree im Urstromtal zugrunde: "Auf der Spree-Landwehrkanal-Insel zieht sich von Osten, vom Görlitzer Bahnhof, nach Westen bis zum Lietzensee der große Arbeitsstreifen hin mit Staats- und Industrieverwaltung, Banken, Handel und Gewerbe der alten City an den alten Standorten. Historisch wertvolle Stadtteile werden erhalten und vom Verkehr verschont." (Friedrich 1946, S.9) Insgesamt konzentrierten sich erneut die Interessen auf den Bereich der City, während die Altstadt stiefmütterlich behandelt wurde. So betonte etwa Stadtbaudirektor Richard Ermisch in seiner ebenfalls die bisherige Parzellenstruktur ignorierenden Aufbauplanung für das Zentrum von 1947 die Friedrichstraße und der Leipziger Straße als neue, herausgehobene "Kaufstraßen".
Die politischen Verhältnisse der neugegründeten DDR erleichterten eine radikale Neuordnung des Zentrums. Allerdings wurde der überkommene Grundriß des Zentrums der Stadt zunächst im großen und ganzen respektiert. Vor allem die Brücken wurden rasch wieder instandgesetzt - so zwischen 1949 und 1951 die Karl-Liebknecht-Brücke (vorher Kaiser-Wilhelm-Brücke), die Mühlendamm-Notbrücke, die Schloßbrücke (seit 1951 Marx-Engels-Brücke) und die Schleusenbrücke.
Dem weitgehenden Respekt vor dem historischen Stadtgrundriß im alten Zentrumsbereich entsprachen die ersten Planungen und Maßnahmen des Wiederaufbaus: Sicherungsmaßnahmen an historischen Bauten - etwa an der Bauakademie; Rekonstruktion herrschaftlicher Bauten im Osten der Straße Unter den Linden - etwa der Deutschen Staatsoper; Beseitigung der Kriegsschäden auf der Museumsinsel - etwa an der Nationalgalerie (bis 1954) und am Alten Museum (1958-66); Projekte zum Weiterbau repräsentativer Stadträume - etwa die Planung eines "Demokratischen Forums" am erweiterten Schinkelplatz.
Die Initiative Richard Paulicks und anderer Architekten zur Rettung des Stadtschlosses, die - so die Forschungsergebnisse von Simone Hain - mit der Qualität der Platzräume begründet wurde, konnte den Abriß der Schloßruine 1950/51 allerdings nicht verhindern. Da die Absicht, diesen Zerstörungsakt durch den Neubau eines zentralen Herrschaftsgebäudes städtebaulich zügig zu kompensieren, nicht verwirklicht werden konnte, geriet die überkommene Struktur der Spreeinsel "aus den Fugen". Die Dimension und Form des Marx-Engels-Platzes, die Dimension und Form des zentralen Herrschaftsgebäudes sowie die Funktion des gesamten Bereichs blieben während der fünfziger Jahre umstritten. Ein Vorschlag folgte dem anderen - ohne sichtbares Ergebnis.
Noch in den fünfziger Jahren waren also Gestaltungskonzepte in der Diskussion, die mit dem späteren Freiraum zwischen Spree und Alexanderplatz wenig gemein hatten. Ein Zentrales Hochhaus im Bereich des späteren Marx-Engels-Forums, ein Platz vor dem Rathaus, eine bauliche Teileinfassung der Marienkirche und im Westen an den S-Bahnhof angrenzende Baublöcke waren - in unterschiedlichsten Varianten - Elemente der Planung jener Jahre.
Aber bereits diese Vorschläge zielten auf eine neue bandartige städtebauliche Struktur, die die überkommene Separierung von barocker Stadterweiterung und Altstadt revolutionieren sollte. Selbst der Abbruch der Schloßruine wurde mit dieser Absicht begründet: "Der Abriß des Schloßkomplexes stellt den Ausgangspunkt dar für die notwendige organische, strukturelle wie räumliche Verbindung der zwei bisher nie zusammengewachsenen Stadtteile: Der Friedrichstadt und der mittelalterlichen Stadt." (Deutsche Bauakademie/Stadtbauamt 1959, S. 3) Die neue Struktur sollte durch zwei Hauptstraßenzüge in Ost-West-Richtung getragen werden: zum einen durch die repräsentative "Achse" Brandenburger Tor - ehemaliger Schloßbereich - Karl-Liebknecht-Straße und zum anderen durch die nach Westen hin um einen Durchbruch erweiterte Französische Straße sowie die Königstraße (später Rathausstraße). Dieses Zentrumsband sollte am Alexanderplatz zusammengefaßt werden und nach einem Schwenk verjüngt in die neue Prachtstraße des Ostens, die Stalinallee (später Karl-Marx-Allee), übergehen.
Im alten Zentrum selbst führte eine solche Konzeption zur eindeutigen Abwertung des bürgerlich- kapitalistischen Hauptstraßenzuges Leipziger Straße - Gertraudenstraße zugunsten der absolutistischen via triumphalis zwischen Brandenburger Tor und ehemaligem Stadtschloß, der geheiligten Lindenallee. Damit war gegenüber der Planung von Ermisch ein neuer Akzent gesetzt.
Weniger umstritten schien die weitere Entwicklung der südlichen Spreeinsel. Daß die alte Bebauung des Fischerkietzes erhalten und ergänzt, nicht aber abgerissen werden sollte, wurde noch 1959 verkündet: "Der Wiederaufbau und die Sanierung dieses Viertels wird Zubauten späterer Zeitabschnitte, Schuppen und verfallene Hinterhäuser abtragen und moderne technische und sanitäre Einrichtungen einfügen. Die historischen Gebäude werden in ihrer Form und Fassade restauriert, die Innenräume aber - Wohnungen, Ateliers, Werkstätten für das Kunsthandwerk - modern ausgestaltet. Anstelle der zerstörten Häuser werden Neubauten errichtet, die sich dem Stil dieses alten Stadtteils anpassen. Bis zum Jahre 1965 wird so dieses historische Viertel neu und schöner als zuvor erstehen." (Löschburg 1959, S. 33f.)
Gegen Ende der fünfziger Jahre wurden im Rahmen des Wettbewerbs zur sozialistischen Umgestaltung des Zentrums der Hauptstadt der DDR die Weichen neu gestellt. Die Konzeption einer Orientierung an den Strukturen der alten Stadt verlor zugunsten einer radikalen Modernisierung des Zentrums an Bedeutung. Diese Weichenstellung kann nicht grundsätzlich als "sozialistisch" apostrophiert werden, sie entsprach einem west-ost-übergreifenden Wandel der städtebaulichen Leitbilder.
Ein Manöver im kalten Städtebaukrieg eröffnete die großen Debatten um die Gestaltung des historischen Zentrums von Berlin: der vom Bund und Land Berlin 1957 ausgeschriebene Wettbewerb "Hauptstadt Berlin". Dieser westliche Wettbewerb bestätigte in seinen Ausschreibungsunterlagen im wesentlichen die auch im Osten wirksamen Vorstellungen über die Organisation des neuen Zentrums durch Ost-West-Hauptstraßenbänder. Unbedingt erhaltenswert erschienen lediglich einige wenige Gebäude: auf der Spreeinsel und dem Friedrichswerder ausschließlich die Bauten der Museumsinsel, die Friedrichswerdersche Kirche und die Petrikirche, in Alt-Berlin die Nikolaikirche, das Rathaus, die Parochialkirche, die Marienkirche, die Heiligegeistkapelle und die Garnisonkirche. Die Erhaltung von Dom, Bauakademie und Reichsbankneubau, ja selbst des Alten und Neuen Marstalls, des Stadthauses nebst weiterer Gebäude vor allem an der Brüderstraße, der Fischerstraße und im östlichen Alt-Berlin war nur als "wünschenswert" deklariert. Der weitaus größte Teil der noch erhaltenen historischen Bausubstanz wurde zur Disposition gestellt.
Die Antwort Ost-Berlins, ein eigener Wettbewerb, zielte ebenfalls auf eine bestandzerstörende Modernisierung des Zentrums. Sein Angelpunkt war aber - immer noch - die Plazierung und Gestaltung des zentralen Herrschaftsgebäudes. Unangetastet blieb eigentlich nur die Museumsinsel.
Der Fischerkietz stand genauso zur Disposition wie der Raum zwischen Marx-Engels-Platz und Gertraudenstraße, wie der Dom, die Bauakademie und der Marstallkomplex.
Im Jahre 1959 wurde die Idee eines mittleren Hauptstraßenzuges (Französische Straße - Rathausstraße) aufgegeben, ein neuer Hauptstraßenzug dagegen ins Gespräch gebracht: Leipziger Straße -Gertraudenstraße - Grunerstraße, also die bereits seit Jahrzehnten erträumte Direttissima vom Spittelmarkt zum Alexanderplatz. Damit war die neue Struktur der West-Ost- Hauptstraßenzüge gefunden: Das erwünschte Zentrumsband wurde erheblich verkürzt und zugleich verbreitert. Nicht mehr die Trasse Französische Straße - Rathausstraße, sondern die Trasse Leipziger Straße - Gertraudenstraße - Mühlendamm - Grunerstraße bildete und bildet noch heute den südlichen Hauptstraßenzug, der - wie die Karl-Liebknecht-Straße - den entsprechend vergrößerten neuen Alexanderplatz tangiert. Somit war eine Verkehrsberuhigung der südlichen Straßenbegrenzung des Freiraums um den späteren Fernsehturm, der Rathausstraße, möglich. Diese Struktur war weiterhin ungleichgewichtig: Dem repräsentativen Straßenzug Unter den Linden - Marx-Engels-Platz stand im Süden eine breite Verkehrsschneise gegenüber, die keine Halte-Plätze mehr bot, sondern nur Verkehrsgelenke wie etwa am Spittelmarkt. Aus der einzigartigen historischen Passage mit Halte-Plätzen sollte eine Transitzone ohne Anreiz zum Verweilen werden.
Das Zentrum der Hauptstadt der DDR, ja der DDR überhaupt, bestand aus einer Folge von Plätzen bzw. Freiräumen, die ein breites Band in etwas nach Norden verschwenkter Ost-West-Richtung bildeten: aus dem Alexanderplatz, dem Marx-Engels-Platz und dem großen Freiraum zwischen diesen beiden Plätzen. Gegliedert wurde dieses Zentrumsband in Nord-Süd-Richtung zum einen durch die Trasse der S-Bahn mit der Station Alexanderplatz und zum anderen durch den Palast der Republik, begrenzt wurde es durch das ehemalige Haus der Elektroindustrie im Osten und das ehemalige Außenministerium der DDR im Westen. Die Struktur dieses Zentrums war nach Gründung der DDR noch keineswegs absehbar. Sie ist wesentlich ein Produkt der städtebaulichen Bemühungen der sechziger Jahre, die die großen Debatten um diesen Ort während der fünfziger Jahre zur Voraussetzung hatten.
Mit der Abdankung der Hohenzollern im Jahre 1918 hatte sich der Staat bzw. sein höchster Repräsentant formal von der Spreeinsel verabschiedet. Die Museumsinsel - einst ein Kind des Schlosses - vereinnahmte ihren Geburtsort, das Schloß wurde selbst Museum. Die Stadt hatte die ganze Spreeinsel zurückgewonnen. Dieser Funktionswechsel wurde erst in der DDR-Zeit wieder rückgängig gemacht - ausgerechnet in der Folge des auch durch lebhafte Proteste nicht abwendbaren Abrisses der Schloßruine.
Nach der Staatstribüne wurde auf dem leergeräumten Schloßgelände, dem Marx-Engels-Platz, 1962-64 der Sitz des Staatsrates errichtet. Mit diesem Gebäude erhielt der Platz zunächst das baugeschichtlich wertvollste Zeugnis der frühen DDR-Moderne in Berlin. Der 1964-67 folgende Bau des Auswärtigen Amtes signalisierte de facto ein neues Zentrumsverständnis. Erstmals brach dieses Gebäude im Dunstkreis des ehemaligen Stadtschlosses dessen Höhendiktat. Es verdeutlichte durch seine Barrierenwirkung den östlichen Abschluß des - geschrumpften - modernen Zentrumsbandes, das nach der Logik der späten sechziger Jahre vom Alexanderplatz bis zum Marx- Engels-Platz reichte. Dorotheen- und Friedrichstadt gerieten damit städtebaulich in einen Schatten. Allerdings wurde die Rekonstruktion ehemals herrschaftlicher Gebäude am östlichen Ende der Straße Unter den Linden auch in dieser Phase fortgesetzt - so etwa 1968/69 mit dem Wiederaufbau des Kronprinzenpalais. Zugleich wurde auch der geschlossene, in der Höhe begrenzte Straßenraum der Lindenallee bis zum Pariser Platz in moderner Form wiederhergestellt. Die lange Auseinandersetzung um die Ost-Begrenzung des Marx-Engels-Platzes, das heißt um den herrschenden Zentralbau, wurde erst in den siebziger Jahren beendet - durch den Bau des Palastes der Republik (1973-76), der dem Zentrumsband der Hauptstadt der DDR zwischen Marx-Engels- Platz und Alexanderplatz seine endgültige Form gab. Dieser Großbau diente als Tagungsort der "Volkskammer", aber auch und vor allem als Ort der Kultur, Begegnung und Unterhaltung, als zentraler Ort des öffentlichen Lebens - bis an die Grenze dessen, was an "Öffentlichkeit" in der DDR möglich war. Der Marx-Engels-Platz selbst blieb trotz aller Programmatik ein Halte-Platz von bescheidener stadträumlicher Bedeutung: Autoabstellplatz im Alltag, ganz selten Kundgebungsplatz. Selbst die Maidemonstrationen und die Oktobermilitärparaden fanden nach dem Bau des Palasts der Republik wieder in der Karl-Marx-Allee statt.
Seit 1959, also schon vor der Einrichtung des Staatsrats, besetzte das Zentralkomitee der SED den ehemaligen Reichsbankneubau auf dem benachbarten Friedrichswerder. Damit war eine nord-süd- gerichtete stadträumliche Barriere staatlicher Großbauten entstanden, die die Barrierenfunktion des ehemaligen Schlosses bei weitem übertraf.
Die Städtebaupolitik der DDR zielte weder auf eine Erhaltung noch auf eine Weiterentwicklung des historisch wertvollen Stadtraums, sondern auf einen radikalen Bruch mit der Vergangenheit. Das Ergebnis war auf der Westseite des ehemaligen Schlosses ein toter Stadtraum. Östlich der Spree wurde die in den zwanziger Jahren angedachte radikale Rationalisierung des Stadtgrundrisses exekutiert. Nach der Abräumung der noch erhaltenen Bauten entstand dort seit den sechziger Jahren - anders als in den zwanziger Jahren geplant - ein gewaltiger Freiraum. Dieser stellte zum einen - als radikale Abrechnung mit der alten Stadt - eine Fortsetzung der Hoffnungen der zwanziger Jahre dar, zum anderen aber - hinsichtlich der Alternative zur "alten" Stadt - etwas ganz Neues, Überraschendes. Die Alternative war nicht mehr die kompakte "moderne" City, sondern ein von Zentrumsfunktionen eingerahmter freier Raum mit architektonischer Ausstattung.
Damit war eine vollkommen neue städtebauliche Figur geschaffen - ein Dreisprung von Freiräumen unterschiedlichster Funktion und Qualität: der Marx-Engels-Platz, der große Freiraum zwischen diesem Platz und dem Alexanderplatz und schließlich der Alexanderplatz selbst. Mit dieser neuen Raumfolge wurde die Westorientierung des Schloßbereichs zugunsten einer Ostorientierung gebrochen.
Solange man einen Platz ausschließlich als formale Konfiguration von Gebäuden und Flächen begreift, bleibt kein Zweifel: Die DDR-Führung hat in den sechziger Jahren den im Krieg teilzerstörten Alexanderplatz gänzlich zerstört. Doch ein Platz ist mehr als "Architektur", er ist eine Bühne sozialer Begegnung, einer Begegnung derjenigen, die mit den Massenverkehrsmitteln hierher kommen, und derjenigen, die aus den angrenzenden Quartieren herbei hinstreben, nicht nur aus dem Scheunenviertel. Döblins Alexanderplatz war kein Architekturplatz, sondern eine Bühne gesellschaftlicher Randgruppen, eines harten Milieus, dessen Zurückdrängung mit städtebaulichen Mitteln schon Martin Wagner am Herzen gelegen hatte.
Zerstört wurde dieses Milieu aber mit ganz anderen Mitteln: durch den Terror der Nationalsozialisten, durch die Politik der Vertreibung und Vernichtung. Die Verfolgung vor allem der Ostjuden im Scheunenviertel hatten das Milieu des Alexanderplatzes zerstört; die Bomben des Weltkrieges trafen nur mehr die Kulisse eines Ortes, dessen soziales Leben bereits vernichtet war. Als Alfred Döblin 1947 erstmals nach dem Kriege wieder Berlin und den Alexanderplatz besuchte, notierte er: "Der Platz ist nicht leer, hier fahren einige Lastwagen, und Frauen schieben Kinderwagen, in denen sie Holz transportieren. [...] Ich blicke in die großen Straßen, die vom Platz ausgehen. Ich wandere die Münzstraße hinunter, hier gab es früher viele Lokale, auch zweifelhafte. Auch viel kriminelle Dinge sind hier passiert; es war ein ungeheuerliches Menschengewühl. Die Lokale entdecke ich nicht mehr. Ich bin wie Diogenes mit der Laterne, ich suche und finde nichts." (Dok. in: Tebbe/Jähner 1987, S. 131) Der Alexanderplatz der zwanziger Jahre war schon mehr als ein Vierteljahrhundert zerstört, als die Neugestaltung des Platzes in der DDR vorbereitet wurde.
Ohne Zweifel war die Neugestaltung als "Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens und des Handels" sehr radikal: Nicht nur die Fläche des Platzes wurde um das Drei- bis Vierfache vergrößert, auch die Raumbezüge wurden vollständig verändert. Der Platz wurde - wie schon von Martin Wagner geplant - in erster Linie nach Westen gewendet und zum Bestandteil des Zentrumsbandes der Hauptstadt der DDR. Dagegen bildeten nach Nordosten, Norden und Nordwesten extrem breite Fahrstraßen stadträumliche Barrieren für die Fußgänger. Die gestalterische Fassung des Platzes reichte allerdings über diese Barrieren hinaus.
Während die Gebäudefunktionen Kaufhaus, Hotel, "Haus des Lehrers" durchaus an die Tradition des Platzes anknüpften, finden sich gestalterische Bezüge zur Vergangenheit eigentlich nur in der Rekonstruktion der Bauten von Peter Behrens und in deren Höhenmaßstab: So orientiert sich etwa die Höhe des 200 Meter langen Bürohauses nördlich des Alexanderplatzes an der Höhe der Behrensbauten. Übertroffen wurde diese Traufhöhe von den mittleren, in der Höhe gleichen Hochhäusern und dem alles überragenden "Bettenturm", dem Hotel "Stadt Berlin" mit einer Höhe von über 100 m. Das Hochhaus sollte den "Drehpunkt" der zentralen Achse markieren, die von der Straße Unter den Linden zur Karl-Marx-Allee führt.
In mancherlei Hinsicht ist der DDR-Platz eine - keineswegs lineare, aber mögliche - Weiterentwicklung des Alexanderplatz-Projektes der zwanziger Jahre: Er ist Teil eines modernen, nach Osten hin erweiterten Zentrums auf den Trümmern der alten Stadt, er ist autogerecht und separiert die Fußgänger vom Autoverkehr.
Nachdem alle Versuche, die zentralen Orte des Ostens - nicht nur den Alexanderplatz, sondern auch die Altstadt und das Scheunenviertel - radikal aufzuwerten, sie also den Plätzen und Straßen des Berliner Westens anzugleichen, gescheitert waren, machten die Planer und Politiker der DDR-Zeit aus der Not eine Tugend: Der Alex wurde zum Platz des Ostens schlechthin. Das immer wieder beklagte strukturelle Gefälle des Zentrums wurde rabiat zurechtgerückt: durch die vollständige Neuordnung des Gebiets der Altstadt östlich des Schlosses. Damit war das Schwergewicht des Zentrums nach Osten hin verschoben.
Ausgangs- und Angelpunkt des Freiraums der sechziger Jahre war der Fernsehturm (1965-69), der konzeptionell als Höhendominante in die Fußstapfen des bislang in der Nähe geplanten Zentralen Hochhauses getreten ist. Der Fernsehturm stellt die Türme von Marienkirche und Rathaus mit voller Absicht in den Schatten. Die Silhouette des Freiraums prägen im Westen der - hinsichtlich seiner Erhaltung lange umstrittene - Berliner Dom (1975-81 äußerlich rekonstruiert) und im Osten das Hotelhochhaus am Alexanderplatz (1967-70). Die Umbauung des Fernsehturms (1969-72) diktierte die Gestaltung des Freiraums bis zur Spandauer Straße, deren Untertunnelung im übrigen bereits 1959 geplant war. Der Freiraum wurde dem Fernsehturm untergeordnet, gestalterisch in ein Sechseckmuster gezwungen, "hexagonalisiert".
Konzeptionell fand der Freiraum zunächst an der Spandauer Straße seine Grenze. Auf dem Gelände westlich dieser Straße war noch Ende der sechziger Jahre ein Zentrales Gebäude geplant. Die perspektivische Erweiterung in Richtung Westen war erst das Ergebnis politischer Entscheidungen des Jahres 1973. Zu den "X. Weltfestspielen der Jugend und Studenten" im Sommer 1973 legten FDJ-Aktivisten auf dem Gelände des späteren Marx-Engels-Forums einen Park an. Bereits im März 1973 faßte das Politbüro der SED den Beschluß zum Aufbau des Palastes der Republik, und im November 1973 wurde der Grundstein des Palastes auf der Westseite der Spree gelegt. Der Standort für ein Zentrales Gebäude östlich der Spree war damit aufgegeben, die Entscheidung für die Verlängerung des Freiraums in Richtung Westen war gefallen.
Der zu den "Weltjugendfestspielen" angelegte Park wurde in den Jahren 1984/85 zu einem Marx- Engels-Forum umgestaltet. Die neue Anlage mit der Bronzeplastik von Ludwig Engelhardt und den "Stelen", die städtebaulich als Verlegenheitsersatz für das geplante zentrale Gebäude zu betrachten ist, führte zu einem Rückbau der Grünbereiche und zu einer Einschränkung der Nutzung. Die Gestaltung des "Forums" erfolgte zeitgleich mit der Endphase des Baus des benachbarten Nikolaiviertels (1980-87). Hier war eine Idee der dreißiger Jahre wiederaufgenommen und in DDR- spezifischer Weise modifiziert worden. Als städtebauliche Krönung der 750-Jahr-Feier (Ost- )Berlins signalisierte das pseudomittelalterliche Viertel zugleich ein völlig andersartiges Verständnis von sozialistischem Umgang mit den mittelalterlichen Gründungsorten Berlins als die benachbarte Fischerinsel. Das durchaus populäre, von Architekten aber eher weniger geschätzte Viertel demonstriert in freier Nachempfindung eines "mittelalterlichen" Stadtgrundrisses eine Kombination "historischer" Gebäude und "angepaßter" Plattenbauten in simulierter vorindustrieller Höhenstaffelung.
Nikolaiviertel plus Forum bildeten so - nach den Bauten des Palasts der Republik und des Palasthotels aus den siebziger Jahren - die letzten Großbausteine der Gesamtanlage. Diese Bausteine der achtziger Jahre ordneten sich konzeptionell der in den sechziger Jahren begründeten neuen städtebaulichen Großfigur des zentralen Freiraums unter.
Seine einprägsame Gestalt erhielt der Freiraum durch die strenge Form eines riesigen Rechtecks. Die Seiten dieses Rechtecks haben jeweils ihre Besonderheiten. Im Osten vermittelte die S- Bahntrasse (Bahnhof 1963-64 rekonstruiert) zum Verkehrsknotenpunkt und östlichen Büro- und Geschäftszentrum Alexanderplatz. Im Süden erstreckte sich die bauliche Sequenz "Baukomplex Rathausstraße" (1967-73)/Rathaus (1861-69)/Nordfront des Nikolaiviertels. Das Rathaus verlor durch diese Einordnung seine herausragende städtebauliche Bedeutung und wurde auf eine Facette der Südseite des Freiraums reduziert. Rathauspassage wie Nikolaiviertel beherbergen - wenn auch in baulich sehr verschiedener Form - eine bunte Funktionsmischung von Wohnen, Einkaufen und Gastronomie. Die Westseite wird durch den Palast der Republik städtebaulich relativ überzeugend besetzt. Im Norden erstreckte sich die bauliche Sequenz Palasthotel (1976-79)/"Baukomplex Karl- Liebknecht-Straße Ecke Spandauer Straße" (1968-73)/"Wohnscheibe". Der Baukomplex und die Scheibe beherbergen eine ähnliche Funktionsmischung wie die Rathauspassagen - die Scheibe wurde zusätzlich durch die Markthalle bereichert. Die Neubauten der sechziger Jahre haben in der Regel eine Höhe von etwa 42 Metern, also die doppelte Berliner Traufhöhe.
Der Freiraum selbst war und ist - unabhängig von seiner formalen Gestaltung - funktional fragmentiert. Seine Gebrauchsqualität für Anwohner und Besucher wurde durch die überdimensionierten Hauptverkehrsstraßen Karl-Liebknecht-Straße und Spandauer Straße eingeschränkt. Die vorhandenen Fixpunkte wie Fernsehturm, Marienkirche, Neptunbrunnen (1969 restauriert aufgestellt), Kaskadenbrunnen und - jenseits der Spandauer Straße - das Marx-Engels- Denkmalsensemble waren nicht in der Lage, den Großraum ausreichend zu strukturieren und eine bunte Gebrauchspalette anzubieten bzw. anzuregen. Die Form des Sechsecks erschließt sich nur aus der Vogelschau und läßt Flexibilität wie Variabilität vermissen.
Der radikalen planerischen Modernisierung der späten fünfziger Jahre folgte in den sechziger Jahren der Kahlschlag wichtiger überkommener Gebäude: der Abriß der (bereits im Wiederaufbau befindlichen) Bauakademie (1961/62), der Petrikirche (1964) und des gesamten Fischerkietzes. Mit der Bauakademie und der Petrikirche verlor das Zentrum Berlins nicht nur zwei historische Gebäude, sondern auch zwei Halte-Plätze, den Werderschen Markt und den Petriplatz. Der Abriß des kleinteilig parzellierten und bebauten Fischerkietzes und die Auslöschung des artikulierten Straßenzuges zwischen Gertraudenbrücke und Mühlendamm waren für die Identität Berlins mindestens ebenso folgenschwer wie der Abriß des Stadtschlosses: Hier wurde einer der beiden Gründungsorte Berlins nahezu spurlos beseitigt. Lediglich die kaiserzeitliche Gertraudenbrücke und der nahegelegene, in den siebziger Jahren rekonstruierte Altbaublock an der Scharrenstraße bilden bis heute ein Relikt verflossener Zeiten. Die neue, achtspurige Autopiste der Gertraudenstraße sprengte auch den Zusammenhang zwischen nördlicher und südlicher Bebauung und isolierte den Stadtraum der Fischerinsel. Die Neubebauung mit Hochhäusern bringt diese Isolierung zum Ausdruck: Sie ist sich selbst genug - ohne jede stadträumliche Vernetzung in irgendeine Richtung. Funktional war die reine Wohnbebauung eine programmatische Antwort auf die kapitalistische City.
Der Friedrichswerder besaß in dieser neuen Figuration überhaupt keinen Halte-Platz mehr. Aus dem Werderschen Markt wurde ein Restraum ohne Attraktivität, das gleiche gilt für den Spittelmarkt - und, mit Abstrichen, für den Hausvogteiplatz. Einsam, ohne stadträumliche Einbindung, wird der seltsame Restraum durch den Bau der Reichsbank, den ehemaligen Sitz des Zentralkomitees der SED, dominiert, dessen gekrümmte, jetzt freigelegte Form allein an die Gestalt des alten Friedrichswerder erinnert. Die Machtzentrale der DDR hatte jeden Kontakt mit der Stadt vermieden.
Mit der Reduktion der südlichen Spreeinsel zu einer Transitzone ging ein bereits in den dreißiger Jahren eingeleiteter Verlust des Bezugs des Zentrums zum Wasser einher. Die neuen, modernen Flußübergänge entlang der Hauptstraßenzüge sind weder als Brücken inszeniert noch als solche erfahrbar - so die Mühlendammbrücke, die damals größte Spannbetonbrücke der DDR (1964-68), und die neue Gertraudenbrücke (1977/78). Jenseits des Autoverkehrs sind - bis heute - einige alte Brücken in vereinfachter Form erhalten - die Jungfernbrücke und die kaiserzeitliche Gertraudenbrücke, die neben der neuen Auto"brücke" als bescheidene Nebenbrücke für Fußgänger ihr Dasein fristet.
Nach dem Untergang der DDR sollte das Zentrumsband, das die Hauptstadt der DDR symbolisch zusammenfaßte, neu gestaltet werden. Zwei Vorgänge waren hier von Bedeutung: die Vorbereitungen zum Umbau des Alexanderplatzes und zum Umbau des Marx-Engels-Platzes. Beide Vorhaben hatten unterschiedliche Protagonisten: Beim Alexanderplatz drängten private Investoren aus dem Westen zum Bau verdichteter Büro- und Geschäftsflächen, beim Marx-Engels- Platz (seit November 1994 Schloßplatz) drängte die Bundesregierung im Rahmen der Hauptstadtplanung auf die Festlegung von Regierungsstandorten, zugleich forderte eine nicht nur konservative Kulturlobby den Wiederaufbau des Schlosses. Beide Plätze waren Gegenstand städtebaulicher Ideenwettbewerbe. Beide Plätze hielten Berlin in Atem: Sie beherrschten die öffentliche Aufmerksamkeit, sie waren Gegenstand eines Streites, der auch die Bevölkerung zu unüberhörbaren Protesten trieb. Weitaus weniger öffentliche Aufmerksamkeit fand dagegen der zentrale Raum des Zentrumsbandes, der gewaltige Freiraum mit dem Fernsehturm.
Der Umgang mit der zentralen Hinterlassenschaft des DDR-Städtebaus ist ein Gradmesser der aktuellen Städtebaukultur, aber auch der politischen Kultur des "Zusammenwachsens" von Ost und West überhaupt. Die Komplexität und Bedeutung dieses Umgangs sind damit aber noch nicht erschöpft. Es geht hier ja nicht nur um das Zentrum der ehemaligen DDR, sondern zugleich um einen Ort, der die Geschichte Berlins wie kein anderer spiegelt und bündelt.
Als erster Bereich des ehemaligen Zentrumsbandes wurde der Alexanderplatz ein Gegenstand städtebaulicher Neugestaltungsbemühungen. Seine Erneuerung sollte exemplarisch für die Erneuerung des Ostens stehen. Der künftige Platz - das war der nicht gerade bescheidene Anspruch - müßte der Mitte Berlins eine neue Identität geben.
Wie der Platz erneuert werden soll, schien nach dem Wettbewerb geklärt zu sein. Bekannt ist zumindest ein Bild des neuen Platzes, das im Prozeß des Wettbewerbs entstanden ist, die Vision des Wettbewerbsgewinners Hans Kollhoff, die den Zustand des Platzes im Jahre 2010 darstellen soll. Das Bild war fachlich durch das Preisgericht und politisch durch die zustimmende Haltung des Senators für Stadtentwicklung und Umweltschutz legitimiert.
Interpretiert wird das prämiierte Bild des neuen Platzes in einem fiktiven Artikel aus dem Jahre 2010, der sich in der offiziellen Publikation zu den Ergebnissen des Wettbewerbs findet: "Auf Kollhoffs Plan gehen die seit nunmehr zwölf Jahren bestehenden Cafés, Restaurants und Geschäfte am Platz zurück. Sie sind nach Süden ausgerichtet und wegen des ständigen Sonnenscheins bis abends gerammelt voll. Dichtes Treiben herrscht auf dem Platz nicht erst seit der Verlängerung der Ladenöffnungszeiten im Jahr 1999. [...] Heute ist der Alex das, was Architekt Kollhoff einst erreichen wollte: ein 'Peoples Place' - ein Platz für die Menschen: Auf den Steinen rund um die Glaskuppel sitzen Porträtzeichner, daneben Andenkenhändler. [...] Die Hütchenspieler sind seit 1997 nicht mehr auf dem Pflaster zu finden - zu diesem Zeitpunkt setzte sich in der Rechtsprechung durch, daß es sich bei dem Spiel um Betrug handelt." (Paul 1993)
Das ist zweifellos eine sozialräumliche Vision: keine Hütchenspieler, aber Porträtzeichner, Andenkenhändler und eine nicht näher differenzierte Masse wimmelnder Menschen; Menschen, die die Cafés, Restaurants und vor allem die Geschäfte mit längeren Ladenschlußzeiten besuchen, also Waren nachfragen. Der Alexanderplatz soll "eine große städtische Stube" werden, so die Worte Kollhoffs, "wo sich die Menschen zuhause fühlen", ein "People's Place" also. Darauf legen die Interpreten des Bildes großen Wert. Denn ein "People's Place" war ja der Platz auch schon früher - Viehmarkt in der Zeit des Absolutismus, Einkaufs- und Vergnügungszentrum um die Jahrhundertwende und vor allem Bühne gesellschaftlicher Randgruppen in der Weimarer Republik.
Der Alexanderplatz ist zugleich der Ort, an dem wenigstens einer der vielen Modernisierungspläne der zwanziger Jahre auch einmal praktisch umgesetzt werden konnte. Ein Ort der Großstadtgestaltung unter der Regie des damaligen Stadtbaurats Martin Wagner, ein Ort, der seitens der Disziplin Architektur besondere Aufmerksamkeit beanspruchte und beanspruchen kann.
Tatsächlich soll auch der künftige Alexanderplatz an die Tradition der zwanziger Jahre anschließen. Es ist beabsichtigt, die überkommenen Bauten der damaligen Zeit zu erhalten, an deren Höhen die Traufhöhen der Blöcke zu orientieren und die Größe des damaligen Platzes wiederherzustellen.
Formale Tradition und ein erneuerter Sozialraum - auf diese beiden Aspekte hebt die offizielle Interpretation des Bildes des Alexanderplatzes von morgen ab. Diesem Bild liegt eine äußerst negative Einschätzung des vorhandenen Alexanderplatzes zugrunde, die in der Behauptung einer "städtebaulichen Wüste" ihren Höhepunkt findet.
Von "Brache", "öder Betonwüste" und ähnlichem zu reden, zeugt aber von einem geringen Grad an Nüchternheit. Der heutige Alexanderplatz ist ein Produkt städtebaulicher Überlegungen im Kontext einer Gesamtplanung für das Ost-Berliner Zentrum, deren Ergebnis sicher kritisiert werden muß. Doch statt einer Kritik wird der platte Weg der Diffamierung bevorzugt. Beliebt ist etwa die völlig unzulässige Gleichsetzung des Platzes mit dem Areal am Potsdamer Platz.
Daß der Alexanderplatz, nicht der Marx-Engels-Platz der eigentliche zentrale Platz Ost-Berlins war, steht außer Zweifel. Auch, daß er kein Aufmarschplatz war, sondern ein Ort des Alltags, eine Drehscheibe des öffentlichen Massenverkehrs, ein Ort mit einem oft etwas besseren Konsumangebot. Daß die dramatische Veränderung der Platzes nach 1989 nicht nur mit der "Alternative Kurfürstendamm" erklärt werden kann, ist ebenfalls unbestreitbar: Die funktionale Leere der Gebäude am Alexanderplatz, insbesondere in den Erdgeschoßzonen, war ein Produkt der W endezeit.
Was diesen Platz offenbar bei vielen westlichen Architekten diskreditiert, ist seine Entstehungszeit, die sechziger Jahre. Den Platz als Produkt "sozialistischen", ja "kommunistischen" Städtebaus oder gar als "Rache Ulbrichts" zu begreifen, ist allerdings etwas kurzsichtig. Der moderne Alexanderplatz ist vor allem ein Produkt einer ost-west-übergreifenden Städtebauideologie der Sechziger-Jahre-Moderne. Seine "kommunistische" Besonderheit drückt sich darin aus, daß sein Bau sich - anders als bei Martin Wagner, aber durchaus in dessen Sinne - über die Restriktionen des privaten Bodeneigentums hinwegsetzen konnte. Der Alexanderplatz wurde - im Gegensatz zu manchen vergleichbaren Projekten im "Westen" - als Zeichen einer angeblich besseren Stadt nicht nur gezeichnet, sondern auch gebaut.
Die Träume der sechziger Jahre sind aber heute in westlichen Fachkreisen in einer Weise kulturell entwertet, daß die geplanten rabiaten Umgangsformen verständlich werden. Zur Disposition standen nach der Wende nahezu alle Neubauten der DDR-Zeit. Zu denken geben sollte nicht nur der geplante Kahlschlag, sondern auch die Tatsache, daß dieser Kahlschlag gar nicht begründet wurde, gar nicht begründet werden mußte, kein Ergebnis differenzierter Analysen war, die sich dem Feuer der öffentlichen Diskussion gestellt hätten. Wie früher die verhaßte Stadt des 19. Jahrhunderts schien der Abriß der städtebaulichen Produkte der sechziger Jahre keiner Legitimation mehr zu bedürfen. Die unverantwortliche Rede von einer "städtebaulichen Wüste" machte jede differenzierte öffentliche Diskussion und Bewertung überflüssig. Damit war der Boden für eine Neugestaltung aus einem Guß kulturell vorbereitet, das alternative Konzept des "Weiterbauens" am Bestand dagegen der Lächerlichkeit preisgegeben.
Im Januar 1993 schrieb die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz zusammen mit den interessierten Investorengruppen einen beschränkten, zweistufigen Wettbewerb aus. Die Auslobungsbroschüre kann als Wunschliste der Investoren betrachtet werden, der keine entsprechenden Positionen der öffentlichen Hand gegenübergestellt wurden. Auf der Wunschliste standen in erster Linie Büroräume. Büroräume wurden in der Interpretation des Zukunftsbildes schlicht vergessen. Cafés sind ja auch werbewirksamer als Büros. Fünf Architektengruppen wurden im April 1993 für die zweite Stufe des Wettbewerbs ausgewählt. An der zuständigen Jury waren die Investoren maßgeblich beteiligt.
Im Juni 1993 wurde die zweite Stufe des Wettbewerbs gestartet. Die Rahmenbedingungen hatten sich inzwischen verändert: Die Wunschliste der Investoren war obsolet geworden. Der Markt für Büroflächen expandierte nicht so stürmisch wie erwartet. Investoren anderer Standorte hatten gegen die Massierung von Büroflächen am Alexanderplatz Stellung bezogen. Der mit dem Verfahren nicht befaßte Bausenator machte sich zum Anwalt dieser Stimmen und forderte eine Reduzierung der geplanten Büroflächen. Der Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz näherte sich dieser Position an. Den Richtungswechsel förderte die unerwartet heftige Ablehnung der Neugestaltungsprojekte durch die Bevölkerung, insbesondere durch die Bewohner der angrenzenden Stadtteile. Diese Bewohner brachten ihre berechtigte Angst vor den negativen Folgen eines solchen Megaprojekts für die nahen Wohnviertel in der Spandauer Vorstadt und im Norden wie Osten des Alexanderplatzes lautstark zum Ausdruck.
Im September 1993 wurden die Ergebnisse der zweiten Wettbewerbsstufe der Öffentlichkeit präsentiert. Wie zu erwarten war, konnte das in der Ausschreibung formulierte Programm nicht mehr grundsätzlich in Frage gestellt werden. Fast 1 Million Quadratmeter Bruttogeschoßfläche sollten gebaut werden, davon über 600.000 Quadratmeter - also mehr als die Hälfte - Bürofläche. Gewonnen wurde der Wettbewerb - wie bereits erwähnt - von Hans Kollhoff.
Kollhoffs Vorschlag ist ein klassisches Projekt eines neuen Platzes aus einem Guß. Seine Agglomeration von Hochhäusern im Geflecht von Blockstrukturen kann nur so, wie vorgeschlagen, und nicht anders realisiert werden. Das war jedenfalls die Aussage von Kollhoff. Die Zahl der Hochhäuser von immerhin etwa 150 Metern Höhe ist fixiert, ebenso ihr Standort. Jeder Standort ist hinsichtlich Nahsicht wie Fernsicht begründet. Das schließt jede weitere Entwicklung vor, während und nach Fertigstellung des Projekts aus.
Der Bezug zum Platz der zwanziger Jahre beschränkte sich auf die in der Ausschreibung geforderte Erhaltung der Bauten von Peter Behrens, die zugleich die Traufhöhe der neuen Blockrandbebauung vorgaben. Eine Auseinandersetzung mit dem Thema Platz des Ostens wurde nicht sichtbar. Kollhoff operationalisierte faktisch die These von der "städtebaulichen Wüste". Er will die vorhandene Bebauung weitgehend abbrechen. Der Platz wird wieder verkleinert. Die Hochhäuser werden vom Platz abgerückt, sie sollen den Platz halbkreisförmig einfassen. Damit hat die geplante Raumfigur eine Vorderseite und eine Rückseite. Die Vorderseite ist nach Westen orientiert. Das geforderte Flächenprogramm wurde in dem Bebauungsvorschlag übererfüllt. Die Zahl der ausgewiesenen Parkplätze betrug über 11.000.
Überraschend ist das grenzenlose Vertrauen der Jury wie der Verantwortlichen in ein Projekt aus einem Guß, in ein Projekt solcher Rigidität, das dem jahrzehntealten, nie erfüllten Traum von städtebaulich sauber verordneten Hochhäusern weiter nachhängt. Mehr als 20 Jahre, so die völlig unbegründete Hoffnung, werde das Konzept Bestand haben. Damit wird das Problem der Operationalisierung eines solchen Großprojektes erneut der öffentlichen Diskussion entzogen. Präsentiert wird ein fertiges Bild, ein Bild des Endzustands, der Weg zu diesem Endzustand bleibt im Dunkel.
Seine Befürworter feiern den siegreichen Entwurf als Ausdruck "Berlinischer Architektur". Der zuständige Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz spricht von "einer berlinischen Form zeitgenössischen Städtebaus". (Hassemer 1993) Einer näheren Betrachtung hält diese These nicht stand. Berlinisch - das heißt im offiziellen Sprachgebrauch Steinfassaden, Orientierung am steinernen Berlin, das heißt auch Blockstrukturen, Hochhäuser, die aus dem Block herauswachsen und keine Solitäre sind. Steinerne Hochhäuser im Kontext von baulichen Blockstrukturen sind aber Elemente einer internationalen Architekturströmung der zwanziger Jahre, hinter denen spezifische gesellschaftliche Leitbilder von moderner Stadt standen. Für Berlin schlug Bruno Möhring ähnliche Hochhäuser vor, die allerdings nie gebaut wurden. In den USA präsentierte Hugh Ferris in seinen berühmten Zeichnungen Visionen einer solchen Architektur.
Die Folgen des überzogenen Projekts für die angrenzenden Stadtteile sind bislang nicht ernsthaft geprüft worden, obwohl dies bei öffentlichen Anhörungen mehrfach gefordert wurde. Ohne eine Wirkungsanalyse ist aber nur eine eingeschränkte, formale Bürgerbeteiligung möglich. Dennoch war der Protest vor allem der Bewohner der Umgegend massiv - blieb aber hinsichtlich der Planung weitgehend folgenlos. Das ist eine schlechte Voraussetzung für die identitätsstiftende Kraft eines "People's Place". Statt eines Bürgerplatzes für den Berliner Osten wird ein Bürozentrum für westliche Investoren entstehen. Statt zu den angrenzenden Stadtteilen zu vermitteln, werden diese bedrängt. Die Beschwörung eines "People's Place" bleibt ohne realen Gehalt, Ausdruck aber auch der Unsicherheiten westlicher Akteure auf Ost-Berliner Boden.
Das scheinbar klare Bild des neuen Alexanderplatzes begann allerdings schon bald nach der Wettbewerbsentscheidung zu flimmern. Der Bausenator machte sich für eine Erhöhung der Zahl der Neubauwohnungen und eine Reduzierung der Zahl der Hochhäuser stark. Dies führte zu einer kuriosen Situation: Ausstellungsmodelle des künftigen Berliner Zentrums zeigten nun zwei unterschiedliche Versionen des Alexanderplatzes - eine mit mehr (Version der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz) und eine mit weniger Hochhäusern (Version der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen). Aber nicht nur das Bild des neuen Platzes wandelte sich, sondern auch die geplante Nutzung: Angesichts der sich zuspitzenden Überproduktion von Büroräumen erhöhte sich die Quote des geplanten Wohnraums weiter. Die für den Bereich Alexanderplatz vorgesehene Erstellung eines Bebauungsplanes wurde schließlich dem widerspenstigen Bezirk Mitte entzogen. Ungeachtet aller Planungen aber zeigte sich bald, daß von schnellen Neubauinvestitionen nicht mehr die Rede war.
Verringerung des fließenden wie ruhenden Autoverkehrs, Mischung nicht nur in funktionaler, sondern auch in sozialer Hinsicht, Bildung eines bunten Spektrums auch kleinteiligen Eigentums - das sind einige Anregungen, die die Geschichte des Alexanderplatzes nahelegt. Der Platz darf nicht zum Büroplatz verkümmern. Die geplante Bürofläche muß vermindert, die geplante Wohnfläche erhöht werden. Insgesamt müßte die geplante bauliche Dichte - zur Entlastung der Umgebung wie zur Rettung der polyzentralen Struktur Berlins - drastisch reduziert werden. Gestalterisch ist das Konzept einer städtebaulich verordneten Hochhausagglomeration alles andere als berlinisch und hinsichtlich der praktischen Umsetzung illusorisch. Erforderlich sind weiter der Abschied vom Konzept des Wegwerfplatzes und die Umorientierung in Richtung Weiterbauen unter Verzicht auf "Regelmäßigkeit".
Weiter, aber wohin? Im Konzert der verschiedenen künftigen zentralen Lagen Berlins wird - so kann vermutet werden - der Alexanderplatz ein Fixpunkt des Ostens bleiben - wenngleich sich das, was sich als Milieu des Ostens darstellt, natürlich verändert hat und weiter verändern wird. Dennoch wird eine reine Aufwertungsstrategie scheitern, eine Strategie der Aufwertung durch Büros mit Spitzenpreisen, durch Einkaufswelten mit Topwaren, durch Luxuswohnungen und die angeblichen Speerspitzen der Urbanität, die feinen Cafés: Geschichte, Gegenwart und absehbare Zukunft werden diesen Platz wieder einholen, das heißt zu einem Platz des Ostens machen. Der künftige Alexanderplatz sollte seine historisch-geographische, sozialräumliche Lage funktional wie gestalterisch nicht krampfhaft verleugnen, sondern von vornherein offensiv als "Herz und Seele des Ostens" konzipiert werden - so schon der Vorschlag des Großgrundbesitzers Heinrich Mendelsohn im Jahre 1929.
Als zweiter Bereich des ehemaligen Zentrumsbandes der DDR soll der Marx-Engels-Platz, jetzt Schloßplatz, erneuert werden. Der ehemalige Schloßbereich gilt vielen als Mitte der Mitte Berlins, als das Zentrum schlechthin. Wie dieser Ort gestaltet werden soll, ist heftig umstritten. Ein privater, durch finanzkräftige Sponsoren unterstützter "Förderverein Berliner Stadtschloß" fordert den Wiederaufbau des zerstörten Stadtschlosses; eine finanziell schwache, aber durch einen breiten Protest vor allem von Ost-Berliner Bürgern beflügelte "Spreeinselinitiative" fordert den Erhalt des Palasts der Republik, eine dritte, architektonische Fraktion fordert etwas Neues: zeitgemäße, "moderne" Architektur. Konsens herrscht lediglich hinsichtlich einer Auffassung: Die räumliche Struktur des Marx-Engels-Platzes ist unbefriedigend.
Das Bild des künftigen Platzes ist entsprechend umstritten. Der eindringlichen, längere Zeit zu bewundernden Fassadenkulisse des verschwundenen Schlosses im Maßstab 1:1 standen keine entsprechend klaren Bilder der beiden anderen Grundsatzpositionen gegenüber. Für die Befürworter des Wiederaufbaus soll das neue Schloß der Ort werden, an dem die Identität der nicht richtig zusammenwachsenden Stadt einen neuen Halt finden kann.
Diese Auffassung war die Folge einer erneuten Westorientierung des ehemaligen Schloßbereiches. Diese Entwicklung war nicht weiter verwunderlich: Der Blick der neuen Planer, Architekten, Politiker und Investoren war fast ausschließlich ein Blick von Westen, und die Wiedergeburt der Dorotheen-/Friedrichstadt gab diesem Westblick eine materielle Basis. Für den Blick von Westen ergab sich vor allem ein zentrales Problem: Die Sicht von der Straße Unter den Linden in Richtung Osten war gestört. Dieses Problem erheischt - so die Argumentation - den Wiederaufbau des Schlosses.
Tatsächlich war es nur der Blick, der die Emotionen wallen ließ, die Funktion des neuen Schlosses wurde kaum diskutiert, interessierte die Wiederaufbaustrategen weniger. Die Zähigkeit dieser Sichtweise überlebte sämtliche Turbulenzen der Hauptstadtplanung: die geplante Verortung und Entortung des Bundespräsidenten, die Verortung und Entortung des Außenministers.
Mit dem internationalen städtebaulichen Ideenwettbewerb "Spreeinsel" wurde im Herbst 1993 der Versuch gestartet, ein neues oder altes Bild des ehemaligen Schloßbereichs zu finden. Immerhin 1.105 Teilnehmer legten in der ersten Wettbewerbsphase Entwürfe vor. Das war - nach dem Wettbewerb Spreebogen mit 835 Teilnehmern - ein neuer Rekord. Die Auslober des Wettbewerbs beabsichtigten vor allem eines: die Vorbereitung eines zweiten Regierungsschwerpunktes im Zentrum von Berlin - am und um den Marx-Engels-Platz. Dies war nicht nur das Interesse der Bundesregierung, sondern auch des Senats von Berlin, der ja immer seine "Hausaufgaben" erledigen muß, um den Hauptstadtumzug nicht zu verzögern.
Allerdings war das Gebiet des Wettbewerbs "Spreeinsel" viel größer: Es umfaßte den Hauptteil des alten Friedrichswerder und einen Großteil der südlichen Spreeinsel. Gerade dieses Gebiet hätte Berlin besonders interessieren müssen. Denn hier hatte sich mit der Stadt Cölln eine Wiege der Hauptstadt befunden, hier hatte über Jahrhunderte das Herz des bürgerlichen Berlin geschlagen, das zum herrschaftlichen Berlin um das Schloß kontrastierte. Hier war der Ort, der die für das Berliner Zentrum entscheidenden Ost-West-Beziehungen vermittelte. Der Umgang mit dem doppelten historischen Ungleichgewicht zwischen westlichem und östlichem Teilzentrum sowie zwischen herrschaftlichem Norden und bürgerlichem Süden auf der Insel selbst stellte die zentrale strukturelle Aufgabe dar, der sich die Verortung der Regierungsstandorte hätte unterordnen müssen.
Das durch Neubauten zu realisierende Nutzungsprogramm schien durch die Auslobungsunterlagen auf den ersten Blick relativ eindeutig formuliert: Gefordert wurde - neben dem Neubau des Außenministeriums und dem Kopfbau des Innenministeriums - ein Kongreßzentrum und eine städtische Bibliothek. Allerdings änderten sich während des Wettbewerbsverfahrens die Konditionen wesentlich: So wurde der Raumbedarf des Außenministeriums von 130.000 auf 100.000 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche reduziert. Nach Abschluß des Wettbewerbs wurden für die Nutzung der Reichsbank die Karten neu gemischt: Statt des Innenministeriums sollte nun das Wirtschaftsministerium einziehen; der geplante Kopfbau wurde zurückgestellt. Besonders wackelig war nämlich die materielle Fundierung des gesamten Bauprogramms - und zwar nicht nur bei den Neubauten der Ministerien. Offen war vor allem die Finanzierung der großen nicht-ministeriellen Einrichtungen am Marx-Engels-Platz: des Kongreßzentrums und der städtischen Bibliothek.
Viel sicherer waren sich die Auslober offenbar in ihrer grenzenlosen Geringschätzung des baulichen DDR-Erbes. In der Auslobungsbroschüre wurde - mit allem Nachdruck - der Abriß des Palasts der Republik gefordert, ebenso der Abriß des DDR-Außenministeriums. Ob auch das Staatsratsgebäude - ein eingetragenes Baudenkmal - abgebrochen werden sollte, wurde den Teilnehmern überlassen. Der Abriß des markanten Gaststättenkomplexes "Ahornblatt" an der Gertraudenstraße wurde nahegelegt. Auch die meisten DDR-Bauten zwischen dem Staatsratsgebäude und der Gertraudenstraße standen zur Disposition. Vom Abriß ausgenommen waren - aus wohnungspolitischen Gründen - die Wohnbauten der DDR-Zeit, darunter das Ensemble der "Fischerinsel". Mit diesen Vorgaben wurde erneut - nach den (schlechten) Erfahrungen am Alexanderplatz - ein beispielloser Kahlschlag stimuliert.
Trotz des ungeklärten Gesamtkonzeptes für den Zentrumsverkehr wurden in der zweiten Wettbewerbsphase neue verkehrspolitische Vorgaben ins Spiel gebracht, die zu Alarm Anlaß gaben. War schon die Forderung nach 1.100 Tiefgaragenplätzen für die beiden Ministerien und das Konferenzzentrum sehr problematisch, so mußten die Anforderungen an die "Hauptverkehrsstraßen" Unter den Linden, Gertraudenstraße und Breite Straße für ein großstädtisches Zentrum als unerträglich bezeichnet werden.
Für die Breite Straße wurden vier Fahrstreifen plus zwei Park-/Lieferstreifen gefordert. Damit konnte diese ehemals herrschaftliche Straße zwar zurückgebaut werden, aber nicht im erforderlichen Umfang. Mit der Planung von sechs Fahrstreifen plus besonderem Bahnkörper für die Straßenbahn in der Gertraudenstraße wurde bereits im Vorfeld die Abwertung und Isolierung der südlichen Spreeinsel als Stadtraum und die weitere Reduktion der Gertraudenstraße als Transitzone fortgeschrieben.
Die Zusammensetzung des Preisgerichts war schon hinsichtlich der quantitativen Präsenz der Auslober nicht ganz unproblematisch. Unverantwortlich war aber das geringe Gewicht von Preisrichtern aus den neuen Bundesländern, die Ausgrenzung von Sichtweisen und Wertungen aus dem Osten.
Aufgrund all dieser Weichenstellungen waren die Neugestaltungspläne für die Spreeinsel weitgehend vorprogrammiert: Konzentration auf die Regierungsbauten, Kahlschlagorientierung gegenüber den DDR-Bauten vor, Autoorientierung wie zu DDR-Zeiten und Vernachlässigung der strukturellen Hauptaufgabe, nämlich die städtebaulichen Ungleichgewichte im Berliner Zentrum zu überwinden.
Wie zu befürchten war, richtete sich die Aufmerksamkeit der Teilnehmer, des Preisgerichts und der Öffentlichkeit einseitig auf die Gestaltung des Umfeldes des Marx-Engels-Platzes. Fragen der Nutzung blieben weitgehend ausgeklammert, nachdem die Auslober des Wettbewerbs den ungefähren Standort und das Raumprogramm für das Auswärtige Amt festgelegt und eine Kombination von Kongreßzentrum und Stadtbibliothek für das zentrale Gebäude der "Berliner Republik" ins Spiel gebracht hatten.
Der Marx-Engels-Platz ist zweifellos ein Angelpunkt der Berliner Stadtentwicklung - in politischer, städtebaulicher und symbolischer Hinsicht. Die Gestaltung dieses Platzes mußte nicht nur aus der Westsicht, von der Straße Unter den Linden her, sondern auch aus der Ostsicht, vom Fernsehturm her, diskutiert werden. Der Ort der Vermittlung zwischen Ost und West ist das Areal des verschwundenen Stadtschlosses, auf dem heute der Palast der Republik steht.
Der Forderung nach Abriß des Palastes der Republik folgten die meisten Wettbewerbsteilnehmer, diesem Diktat ordnete sich das Preisgericht unter - wenngleich mit leichtem Widerspruch. Der erste Preisträger, Bernd Niebuhr, wollte das DDR-Gebäude abreißen, um einem gewaltigen Kubus Platz zu machen, der über die Dimension des alten Schlosses hinausgeht und durch einen riesigen ovalen Hof gekennzeichnet ist. Von den zwölf durch Preise und Ankäufe ausgezeichneten Arbeiten wollten aber immerhin zwei den Palast voll und einer partiell erhalten: der 4. Preis (Oswald Mathias Ungers), der 3. Ankauf (Peter Zlonicky, Kunibert Wachten, Othmar Ebert) und der 5. Ankauf (Wilhelm Holzbauer, nur zum Teil).
Des weiteren stellte sich die Frage, was am Marx-Engels-Platz mit dem Baudenkmal "Staatsratsgebäude" geschehen sollte. Dieser Bau muß zu den bedeutendsten Gebäuden der frühen DDR-Moderne gerechnet werden. Er steht stadtbaugeschichtlich für das Bemühen, den südlichen Abschluß des Marx-Engels-Platzes etwa in Höhe der kriegszerstörten südlichen Bebauung des früheren Schloßplatzes zu markieren. Allerdings wurde im Norden die Brüderstraße gekappt, die nunmehr in der Höhe der Sperlingsgasse endet. Die Höhe des Gebäudes ordnet sich dem Maßstab des vernichteten Schlosses unter, das aber in dem Portal wenigstens als ohnmächtige Erinnerung und Hinweis weiter existiert.
Das Staatsratsgebäude stand der - städtebaulich höchst fragwürdigen - massiven Präsenz des Außenministers direkt am Marx-Engels-Platz im Wege. Das Preisgericht prämiierte fünf Arbeiten, die den Abriß des Staatsratsgebäudes vorsahen, und sieben weitere, die auf dessen Erhalt zielten. Die Abrißvorschläge aber waren eindeutig besser plaziert: Es handelt sich um die ersten drei preisgekrönten Entwürfe und die ersten beiden Ankäufe.
So variantenreich die Vorschläge zum Marx-Engels-Platz waren, so schmal war das angebotene Lösungsspektrum für den Bereich des Friedrichswerder. Vor allem die Wiedererrichtung der Bauakademie war bei den verbliebenen Teilnehmern des Wettbewerbs nahezu unumstritten. Kein Teilnehmer ließ das DDR-Außenministerium stehen. Sämtliche prämiierten Arbeiten wollten den Wiederaufbau der Bauakademie, von den übrigen 40 Arbeiten der zweiten Wettbewerbsphase immer noch 34. Auch der Schinkelplatz sollte nach dem Willen von 11 prämiierten und 30 sonstigen Teilnehmern wiederhergestellt werden.
Völlig im Schatten der Aufmerksamkeit blieb die Neugestaltung der Gertraudenstraße. Dabei handelt es sich immerhin um einen der beiden Gründungsorte Berlins, um das Zentrum der mittelalterlichen Stadt Cölln, das ja erst Jahrhunderte später durch das Schloß dominiert wurde. Die Neuinterpretation einer "stadtbürgerlichen Hauptstraße" war eine Aufgabe, die der gestalterischen Weiterentwicklung des Marx-Engels-Platzes in keiner Weise nachstand. Die in der Wettbewerbsausschreibung formulierte Forderung nach Erhalt einer Autopiste wurde dieser Aufgabe bereits im Ansatz nicht gerecht. Alle prämiierten Arbeiten unterwarfen sich dem in der städtischen und Fachöffentlichkeit bis dahin nicht diskutierten Diktat. Varianten gab es lediglich in der Straßenführung - etwas geschwungen oder einfach geradeaus.
Ein Abriß der Wohnhochhäuser auf der "Fischerinsel" verbot sich aus wohnungspolitischen Gründen. Dafür räumten die Preisträger in ihren Entwürfen bestehende Flachbauten für Geschäfte, Gaststätten, Läden und ein Schwimmbad weg. Selbst zur Erhaltung des architektonisch ambitionierten Gaststättenkomplexes "Ahornblatt" konnte sich kein Teilnehmer der zweiten Phase durchringen. Aber nicht nur das: Fast alle Architekten empfahlen eine erhebliche bauliche Verdichtung der Fischerinsel. Dies ist angesichts der schon vorhandenen Wohnungdichte höchst problematisch. Die schematischen Vorschläge für die "Fischerinsel" zeigen die große Distanz der Wettbewerbsteilnehmer zu den Sorgen und Ängsten vor Ort.
Bald nachden der Wettbewerb entschieden war, spitzte sich der Konflikt um eine strategische Detailfrage zu - um den durch den ersten Preisträger scheinbar "legitimierten" Abriß des ehemaligen Staatsratsgebäudes. Bereits im Sommer 1994 hatte sich eine überregionale Fachinitiative gebildet, die sich gegen den Abriß des Baudenkmals aussprach. Gegen Ende 1994 stellte auch der Bausenator den Abriß in Frage. Im Januar 1995 schließlich war es soweit: Der neue Bauminister konnte den politisch angeschlagenen Außenminister bewegen, die erwünschte Adresse "Schloßplatz" aufzugeben, dafür in das ehemalige Gebäude des Zentralkomitees der SED (Reichsbank) zu ziehen und damit einen Streitpunkt der Hauptstadtplanung zu entschärfen. Mit der Verkündung des "Verzichts" seitens des Außenministers wurden die Ergebnisse des Spreeinselwettbewerbs weiter entwertet. Die Anstrengungen des Landes Berlin konzentrierten sich seither auf den Abriß des ehemaligen DDR-Außenministeriums, obgleich die Nutzung und die finanzielle Tragfähigkeit des geplanten Wiederaufbaus der Schinkelschen Bauakademie am Werderschen Markt noch nicht ausreichend geklärt war. Auch eine Bebauung südlich des ehemaligen Kommandantenhauses ist im Gespräch. Zugleich ging der Streit um den Abriß des Palastes der Republik in seine nächste Runde.
Nahezu gleichzeitig mit der "Spreeinsel" wurde der Lustgarten Gegenstand eines Wettbewerbes. Die konzeptionelle Aussonderung des Lustgartens aus dem stadträumlichen Zusammenhang des ehemaligen Schloßareals implizierte einige Grundsatzprobleme. So wurde eine Auseinandersetzung sowohl mit dem südlichen historischen Bezugspunkt des Lustgartens, dem ehemaligen Schloßareal, als auch mit dem den Lustgarten im Süden begrenzenden Hauptstraßenzug erschwert. Das Konzept eines neuen Lustgartens mußte erarbeitet werden, ohne daß die Gestaltung des ehemaligen Schloßbereichs hinreichend geklärt war. Der beschränkte, internationale Realisierungswettbewerb Lustgarten wurde nämlich vor dem Wettbewerb Spreeinsel entschieden. Damit war nahegelegt, den Lustgarten lediglich als Vorgarten des Alten Museums zu begreifen, als Vorgarten, der vor der nicht in Frage zu stellenden Hauptstraße geschützt werden mußte.
Die Auslober wollten eine solche Lösung zunächst wohl nicht, wie ihre Kritik am gegenwärtigen Zustand des Lustgartens in der Wettbewerbsausschreibung zeigt. Es heißt dort: "Der Verlust der Rahmung des Museums durch die Baumarchitektur zu beiden Seiten, die zwischen Gebäuden und Bäumen Durchgänge zu den rückwärtig anschließenden Außenräumen freiließ, beraubt den Bau seiner vielfältigen stadträumlichen Einbindung. Die Intelligenz der ursprünglichen Konzeption ist versimpelt zu der Rolle eines verkleinerten 'Vorgartens' für das Museum."
Die Aussonderung des Lustgartens aus dem ehemaligen Schloßareal orientierte viele Teilnehmer nahezu zwangsläufig nach Norden, während die Karl-Liebknecht-Straße und der Marx-Engels-Platz im Süden als ungeklärter und unbeeinflußbarer Raum erscheinen mußten. Auch das Preisgericht und die Fachöffentlichkeit verstanden den Lustgarten offenbar lediglich als Vorzone des Alten Museums. Deutlich wurde das vor allem an dem Standpunkt, von dem aus das in der Öffentlichkeit umstrittenste Element des preisgekrönten Entwurfs von Gerhard Merz, der sogenannte "Pavillon", diskutiert wurde.
Die Befürworter betonten den Blick von Norden, vom Museum her, ihnen erschien der "Pavillon" als Entree in den Vorgarten des Museums, er spiegelte in seinen Maßen das Museum wider und huldigt diesem und nur diesem. Der "Pavillon" ermöglichte in dieser Optik eine Beruhigung des Lustgartens, eine neue Stille, er schirmte den Freiraum vor den Unbilden der autogerechten Hauptstraße und den Unwägbarkeiten der Weiterentwicklung des Marx-Engels-Platzes ab. Die Loslösung der Museumsinsel von ihrem Herkunftsort und Bezugspunkt im Süden wird so perfektioniert, die Hauptstraße als Ort städtischer Öffentlichkeit faktisch aufgegeben.
Die Kritiker argumentierten eher mit einer anderen Perspektive, sie blicken von der Straße her auf den "Pavillon". Der 87 Meter lange und vier Meter hohe Bau schirmt den Lustgarten ja nicht nur gegen die Straße ab, er verdeckt auch den Blick von der Straße aus auf das Alte Museum und den Lustgarten selbst. Er wurde daher nicht nur als Lärmschutzwand begrüßt, sondern auch als Sichtbarriere kritisiert. Als Sichtbarriere, die als Kunstwerk sicher ihre Anerkennung finden kann, die aber stadträumlich höchst problematisch ist: Der Passant auf der nördlichen Straßeseite ist auf einer beträchtlichen Wegeslänge mit einer einfarbigen Wand konfrontiert, die euphemistisch als "monochromes Fresko" verkauft wird.
Die Kritik biß sich in erster Linie am "Pavillon" fest, während die geplanten Rasenflächen und der breite, gepflasterte Zugang zum Alten Museum Zustimmung fanden. Aber nicht nur der Bezug nach Süden, auch der Bezug nach Osten, zum Dom hin, blieb ein Problem. Denn der Dom wird im Entwurf des ersten Preisträgers aus dem Lustgarten ausgegrenzt.
Die ausschließliche Orientierung des "ruhigen" Lustgartens auf das Alte Museum ordnete diesen eindeutig der "Museumsinsel" zu. Das war aus der Sicht der Museen sicher verständlich. Städtebaulich wurden damit aber die Bezüge unzulässig vereinfacht. Der Lustgarten hatte und hat die Aufgabe, die Museumsinsel zum ehemaligen Schloßareal hin zu vermitteln und zugleich den Dom einzubinden, nicht abzupflanzen. Dieser komplexen Anforderung wurde der prämiierte Entwurf nicht gerecht.
All diese für die Struktur des Zentrums wichtigen Grundsatzfragen wurden aber nicht Gegenstand einer lebhaften Diskussion, im Gegenteil: Nach der Verkündigung der durch und durch widersprüchlichen und damit im besten Sinne provozierenden Wettbewerbsentscheidung und einer kleinen und heftigen, aber kurzatmigen Kritik am Entwurf von Gerhard Merz verschwand das Thema "Lustgarten" von der Bühne der öffentlichen Aufmerksamkeit. 1995 wurde dann ganz nebenbei bekannt, daß der Entwurf nicht mehr realisiert werden soll.
Der Wettbewerb Spreeinsel und sein kleiner Bruder, der Wettbewerb Lustgarten, legten die Probleme der Berliner Zentrumsplanung schonungslos offen: Die strukturellen Probleme des historischen Zentrums von Berlin blieben weiter im Schatten. Die Erfordernisse der Zentrumsplanung wurden den (vermeintlichen) Interessen der Hauptstadtwerdung untergeordnet. Wieder einmal wurde ein dringend notwendiges Zeichen in Richtung Ost-West-Vermittlung verfehlt: Der "Osten" wurde brüskiert - nicht nur durch den papierenen Kahlschlag der DDR- Bauten, sondern auch durch den baulichen Angriff auf die "Fischerinsel".
Versäumt wurde aber vor allem die notwendige verkehrspolitische Grundsatzentscheidung - weg von der autogerechten Stadt, hin zu einer Politik der öffentlichen Räume. Mehr und mehr erweist sich diese Frage als ein Schlüsselproblem der gesamten Zentrumsplanung. Die schöne Rede von neuen öffentlichen Räumen wird immer unglaubwürdiger, wenn die Straßen vor allem dem Autoverkehr dienen sollen. Der Straßenzug Unter den Linden/Karl-Liebknecht-Straße samt Forum Fridericianum, Lustgarten und dem großen Freiraum um Marienkirche und Fernsehturm wird als öffentliche Raumfolge de facto erdrosselt, wenn er weiterhin als Autopiste erhalten bleibt. Das gleiche gilt noch weit mehr für den stadtbürgerlichen Hauptstraßenzug zwischen Potsdamer Platz und Alexanderplatz. Für diese Straßen ist mittelfristig allerhöchstens das Modell Kurfürstendamm erträglich.
Eine solche Sichtweise ist im übrigen nicht neu und nicht erst ein Ergebnis des Diskurses über den ökologischen Stadtumbau. Bereits 1948 hat Hans Borstorff in seiner Schrift "Stadt ohne Zentrum" das Problem "öffentlicher Raum und Verkehr" angesprochen: "Bei der Planung der neuen City muß diese Frage aber unbedingt mit im Vordergrund stehen und zugunsten der Hauptkaufstraßen in ihrer Eigenschaft als Kaufstraßen und nicht als Verkehrsstraßen entschieden werden. - Ein zu breiter Fahrdamm zerreißt unter allen Umständen jede Kaufstraße und schafft zwei gesonderte Straßenfronten. Ein Schulbeispiel dafür, wie es nicht sein soll, schuf der Nationalsozialismus mit der Führung der 'Ost-West-Achse' durch die Straße Unter den Linden. [...] Wäre das Projekt des Nationalsozialismus - der Durchbruch nach Osten zur Frankfurter Allee - restlos verwirklicht worden, so wären die Linden zu einer Autoschnellstraße geworden und hätten demzufolge sowohl ihren repräsentativ vornehmen Charakter als Kaufstraße wie auch als Boulevard gänzlich verloren. Zwei von starkem Verkehr durchflutete Fahrdämme und eine breite Mittelpromenade sind Faktoren, vor denen jeder Straßenpassant Respekt hat, und die er nur in dringenden Fällen mit in Kauf nimmt. Die zukünftige City-Planung steht hier vor dem Problem, die Linden entweder zur Autoschnellstraße oder zur Repräsentations- und vornehmen Kaufstraße zu machen. Beides läßt sich nicht vereinigen." (S. 40f.)
Drastisch zeigte sich schließlich nicht erst beim Spreeinselwettbewerb die Hilflosigkeit des statischen, wenig flexiblen Planungsinstruments "städtebaulicher Ideenwettbewerb" angesichts einer Ausgangslage, die nicht angemessen vorstrukturiert war und sich ständig veränderte. Die Entscheidungsmechanismen des Preisgerichts hätten vor diesem Hintergrund vollständig transparent gemacht werden müssen: Welche Teilaufgabe wurde mit welchem Gewicht bewertet, welche "Vorgaben" wurden mit welchem Nachdruck berücksichtigt?
Wer vom Alexanderplatz in Richtung Spree ging, sah nichts von der Schloßkulisse. Diese orientierte sich ja auch nur nach Westen. Der Blick von Osten traf und trifft auf den unzugänglichen Palast der Republik, der wie ein gläserner Riesensarg wirkt. Dennoch läßt sich noch erahnen, daß der "Palast" städtebaulich nach Osten hin mehr überzeugt als nach Westen. Er zeigt zumindest jedem aufmerksamen Beobachter, daß nicht nur die Westseite des ehemaligen Schloßbereichs, sondern auch die Ostseite Berücksichtigung finden muß. Dabei darf aber nicht vergessen werden, daß nicht nur das Schloß, sondern auch die alte, ungeliebte Stadt hinter dem Schloß verschwunden ist. Ohne eine Perspektive für die Ostseite bleibt jede Diskussion westlastig.
Die DDR hat der absolutistischen Westorientierung eine teilstädtische Ostorientierung entgegengesetzt. Die Antwort heute darf nicht eine Umkehrung dieser Entwicklung sein - das wäre blind, rückwärtsgewandt, den Chancen des östlichen Zentrums nicht angemessen. Heute muß der historische Gegensatz zwischen West- und Ostorientierung aufgehoben werden. Der Bereich des ehemaligen Schlosses muß sich nach Osten wie Westen orientieren, ohne einer Seite den Rücken zu zeigen. Er muß zwischen Ost und West vermitteln, zwischen der Dorotheen-/Friedrichstadt im Westen und dem Areal der verschwundenen "Altstadt" im Osten.
Jede Neugestaltung in diesem Bereich hat zunächst die Existenz von zwei sozial-kulturellen Initiativen zur Kenntnis zu nehmen: der Initiative zum Erhalt des Palastes der Republik und der Initiative zum Wiederaufbau des Schlosses. Beide Initiativen sind nicht - wie bislang oft vorschnell und vereinfachend versucht - eindeutig ideologischen Lagern zuzuordnen: etwa dem Lager der "DDR-Nostalgiker" oder dem der "Hohenzollern-Fans". Beide Initiativen spiegeln eine Fülle unterschiedlicher Argumentationen und Hoffnungen wider und sind nicht a priori abzuwerten, im Gegenteil: Sie verkörpern breitere Bürgerbewegungen, die die Probleme des "Zusammenwachsens" in Berlin und Deutschland nach 1989 komplex zum Ausdruck bringen. Dagegen ist die dritte Position, die eine "moderne" architektonische Gestaltung fordert, mit einer disziplinär- akademischen, von einzelnen Politikern gestützten Architekturfraktion verbunden, die sich gegen die beiden gesellschaftlichen Initiativen richtet. Diese Position ist schon deswegen nicht unproblematisch, weil sie eine bedingungslose Kapitulation der beiden Initiativen voraussetzt.
Überhaupt wird der kulturelle Streit wie ein kultureller Krieg ausgetragen; jede Partei zielt - vielleicht typisch deutsch - auf die vollkommene Niederlage der anderen; Kompromisse dagegen gelten als schwächlich und zweitklassig. Zu fragen ist, ob diese Form der Auseinandersetzung nicht überwunden werden kann. Ist ein "Kompromiß" zwischen den beiden gesellschaftlichen Initiativen möglich, der zugleich den Anforderungen an eine gestalterische und funktionale Verbesserung des ehemaligen Schloßbereichs gerecht wird? Bei einer solchen Lösung gäbe es keinen "Sieger", aber auch keine "Besiegten", allerdings müßten beide Parteien zugunsten einer Vermittlung zurückstecken. Die Konturen des Palastes der Republik könnten bestehen bleiben - als Ergebnis des Umbaus des vorhandenen Gebäudes. Historisch wertvoll sind vor allem die inneren Raumstrukturen, das Äußere könnte architektonisch uminterpretiert werden. Sinnvoll wäre daneben eine Baufigur, die an das Schloß erinnert. Zwischen beiden Gebäuden müßte es keine Verbindung geben, sondern vielleicht eine Fuge - Ausdruck des Widerspruchs. Eine solche Gestaltung würde dem historisch bedeutsamen Ort wie der ebenfalls wichtigen "Wendezeit" gerecht werden: Kein Ort im Zentrum kann an die gespaltene deutsche Nachkriegsgeschichte in so eindringlicher Weise erinnern. Diese Besonderheit verpflichtet: Die Kontroverse "Palast der Republik versus Schloß" sollte sichtbar bleiben.
Ein weiteres Grundproblem ist der Umgang mit der Südseite des Platzes. Nach dem Verzicht des Außenministers auf einen Neubau am "Schloßplatz" scheint der Erhalt des baugeschichtlich und historisch bedeutenden ehemaligen Staatsratsgebäudes gesichert. Zur weiteren Differenzierung des Platzes wären zusätzliche kleinere Gebäude wünschenswert - etwa auch eine Folge kleinteiliger Bauten in Anlehnung an die stadträumlich wichtige ehemalige "Schloßfreiheit".
Der ehemalige Schloßbereich ist natürlich nicht nur ein Problem der Stadtgestaltung im formalen Sinne. Entscheidend ist seine künftige Nutzung. Als Sitz von Ministerien wäre seine Chance zur Vermittlung zwischen West und Ost verspielt worden. Nach der bürgerlichen Inbesitznahme des Schlosses im Jahre 1918 kann dieser Ort nur mehr ein Platz der Kultur, der Begegnung, der städtischen, nationalen oder europäischen Öffentlichkeit sein. Das Staatsratsgebäude selbst könnte als Ort der Kultur dienen, vor allem - wie nach 1989 bereits erfolgreich praktiziert - von Ausstellungen, aber auch von Veranstaltungen repräsentativen Charakters. Im Palast der Republik und einem Neubau westlich des Palastes sollte die ursprüngliche, den öffentlichen Charakter der Gebäude unterstreichende bunte Nutzungsmischung in zeitgemäßer Form wiederbelebt werden.
Mit dem Spreeinselwettbewerb, so der Berliner Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Volker Hassemer, sei die letzte große städtebauliche Entscheidung für die Berliner Mitte gefallen. Das - so bleibt für Berlin zu hoffen - ist doch etwas übertrieben. Der Wettbewerb und die folgende Diskussion haben gezeigt, daß noch einige "große" städtebauliche Aufgaben anstehen: die Neugestaltung des für die historische Identität Berlins außerordentlich wichtigen bürgerlichen Hauptstraßenzuges zwischen Spittelmarkt und Alexanderplatz, für dessen Trasse in Alt-Berlin ein städtebauliches Gutachten vorliegt (Arbeitsgemeinschaft Gutachten Molkenmarkt 1994), dann die Qualifizierung des großen städtischen Freiraums zwischen Palast der Republik und Alexanderplatz zu einer großstädtischen kommunalen Mitte und - realistischerweise - die Gestaltung des Schloßplatzes unter Einbezug des Palastes der Republik und im Zusammenhang mit dem anschließenden Lustgarten. Der notwendige Streit um diese zentralen Aufgaben im östlichen Zentrum Berlins kann aber nur dann erfolgreich abgeschlossen werden, wenn der autofixierten Verkehrsplanung der Dirigentenstab abgenommen wird.
Der dritte Bereich des ehemaligen Zentrumsbandes, der "Freiraum" zwischen S-Bahnhof Alexanderplatz und Palast der Republik auf den Trümmern von Alt-Berlin ist bislang noch nicht Gegenstand intensiver öffentlicher Planungsarbeit gewesen. Daher gibt es auch kein "Bild" seiner künftigen Gestaltung, nicht einmal Vorarbeiten zu einem solchen "Bild". Der Freiraum stellt ein konzeptionelles Vakuum dar, das die Fragmentierung der öffentlichen Planungsarbeit im Bereich des ehemaligen Ost-Berliner Zentrums eindrucksvoll verdeutlicht.
Die Wettbewerbe zu den Bereichen östlich und westlich des Freiraums betreffen auch dessen Begrenzungen: Die Ost- wie die Westseite wurden hinsichtlich Funktion und Bebauung grundsätzlich in Frage gestellt. Dagegen sind die langen Nord- und Südseiten hinsichtlich Bebauung und Funktion relativ stabil, sie vermitteln eine gewisse Kontinuität zur Zeit vor 1989. Das Nutzungsprofil bleibt im wesentlichen erhalten, die Bebauung ebenfalls - mit Ausnahme vielleicht des Palasthotels. Die Modernisierung der nach westlichen Vorbildern neugestalteten Markthalle ist eine der wenigen Veränderungen, die auf eine Ost-Initiative zurückgehen - ein zusätzliches Element von Kontinuität.
"Frei" ist der gewaltige Raum im Herzen der ausgeschabten Altstadt im übrigen nur aus der Sicht von Architekten: frei von einer flächendeckenden Bebauung, nicht aber von Menschen, von Nutzungen, von einzelnen Gebäuden und Anlagen, die diese Nutzungen anregen oder bremsen. "Frei" ist der Raum allerdings noch in einem mittelbaren Sinne: frei von einer allgemein akzeptierten Bezeichnung; er ist namenlos. Die im folgenden fortgeschriebene Bezeichnung "Freiraum" ist mit diesen Einschränkungen zu lesen.
Ganz frei von Planungsarbeit ist der Freiraum allerdings nicht. Offiziell ist der Stand des im Juni 1992 publizierten Gutachtens "Städtebauliches Leitbild für die Berliner Mitte - Bereich Spreeinsel" (Arbeitsgemeinschaft Spreeinsel) noch nicht überholt. Die Aussagen dieses Gutachtens waren insgesamt etwas schillernd. Zum einen wurde dem "Bandmodell" eine klare Absage erteilt, zum anderen aber die bandartige Struktur des Freiraums im Kern akzeptiert. Hinsichtlich der Gestaltung wurde zunächst allgemein gefordert, daß "eine neue Raumstruktur gefunden werden [muß], die sich aus der Tradition des Altstadtkörpers Berlins entwickelt und gleichzeitig der gesamtstädtischen Bedeutung dieses Ortes Rechnung trägt" (S. 44). Konkretisiert sollte dies - durchaus in Anlehnung an manche Vorschläge der fünfziger Jahre - bedeuten: Schaffung eines Rathausvorplatzes, "Einbindung" der Marienkirche "in das gebaute städtische Gefüge", "Einbezug" des Fernsehturms ohne Vorbauten "in ein neues, kleinteiliges Gefüge", Rückbau der Karl-Liebknecht-Straße und deren Einfassung durch Gebäude (S. 112).
"Insgesamt", so die Zusammenfassung, "sollte in diesem Bereich die Grundidee eines großzügigen Freiraumes im Zentrum der Großstadt ('Forum Berolini') erhalten bleiben, um jedoch mit der sinngemäßen Wiedereinführung der kleinteiligen und verbindenden Blockstrukturen - gewissermaßen in Synthese der widersprüchlichen Prinzipien - zur dimensionierten stadträumlichen Form zu gelangen." (S. 114) Es ist das Verdienst des Gutachtens, auf die Bedeutung des Freiraums schon sehr früh aufmerksam gemacht zu haben. Das Bekenntnis zum "großzügigen Freiraum" wurde allerdings an anderer Stelle wieder etwas relativiert, indem lediglich eine "vorläufige Freihaltung des Marx-Engels-Forums/'Forum Berolini' (vom Fernsehturm bis zur Spree)" empfohlen wurde (S. 49).
In eine ganz andere Richtung wies ein Beschluß des Abgeordnetenhauses vom 29. April 1993, mit dem zur Förderung einer "zügigen Entwicklung" des Freiraums ein "städtebauliches Konzept" gefordert wurde. Dieser Beschluß zielte auf eine rabiate Reprivatisierung und Bebauung des Freiraums: "Auf den Erhalt des 'Marx-Engels-Forums' und anderer überdimensionierter Freiflächen, die den städtischen Charakter des Bereichs beeinträchtigen, [ist] zu verzichten. Nach Klärung der städtebaulichen Entwicklungvorgaben [ist] eine möglichst große Anzahl von Eigentümern und privaten Investoren an der Gebietsentwicklung zu beteiligen und erforderlichenfalls eine Entwicklungsgesellschaft mit privater Beteiligung zu gründen."
Eine von Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer verantwortete, auf diesen Beschluß reagierende "Mitteilung über Städtebauliche Entwicklung des Bereichs Fernsehturm 'Marx-Engels- Forum' in Mitte" an das Berliner Abgeordnetenhaus vom 19. August 1993 bremste die Ambitionen des Beschlusses, blieb aber eine eindeutige Position schuldig. Zunächst wurden lediglich die Grundaussagen des im Juni 1992 publizierten Gutachtens wiederholt. Neu war aber der explizite Hinweis auf die Notwendigkeit, die Ergebnisse der Wettbewerbe "Alexanderplatz" und "Spreeinsel" sowie die Entwicklung der Flächen für Einzelhandel und Dienstleistungen im Berliner Zentrum abzuwarten. "Aus diesen Gründen ist zum jetzigen Zeitpunkt auch die Bildung einer Entwicklungsgesellschaft für dieses Gebiet verfrüht."
Die potentielle Qualität eines langfristig zu erhaltenden großen Freiraums wurde in dieser defensiven Argumentation nicht erkannt, der Freiraum schien lediglich als Bauland im Wartestand betrachtet zu werden. Wichtig war aber noch ein weiterer Hinweis: "Die erneuten Veränderungen müssen im öffentlichen Interesse der Stadt liegen." Zur Klärung dieses Interesses sei vor der Neuordnung dieses Stadtbereichs eine "umfängliche demokratische Diskussion" notwendig. Diese Diskussion hatte noch nicht einmal im Ansatz stattgefunden. Aber immerhin wurde der Freiraum im neuen Flächennutzungsplan vom Juli 1994 als Grünfläche ausgewiesen.
Die überkommene Struktur des Freiraums ist ohne Zweifel verbesserungsfähig. Die Begrenzung durch eine rechteckige Randbebauung bietet aber formal einen stabilen Rahmen, der ohne Probleme die Veränderung von Teilfronten des Rahmens erlaubt (etwa des Palasthotels). Ein Abriß des Palastes der Republik würde diesen Rahmen allerdings erschüttern. Mit dem Fernsehturm und der Marienkirche sind markante Freiraumarchitekturen vorhanden, die um weitere Kleinbauten bereichert werden können. Vor dem Hintergrund der beabsichtigten radikalen Verkleinerung des Marx-Engels-Platzes (Schloßplatzes) wie des Alexanderplatzes wird der Freiraum einen wirkungsvollen Kontrast zur angestrebten verdichteten Bebauung im Umfeld darstellen.
Der Freiraum muß zum einen als Gesamtraum erlebbar bleiben, zum anderen ein Archipel unterscheidbarer Nutzungs- und auch Gestaltqualitäten werden. Er muß die Bewohner des Zentrums ebenso anziehen wie andere Berliner und Berlinbesucher. Er muß die Erinnerung an die versunkene alte Stadt - über die Marienkirche hinaus - wahren, die Erinnerung an die DDR-Zeit ermöglichen (Fernsehturm und Marx-Engels-Denkmalsensemble) und zugleich eine Freilichtbühne eines neuen Zentrums des vereinigten Berlin eröffnen. Als Freiraum bringt er unmißverständlich den Vorrang öffentlicher Interessen vor privaten Bau- und Verwertungsinteressen zum Ausdruck. Er verkörpert die Idee eines grünen Zentrums und einer Stadt, die den Autoverkehr in die Schranken weist und neue Anstrengungen zu einem ökologischen Stadtumbau unternimmt.
Ein Konzept für einen neuen Freiraum braucht einen treffenden Namen. Bisher wurden Vorschläge wie "Central Park", "Altstadtpark" oder "Forum Berolini" ins Spiel gebracht. Keiner dieser Begriffe ist programmatisch ausreichend bzw. akzeptabel. Zudem scheint die Bezeichnung "Park" diesem Zentralraum nicht angemessen, schon eher die Bezeichnung "Forum", wenngleich damit die Assoziation "homogener Raum" geweckt wird und der Begriff gerade in Berlin durch zahlreiche Banalisierungen (zum Beispiel "Forum Steglitz") abgegriffen ist. Vielleicht wäre der etwas schnoddrige Name "Panoramaplatz" gar nicht so unpassend, den ein privater Fernsehsender in Anlehnung an die Panoramastraße am Fernsehturm verbreitet hat.
Schließlich bleiben noch zwei Resträume Alt-Berlins zu erwähnen, die durch das in der DDR-Zeit ausgeprägte Zentrumsband in den Schatten gestellt wurden: der Bereich zwischen den Bauten der Karl-Liebknecht-Straße und der S-Bahntrasse im Nordwesten und der Bereich zwischen den Bauten der Rathausstraße und der Spree bzw. der S-Bahntrasse im Südosten. In diesen Hinterhöfen des DDR-Städtebaus finden sich Reste von Alt-Berliner Parzellen und Straßenführungen sowie - allerdings nur im Südosten - markante Reste des Städtebaus vor 1945, darunter der Block des Berliner "Stadthauses" und vor allem die Produkte der Altstadtsanierung der nationalsozialistischen Zeit zwischen Stralauer Straße und Spree. Bei der Reparatur dieser städtebaulichen Hinterhöfe der DDR-Zeit könnte sich die Methode der "kritischen Rekonstruktion der Stadt" bewähren. Die Art der Bezüge bzw. Übergänge zu den Nachbarzonen bedarf dabei allerdings besonders sorgfältiger Überlegungen.
Hat das ehemalige Zentrumsband der DDR heute überhaupt noch eine alle drei Teilräume übergreifende Bedeutung? Während in den Gebieten der barocken Stadterweiterungen eine kritische Rekonstruktion der noch weitgehend vorhandenen historischen Stadt geleistet werden kann, eröffnet sich im Bereich des ehemaligen Zentrumsbandes die Chance einer Neuinterpretation, eines Weiterbaus an den überkommenen "modernen" Großstrukturen und damit einer städtebaulichen Selbstdarstellung des neuen, wiedervereinigten Berlin. Diese Selbstdarstellung hätte die Aufgabe, die Wiedervereinigung in städtebaulicher, funktionaler, ökologischer, sozialer und politischer Hinsicht überzeugend zu vermitteln, kulturelle Polarisierungen zu überwinden und die Perspektiven einer nach Osten sich orientierenden europäischen Stadt zu verdeutlichen.
Konkret muß die Raumfolge Alexanderplatz - Freiraum - Schloßplatz eine neue Bedeutung erhalten: der Alexanderplatz als Verkehrs- und Geschäftszentrum des Ostens, der Freiraum als ost- west-vermittelnder Panoramaplatz und der Schloßplatz als wiedergewonnenes und ergänztes kulturelles Zentrum, als stadtbürgerlicher Platz von europäischer Dimension. Das Zentrumsband muß das Symbol einer Ost-West-Verständigung werden, einer Verständigung von Ost- und West- Berlinern, von Ost- und West-Deutschen, von Ost- und West-Europäern: ein reales Symbol, nicht nur eine formale Geste, wie die geplante neue Baustruktur des Spreebogens.
Der aktuelle Stand der Planungen für das ehemalige Zentrumsband der DDR ist angesichts solcher Anforderungen alles andere als erfreulich. Ohne daß der dreiteilige Zentralraum überhaupt in seinem Zusammenhang wahrgenommen und reflektiert wurde, ohne daß er - vor dem Hintergrund seiner herausragenden Stellung in der DDR-Stadtbaugeschichte - ernsthaft als Gegenstand der städtebaulichen Denkmalpflege geprüft worden war, wurde er planerisch zerstückelt und in seinem östlichen wie westlichen Bereich Objekt isolierter Neugestaltungsprojekte ohne programmatische Kraft. Dabei wurde der städtebauliche wie bauliche Bestand ohne vorherige nüchterne und gründliche Analyse zur Disposition gestellt. Proteste aus Ost-Berlin wurden nicht ernst genommen, Architekten und Planer, die an der Ost-Berliner Zentrumsplanung beteiligt waren, wurden nicht angemessen konsultiert.
Der Freiraum ist zwar bislang noch kein Gegenstand offizieller Gestaltungsplanung geworden, aber das ist kein Grund zur Beruhigung. In den Köpfen einiger Architekten und Planer ist er schon fast bebaut. Gerechtfertigt werden diese Phantasien mit dem Leitbild der kritischen Rekonstruktion der Stadt. Das ist eine große Gefahr. Denn es gibt noch kein Gutachten, das diesen Freiraum hinsichtlich seines sozialräumlichen wie gestalterischen Bestands analysiert und dessen Chancen ausgeleuchtet hätte. Das ist kein Zufall: Freiraum hat in Berlin zur Zeit keine gewichtige Lobby, die meisten überkommenen Freiräume im Zentrum werden ohne große Debatte als Bauplätze betrachtet. Sicher, für die Verkleinerung des Alexanderplatzes und des Schloßplatzes gibt es gewichtige Argumente, aber muß nicht gerade wegen der Verkleinerung dieser Plätze die Erhaltung des zentralen Freiraums besonders sorgfältig geprüft werden?
Die Erneuerung der Altstadt darf sich heute allerdings nicht nur auf das Zentrumsband der ehemaligen DDR beschränken. Die abseits dieses Bandes verbliebenen Stadtteile im Bereich Alt- Berlins, Alt-Cöllns und des Friedrichswerder bedürfen einer sorgfältigen Diskussion und Planung, die mit dem Spreeinselwettbewerb überhaupt erst angefangen hat. Das betrifft die verödeten oder verschwundenen Plätze des Friedrichswerder: Spittelmarkt, Hausvogteiplatz, Werderscher Markt und Schinkelplatz. Das betrifft weiter die völlig veränderten Gebiete der Fischerinsel und des Bereichs südlich bzw. südöstlich des Stadtbahnhofes Hackescher Markt. Insbesondere die Wiederbelebung der einzigartigen stadtbürgerlichen Raumfolge Spittelmarkt - Gertraudenstraße mit Petriplatz und Köllnischem Fischmarkt, dann Mühlendamm -Molkenmarkt - Spandauer Straße weiter über die neu zu gestaltende Straßenraumfolge südlich des Rathauses und des Baukomplexes Rathausstraße zum Alexanderplatz ist die vielleicht wichtigste Aufgabe der Zentrumserneuerung, die in der Öffentlichkeit noch gar nicht richtig erkannt worden ist. Aus einer antistädtischen Transitzone muß wieder eine Passage mit Halte-Plätzen werden!